Auflagen zur "Netzneutralität" fallen in US-Senatsausschuss durch

Im Wirtschaftsausschuss des US-Senats fiel knapp ein Änderungsantrag zur Novelle des Telekommunikationsrechts durch, mit dem der Aufbau von Mautstellen in Breitbandnetzen verhindert werden sollte.

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Mautstellen im Internet? Geht es nach dem Wirtschaftsausschuss des US-Senats, dann sollen solche Gebührenhäuschen, an denen die Anbieter für ihren Datenverkehr in Breitbandnetzen einen zusätzlichen Obolus entrichten sollen, nicht grundsätzlich verboten sein. Der Ausschuss hat sich knapp gegen einen Änderungsantrag zur geplanten Novelle des Telekommunikationsrechts ausgesprochen, mit dem die "Netzneutralität" festgeschrieben werden sollte. Die Abstimmung endete bei elf gegen elf Stimmen in einem Patt, was den Korrekturvorschlag ins Aus bugsierte. Er basierte auf dem Vorschlag für einen Internet Freedom Preservation Act (PDF-Datei), den die republikanische Senatorin Olympia Snowe gemeinsam mit ihrem Kollegen Byron Dorgan von den Demokraten bereits im Mai ins Rennen geschickt hatte. Snowe konnte innerhalb ihrer Partei allerdings niemand mehr für das Vorhaben gewinnen. Außer ihr stimmten nur Demokraten für den Korrekturvorschlag zum jüngsten Entwurf für den Consumer's Choice and Broadband Deployment Act (PDF-Datei), mit dem das US-Telekommunikationsrecht umfassend reformiert werden soll.

Snowe und Dorgan wollten mit ihrem Papier Regulierungsansätze zur Sicherung der "Netzneutralität" durchsetzen. Dabei geht es um die Beibehaltung des Prinzip eines offenen, den Datenverkehr unterschiedslos behandelnden Internet auch im Breitbandbereich. Anlass für die Auseinandersetzungen ist das Drängen großer US-Breitbandanbieter und mittlerweile auch einiger europäischer Carrier wie der Deutschen Telekom, für den Aufbau ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter zur Kasse zu bitten. Die Carrier wollen Möglichkeiten erhalten zur unterschiedlichen Behandlung des Datenverkehrs in ihren Backbones, abhängig beispielsweise von Quelle, Dienst und Bandbreitenhunger. So könnten sie dann Datenverkehr etwa von besser zahlenden Kunden bevorzugt behandeln oder Konkurrenz für ihre Festnetze durch VoIP-Anbieter an den Rand drängen.

Der durchgefallene Antrag wollte es Breitbandanbietern untersagen, den Zugang zu bestimmten Inhalten zu blockieren. Die Netzbetreiber sollten auch daran gehindert werden, spezielle Vereinbarungen mit Inhalteanbietern für die schnellere oder garantierte Übertragung ihrer Daten abzuschließen. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Senat, der Republikaner Ted Stevens, hatte aber im Vorfeld der Abstimmung bereits deutlich gemacht, dass er gegen derartige Regulierungsauflagen ist.

Mit einer deutlichen Mehrheit von 15 Stimmen haben die Wirtschaftspolitiker des Senats gleichzeitig den unveränderten Entwurf für das COPE-Gesetz ins Plenum des Gesetzgebungsgremiums geschickt. Er enthält eine "Bill of Rights" für Internetnutzer. Die darin aufgezählten neun Rechte sollen es Verbrauchern etwa gestatten, alle erdenklichen rechtmäßigen Inhalte ins Netz zu stellen oder darauf zuzugreifen. Einschränkungen bei der Auswahl von Suchmaschinen oder von Programmen zum Abspielen von Musik- oder Videodateien soll es nicht geben. Internetanbieter würden mit dem Gesetz verpflichtet, im Breitbandbereich einen "nackten" Hochgeschwindigkeitszugang ohne eine Bündelung mit Telefon- oder TV-Paketen im Sinne des viel beschworenen Triple-Play-Ansatzes zu offerieren.

Verfechter strengerer Netzneutralitäts-Regeln, die im Web etwa als "It's Our Net"-Koalition auftreten, und von Firmen wie Amazon, eBay, Google, Microsoft oder Yahoo gefördert werden, sind mit der "Bill of Rights" nicht zufrieden. Ihrer Ansicht nach könnten Telekommunikationskonzerne und TV-Kabelanbieter das Internet damit in teure Luxusbahnen und holprige Feldwege aufteilen. Für ihr Anliegen sieht es im US-Kongress nun aber schlecht aus. In dessen zweiter Kammer, dem US-Repräsentantenhaus, war ein Antrag für eine umfassende Netzneutralitätsregelung des Demokraten Ed Markey bereits im Juni gescheitert.

Der Etappensieg der überwiegend republikanischen Gegner eines Eingriffs in den Breitbandmarkt zugunsten der Aufrechterhaltung traditioneller Internetprinzipien könnte allerdings nach hinten losgehen. Zumindest ein Demokrat, Senator Ron Wyden aus Oregon, kündigte an, die Verabschiedung des Gesamtpakets für die geplante Novelle blockieren zu wollen. Trotz ihrer Minderheit im Senat steht der Opposition dieser Weg mit Hilfe eines so genannten "Filibuster" offen. Dabei können einzelne Volksvertreter durch eine immer weiter geführte Debatte im Plenum die eigentliche Abstimmung verhindern.

Große US-Telcos wie Verizon drängen daher darauf, die Reform möglichst rasch zu verabschieden. Die Gesetzesvarianten aus Senat und Repräsentantenhaus sehen insbesondere vor, dass Telefonanbieter mit Videodiensten in den USA künftig bundesweit antreten, und so etwa TV-Kabelnetzbetreibern Konkurrenz machen können. Darüber hinaus enthalten die Vorlagen etwa auch Auflagen zur Durchsetzung der umstrittenen "Broadcast and Audio Flag". Damit sollen Hersteller digitaler TV- und Radio-Empfänger verpflichtet werden, ein von der Unterhaltungsindustrie eingeführtes Kopierschutzsignal zu unterstützen. Es wird allerdings erwartet, dass es bei der Endbehandlung der Novelle des Telekommunikationsrechts im Senat erneut zahlreiche Änderungsanträge auch von Republikanern zu den am heftigsten umkämpften Themen gibt.

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(Stefan Krempl) / (jk)