US-Importverbot für Handys mit Qualcomm-Chips bleibt in Kraft

Die Regierung Bush hat auf ein Veto gegen das von der US-Handelsaufsicht verhängte Importverbot verzichtet und Broadcom damit zu einem wichtigen Etappensieg im Patentstreit mit Qualcomm verholfen.

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US-Präsident Bush wird sich nicht in den erbittert geführten Patentstreit zwischen den amerikanischen Chipherstellern Qualcomm und Broadcom einmischen. Durch seine Handelsbeauftragte Susan Schwab ließ Bush erklären, dass er gegen das von der Aufsichtsbehörde für internationale Handelsbeziehungen (International Trade Commission, ITC) verhängte Importverbot für Handys mit den umstrittenen Qualcomm-Chips kein Veto einlegen wird. Die Handelssperre tritt damit sofort in Kraft. Die ITC hatte Qualcomm Ende vergangenen Jahres für schuldig befunden, mit bestimmten Chipsätzen für 3G-Handys Patente von Broadcom zu verletzen und Anfang Juni dann ein Importverbot erlassen.

Qualcomm will weiter mit allen Mitteln gegen die Entscheidung vorgehen und erhält dabei auch Unterstützung von Netzbetreibern und Handyherstellern, die in dem Streit nun unter die Räder zu geraten drohen. "Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden rechtlichen und technischen Möglichkeiten nutzen, um die Auswirkungen der ITC-Entscheidung auf die Verbraucher, unsere Kunden und die gesamte Mobilfunkbranche so klein wie möglich zu halten", erklärte Qualcomm-CEO Paul Jacobs.

Der Chiphersteller will erneut vor das Berufungsgericht ziehen, dass eine Beschwerde Qualcomms zuvor schon einmal zurückgewiesen hatte mit der formaljuristischen Begründung, bis zu einer Entscheidung der Bush-Administration nicht zuständig zu sein. Qualcomm möchte vor allem eine Aussetzung des Importverbots bis zur endgültigen Entscheidung des Streits erreichen; einen so lautenden Antrag hatte die ITC zuvor ebenfalls zurückgewiesen. Unterdessen will Qualcomm zusammen mit seinen Abnehmern auch an einer technischen Lösung des Problems arbeiten.

Auf der anderen Seite ist von Nachteilen für Verbraucher nicht die Rede. "Diese Entscheidung stärkt die Rechte am geistigen Eigentum aller US-Unternehmen, nicht nur Broadcoms", zeigte sich Broadcoms Chefjurist David Dull hochzufrieden mit dem ausbleibenden Washingtoner Veto. "Mit der Bestätigung der ITC-Maßnahme ermutigt die Bush-Administration eine marktorientierte Lösung von Patenstreitigkeiten, die im Sinne der amerikanischen Verbraucher, der US-Unternehmen und des globalen Patentschutzes ist."

Welche konkreten Auswirkungen das Importverbot auf die Branche haben wird, bleibt abzuwarten. Die Berkeley-Professoren Glenn Woroch und Nobelpreisträger Daniel McFadden schätzen den wirtschaftlichen Schaden für Verbraucher und die Branche in einer Studie für die Unternehmensberatung Brattle Group auf 4,3 bis 21,1 Milliarden US-Dollar, je nach Dauer des Importverbots. Die US-Wirtschaft werde durch einen geringeren Beitrag der Telekom-Branche zum Gesamtwachstum in Mitleidenschaft gezogen. Zudem werde der Wettbewerb auf dem US-Markt beschädigt und die möglichen Einnahmen der Staatskasse aus einer anstehenden Frequenzauktion um bis zu 1,4 Milliarden US-Dollar niedriger ausfallen. Die US-Handelsbeauftragte hält die negativen Auswirkungen dagegen für weniger drastisch, da Qualcomm zusammen mit den Netzbetreibern und Handyherstellern bereits an technischen Alternativen arbeite.

Doch US-Netzbetreiber und Handyhersteller fürchten das Verbot und suchen nach unterschiedlichen Auswegen. Inwieweit T-Mobile in den USA von dem Importverbot betroffen sein wird, war aufgrund der Zeitverschiebung kurzfristig nicht zu klären. Die US-Tochter der Telekom investiert gerade massiv in den Ausbau des 3G-Netzes und hatte dafür im September 2006 für 4,2 Milliarden US-Dollar ein großes Frequenzpaket ersteigert. Sprint Nextel hat nach eigenen Angaben eine technische Lösung mit Qualcomm gefunden und wird weiter Handys einführen.

Ein anderer großer US-Carrier, Verizon, hat in einem ungewöhnlichen Schritt ein direktes Lizenzabkommen mit Broadcom über bis zu 200 Millionen US-Dollar geschlossen. Der schriftlichen Stellungnahme der US-Handelsbeauftragten ist zu entnehmen, dass diesem Beispiel inzwischen ein weiterer Carrier gefolgt ist. Die Beteiligten wollten gegenüber dem Wall Street Journal dazu nichts weiter sagen, unter Berufung auf Branchenkreise hält die Zeitung aber AT&T für den fraglichen Anbieter.

Die Handyhersteller stellen sich ihrerseits auf die Rechtslage ein. Analysten schätzen den Effekt auf asiatische Hersteller als weniger dramatisch, da sich die Branche bereits auf die neuen Bedingungen eingestellt habe. LG erwartet keine großen Auswirkungen, weil neue Handys bereits mit neuen Chipsätzen geliefert werden, die die fraglichen Patente nicht mehr verletzen. LG hat im vergangenen Jahr 24 Millionen Handys in den USA verkauft. Auch Samsung, der drittgrößte Handyhersteller der Welt, setzt auf neue, konfliktfreie Chips. (vbr)