US-Patentreform: "Warmer Regen für Diebe" oder überfällige Korrektur?
Verbände aus der Computer- und Finanzindustrie haben die Verabschiedung des Patent Reform Act of 2007 im US-Repräsentantenhaus begrüßt, während Vertreter von Pharmakonzernen und des Mittelstands skeptisch bleiben.
Die Verabschiedung des umstrittenen Gesetzesentwurfs zur Novelle des US-Patentwesens im US-Repräsentantenhaus ist auf geteilte Meinungen gestoßen. Verbände aus der Computer- und Finanzindustrie haben die Passage des vor der Sommerpause noch blockierten Patent Reform Act of 2007 lautstark begrüßt. Vertreter von Pharmakonzernen und des Mittelstands sowie unabhängige Erfinder bleiben dagegen skeptisch. Die Reform sei "überfällig", meint etwa die Coalition for Patent Fairness, der Firmen wie Apple, Cisco Systems, Microsoft, RIM und SAP sowie Branchenvertretungen wie die Business Software Alliance (BSA) angehören. Es handle sich um den "ersten Schritt" nach 50 Jahren, um "Innovationen zurück auf amerikanischen Boden zu bringen". Die Coalition for 21st Century Patent Reform hält mit der Macht von Konzernen wie 3M, Johnson & Johnson und Procter & Gamble entgegen, dass der Entwurf "Patentverletzer bevorzuge" und somit zum Diebstahl gewerblicher Schutzrechte einlade.
Die US-Abgeordneten segneten am Freitag mit 220 zu 175 Stimmen den interfraktionellen Gesetzesentwurf mit einer Handvoll Änderungen aus dem Rechtsausschuss ab. Die Initiative soll die Patentregeln der USA teilweise mit denen der Rest der Welt in Einklang bringen, eine Qualitätsoffensive bei gewerblichen Schutzrechten unterstützen und eine neue, engere Basis für gerichtliche Auseinandersetzungen rund um Patentverletzungen legen. Schon im Abgeordnetenhaus sorgte der Vorstoß aber teilweise für Erregung. "Das ist eine Horror-Story für amerikanische Erfinder und ein warmer Regen für Diebe", wetterte der kalifornische Republikaner Dana Rohrabacher bei der dreistündigen Debatte. Konform mit ihm ging die Demokratin Marcy Kaptur aus Ohio, der zufolge die Maßnahme es einfacher machen würde, "US-Erfindungen zu stehlen".
Die Republikanerführer John Boehner und Roy Blunt zeigten sich ebenfalls skeptisch: "Unser Patentsystem muss zwar reformiert werden", waren sie sich einig. "Aber wir sind sehr besorgt, dass das Gesetz in seiner jetzigen Form Gewinner und Verlierer zwischen Wirtschaftszweigen und unterschiedlichen Geschäftsmodellen in einer Weise herausgreift, wie es bisher weder in der Theorie noch der Praxis des Patentrechts der Fall war." Sie spielen damit unter anderem auf die Entwicklung an, dass Pharmakonzerne ihre teuren Produktionsprozesse für ein neues Medikament meist nur mit einem Patent absichern, während Computerfirmen ein Programm mit zahlreichen gewerblichen Schutzrechten zukleistern. Daraus leiten sich sehr unterschiedliche Wertigkeiten der einzelnen Schutzrechte ab, die von dem Gesetzesentwurf laut Kritikern nicht bedacht werden.
Die hauptsächlichen Unterstützer der Initiative, der Demokrat Howard Berman und sein republikanischer Kollege Lamar Smith, verteidigten ihre Vorlage gegen Kritik. Rückendeckung erhielten sie unter anderem aus dem Finanzsektor, weil der Entwurf keine Patente mehr auf "Steuerstrategien" zulassen und somit den gewerblichen Rechtsschutz für Geschäftsmethoden materiell etwas einschränken will. 60 solcher Ansprüche auf Steuersparmodelle und vergleichbare Lösungen soll das US-Patentamt bereits vergeben haben, 99 sollen dort noch anhängig sein. Die Mittelstandsvereinigung Innovation Alliance will derweil weiter Sturm laufen gegen das Vorhaben, da ihr zufolge 40 Prozent der US-Patente von kleinen und mittleren Unternehmen gehalten würden und diese mit dem Entwurf benachteiligt würden. Die Lobbygruppe hofft nun darauf, dass der US-Senat noch umfassende Änderungen an dem Papier vornimmt.
Zu den umstrittensten Klauseln des Gesetzes gehört die geplante Umstellung auf das weltweit praktizierte "First-to-File"-Prinzip. Für die Erteilung eines befristeten staatlichen Monopols ist demnach der Zeitpunkt entscheidend, zu dem ein Antrag beim Patentamt eingeht. Bisher ist in den USA generell noch der Moment der Erfindung Ausschlag gebend. Gemäß eines von den Abgeordneten angenommenen Zusatzes sollen – nicht zuletzt aufgrund von Bedenken des Weißen Hauses gegen diese Änderung – nun die langfristigen Auswirkungen dieses Wandels beobachtet werden. Der Rechtsprofessor Harold Wegner geht aber sowieso davon aus, dass der aktuelle Umstellungsplan gemäß dem Entwurf auf den "First-to-File"-Ansatz mit internationalen Grundlagen zum gewerblichen Rechtsschutz wie dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) nicht in Einklang zu bringen wäre. Stein des Anstoßes ist eine einjährige Übergangfrist zum Systemwechsel in dem Reformvorhaben.
Nicht weniger umkämpft ist der Vorschlag, dass Richter Schadensersatz nur mehr auf der Basis des "spezifischen Beitrags" eines Patents zum Stand der Technik beziehungsweise zu bereits erfolgten industriellen Entwicklungen und dokumentierten gewerblichen Erfindungen ("Prior Art") festsetzen dürfen. Diese Regelung soll nicht greifen, wenn ein Anspruchinhaber und Kläger zeigen kann, dass der spezifische Beitrag die Hauptbasis für die Marktnachfrage eines Produkts oder Verfahrens ist, das in seine Schutzrechte eingreift. Ferner müssen Patentinhaber laut dem Entwurf einem Gericht unter anderem einen "klaren und überzeugenden Nachweis" erbringen, dass ihre Erfindungen absichtlich kopiert worden sind, wenn sie einen dreifachen Schadensersatz geltend machen wollen. Weiter sollen nur noch einige wenige Spezialgerichte für Patentverletzungsfälle zuständig sein.
Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):
(Stefan Krempl) / (jk)