US Space Command: "Wir haben unsere Satelliten falsch gebaut"​

Militärtransporte per Rakete statt Flugzeug, neue Satellitendesigns: Das US-Militär plant radikale Änderungen und sucht kommerzielle Partner über SpaceX hinaus.

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Künstlerische Darstellung zweier GSSAP-Satelliten des US-Militärs in ihrer Umlaufbahn um die Erde.

Künstlerische Darstellung zweier GSSAP-Satelliten des US-Militärs in der Umlaufbahn.

(Bild: US Space Operations Command)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

"Die Art, wie wir im Weltraum seit Beginn des Raumfahrtzeitalters gearbeitet haben, ist falsch", sagt Lieutenant General John Shaw, der zweithöchste Offizier des US Space Command. "Wir bringen eine Plattform in eine Erdumlaufbahn, und lassen sie in der Regel genau in der Umlaufbahn", sagte er vergangene Woche bei einem öffentlichen Auftritt. Diese auf die Kontrolle bestimmte Positionen in geostationären oder sonnensychronen Umlaufbahnen fokussierte Herangehensweise sei für Militärs nicht mehr zeitgemäß.

Solche "stationären" Satelliten, deren Position über Jahre kaum verändert werden, müssten durch dynamische Elemente ergänzt werden, die wahrscheinlich den größten Teil ihrer Lebensdauer mit Manövrieren verbringen. Mit den derzeitigen Satelliten, die auf bestimmte Lebensdauern ausgelegt sind und beschränkte Treibstoffvorräte haben, sei das nicht machbar.

Shaws Forderung Nummer 1 sind Satelliten mit nachfüllbaren Treibstofftanks: "Falls ich meine GSSAP-Satelliten einmal im Monat betanken könnte, würden wir sie völlig anders betreiben". GSSAP steht für Geosynchronous Space Situational Awareness Program. Die Streitkräfte der USA betreiben (so wie China und die Russische Föderation auch) Satelliten, die nicht die Erde beobachten, sondern die anderen Satelliten, die in geostationären Umlaufbahnen unterwegs sind. Beobachtet werden sowohl eigene als auch fremde Erdtrabanten, um Auffälligkeiten schnell entdecken zu können.

Der Soldat verglich seine Erdtrabanten mit einem Wohnmobil mit verschweißtem Tank, das eine Familie acht Jahre lang nutzen wollte. Diese Gestaltung würde die ausgewählten Reiseziele stark einschränken, aber auch die konkrete Nutzung. Niemand würde forsch aufs Gaspedal des Wohnmobils steigen, sondern nur behutsam beschleunigen. "So verwenden wir heute unsere Satelliten". Die NASA möchte 2025 versuchen, einen nicht dafür entwickelten Satelliten im Orbit aufzutanken. Diese Mission heißt OSAM-1 (On-orbit Servicing, Assembly, and Manufacturing).

Der bisherige Betriebsweise der Überwachungssatelliten weise außerdem Parallelen zu Luftaufklärung mittels Zeppelin auf, erläuterte Shaw: Das sei machbar, aber mit den langsamen Luftschiffen könne man niemanden überraschen; zudem sei man sehr von den Umweltbedingungen abhängig. "Ich will keine Zeppeline mehr", unterstrich der General. Die "Dynamisierung" der US-Satelliten werde die größte Reform sicherheitspolitischer Richtlinien der nächsten vier bis fünf Jahre.

Eine Alternative zum Auftanken von Satelliten im Orbit sei, günstigere Satelliten und Raketenstarts kommerzieller Anbieter zu nutzen, sodass das Militär laufend Gerätenachschub ins All bringen könne. Dann sei auch die Resilienz der einzelnen Satelliten nicht mehr so wichtig, könnten sie doch einerseits Angriffen ausweichen, andererseits rasch ersetzt werden, "wie ein neues Wohnmobil nach jeder Reise."

Die Nutzung des Erdorbits für militärische Zwecke sei inzwischen Alltag, schilderte Shaw. Russlands Angriffskrieg in der Ukraine sei der bisher größte Navigationskrieg – beide Seiten würden fortlaufend versuchen, die Satellitennavigation des Gegners zu stören. Dabei würden auch die USA viel lernen. Bald würden sogar viele mobile Teile des US-Heeres und der Kriegsmarine in der Lage sein, fremde Satelliten zu stören.

Besonders eng sei die Zusammenarbeit zwischen dem Space Command und Streitkräften für den Cyberkrieg. "Space und Cyber sind beste Freunde. Alles, wofür sich die IT-Kollegen sich interessieren, interessiert auch uns", bestätigte der Vizechef des US Space Command; das gelte sowohl für Angriff als auch Verteidigung.

Das öffentliche Gespräch auf Einladung des Mitchell Institute for Aerospace Studies ist ein Signal an kommerzielle Raumfahrtanbieter, entsprechende Systeme flott zur Marktreife zu bringen. Eine Aufforderung für Vorschläge (RFI) ist bereits publiziert, schon 2026 sollen Anbieter fortgesetzte Satellitenmanöver demonstrieren. Zwei Jahre danach, 2028, wollen die US-Streitkräfte solche Systeme einsetzen können. Doch schon heute gäbe es eine Symbiose zwischen dem US-Kriegsministerium und kommerziellen Raumfahrtanbietern, betonte Shaw, speziell bei Erdaufnahmen aus dem All.

Shaws Auftritt ist keineswegs das erste Signal für ein Umdenken bei der Nutzung von Satelliten und Raketen durch US-Militärs. Bereits Anfang des Jahres hat der Offizier die beschränkten Manövriermöglichkeiten seiner Satelliten öffentlich als Einschränkung bezeichnet. Im Februar richtete das US Space Command eine "Space Mobility"-Konferenz für Vertreter der Rüstungsindustrie aus. Dort unterstrich auch Major General Stephen Purdy von der US Space Force die Nachteile der "stationären" Satelliten, die mangels Treibstoff nur sehr beschränkt Manöver ausführen könnten. Purdy ist inzwischen in eine hohe Position im US-Verteidigungsministerium befördert worden, was Shaw sicherlich Rückenwind für eine Reform der Militärdoktrin hin zu flexibler einsetzbaren Satelliten verleiht.

Bei der Konferenz im Februar ging es neben Satelliten auch um Raketen, und zwar für Transportzwecke – nicht nur ins All, sondern auch von der Erde über das All zurück zur Erde. Die Hoffnung: Militärischer Nachschub würde eines Tages mit Raketen nicht nur schneller, sondern auch billiger, als mit Frachtflugzeugen.

Die US-Luftwaffe erforscht und entwickelt unter dem Namen Rocket Cargo Vanguard entsprechende Konzepte. Das US Transportation Command hat Verträge mit Blue Origin, Rocket Lab und SpaceX geschlossen. Diese Projekte sollen klären, ob und wie Raketen dieser Firmen für militärische Boden-Boden-Transporte eingesetzt werden können.

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(ds)