US Supreme Court: Texas’ Gesetz gegen Zensur ist Zensur

Texas will Sozialen Netzen verbieten, Postings zu löschen oder nicht zu belohnen. Auch Florida hat Verbote erlassen. Das oberste Gericht der USA ist sauer.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 11 Kommentare lesen
Klassizistisches Gebäude, davor Springbrunnen

Das Gebäude des US Supreme Court in Washington, DC

(Bild: Sunira Moses CC BY-SA 3.0)

Lesezeit: 9 Min.
Inhaltsverzeichnis

"Grundlegendes Missverstehen" des Rechts auf Freie Rede kreidet der US Supreme Court (SCOTUS) dem untergeordneten Bundesberufungsgericht für den fünften Gerichtsbezirk (Fifth Circuit) an. Denn dieses hat ein Online-Zensurgesetz des Staates Texas für zulässig erklärt, in deutlichem Widerspruch zu "Prinzipien und Judikatur" betreffend den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung, der die Freie Rede vor staatlichen Eingriffen schützt. Doch auch mit dem Bundesberufungsgericht für den elften Gerichtsbezirk, das ein Online-Zensurgesetz Floridas für unzulässig erklärt hat, ist der SCOTUS unzufrieden.

Denn beide Gerichte haben sich nicht ausreichend mit den Auswirkungen der angefochtenen Gesetze befasst. Das Höchstgericht schickt die Fälle zurück, mit ausführlichen Erklärungen der Rechtslage und Hinweisen auf die zu erhebenden Fakten. Bis auf Weiteres dürfen die angefochtenen Gesetze nicht angewandt werden.

Mit den 2022 verabschiedeten Gesetzen wollen Florida und Texas tief in die Entscheidungsfreiheit großer Online-Plattformen eingreifen, welche Inhalte sie hosten oder welche Inhalte sie finanziell belohnen. Das hätte weitreichende Auswirkungen auf das World Wide Web, über die Grenzen der beiden US-Staaten hinaus. Zudem sollen die Online-Plattformen jede einzelne Entscheidung individuell begründen müssen. Die Branchenverbände Netchoice und CCIA (Computer and Communications Industry Association) bekämpfen die Gesetze mit dem Argument, sie verletzten das Rechte auf Freie Rede. dieses umfasst auch das Recht, nicht dazu gezwungen zu werden, etwas zu sagen, das man nicht sagen möchte.

Allerdings bekämpfen die Kläger die Gesetze nicht anhand bestimmter Entscheidungen oder Strafen, sondern direkt, noch bevor sie auf konkrete Anwendungsfälle verweisen könnten. Das ist zulässig, aber schwieriger zu gewinnen. Denn die Kläger müssen dann zeigen, dass eine substanzielle Zahl der Anwendungen des Gesetzes verfassungswidrig ist, relativ zu klar zulässigen Anwendungen. "Dem hat in diesen Fällen bislang niemand viel Aufmerksamkeit geschenkt", ärgert sich das Höchstgericht.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Deswegen ist die Aktenlage zu dünn für Entscheidungen des Höchstgerichts. Selbst in einer Marathonsitzung zu den Zensur-Gesetzen im Februar konnte er die Lücke nicht schließen. Tatsächlich ist es in Normenkontrollverfahren nicht Aufgabe des SCOTUS, den Sachverhalt zu erheben. Dazu sind untergeordnete Gerichte berufen. Der Supreme Court entscheidet, wenn er möchte, auf Basis der dort festgestellten Fakten lediglich bestimmte Rechtsfragen.

Die beiden Gesetze sind recht unterschiedlich und sind jeweils eine Sammeltüte an Vorschriften. Floridas Gesetz (bekannt als SB 7072) reguliert alle in Florida verfügbaren "information services, systems, Internet search engines, or access software providers", die weltweit mehr als 100 Millionen US-Dollar jährlich umsetzen oder mindestens 100 Millionen monatliche Nutzer haben. Das betrifft also neben klassischen Sozialen Netze und Suchmaschinen auch Unternehmen wie Uber, Etsy und Amazon Web Services (AWS).

Ihnen wird untersagt, politische Amtsträger, politische Kandidaten sowie Medienunternehmen länger als 14 Tage auszuschließen, selbst wenn diese gegen Nutzungsbedingungen verstoßen haben. Das ist eine Reaktion der in Florida regierenden Republikaner auf den Ausschluss Donald Trumps durch Twitter, Spotify, Meta Platforms und andere Dienste nach Trumps Umsturzversuch Anfang 2021.