US-Vize-Kandidatin Harris: "Joe Biden wird Fracking nicht verbieten"

Über Umweltschutz und Marihuana haben die US-Vizepräsidentenkandidaten Kamala Harris und Michael Pence diskutiert. Randthema war der Handelskrieg mit China.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 40 Kommentare lesen
Kamala Harris und Mike Pence

Senatorin Kamala D. Harris, Vizepräsidentenkandidatin der Demokraten, und US-Vizepräsident Michael J. Pence, Kandidat der Republikaner

(Bild: C-SPAN/Screenshot)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

"Joe Biden wird Fracking nicht verbieten", sagte Kamala Harris, Bidens Vize-Kandidatin Mittwochabend in Utah, "Er war diesbezüglich sehr deutlich." Erstaunlich lange drehte sich die Debatte mit dem Republikanischen Amtsinhaber Michael Pence um das Thema. "Ich werde es wiederholen, und das amerikanische Volk weiß, dass Joe Biden Fracking nicht verbieten wird", beteuerte Harris sieben Minuten später erneut, "Das ist eine Tatsache. Das ist eine Tatsache."

So suchte sich die Senatorin gegen Pence' Vorwurf zu verteidigen, eine Biden-Regierung werde Fracking verbieten und den Green New Deal verfolgen. Harris war einst für ein Fracking-Verbot und für den Green New Deal eingetreten. Vergangene Woche, in der ersten Debatte zwischen Biden und Trump, die von ständigem Dazwischen-Gerede vor allem des Amtsinhabers gezeichnet war, hatte Biden ausdrücklich festgehalten, den Green New Deal nicht zu unterstützen.

Der Unterschied zu seinem eigenen Plan ist allerdings nicht groß, und sogar seine Kampagnenwebseite erklärt den Green New Deal zum "entscheidenden Rahmen". Ein aufgelegter Elfmeter für Pence: "Präsident Trump und ich glauben, dass wir eine sauberere Umwelt geschafft haben, genau weil wir eine starke, freie Marktwirtschaft haben", meinte der amtierende Vizepräsident, "Bemerkenswert ist, dass die USA mehr CO2 reduziert haben als jene Länder, die noch im Übereinkommen von Paris sind. Und wir haben es durch Innovation gemacht. Und wir haben es durch Erdgas und Fracking gemacht."

Tatsächlich zeigt die Energiestatistik, dass Fracking schon vor Corona den CO2-Ausstoß der USA fast auf das Niveau von 1990 gedrückt hat, obwohl das Land inzwischen etwa ein Drittel mehr Einwohner hat und die Wirtschaft mehr als dreieinhalb mal so groß geworden ist. Während Kohle 2019 in Deutschland mit fast 30 Prozent noch immer die wichtigste Stromquelle war, war Kohle in den USA bereits auf 23 Prozent gefallen. Erdgas hat ihr dort den Rang abgelaufen, weil es durch Fracking in großen Mengen günstig gewonnen wird.

Insofern hatte Pence Recht, als er die freie Marktwirtschaft als treibende Kraft bei der CO2-Reduktion ins Treffen führte. Abgesehen von Umweltproblemen, die mit Fracking verbunden sind: Es war keineswegs Ziel der Regierung Trump, über die Verbilligung von Erdgas durch Fracking die Kohleverstromung zu reduzieren. Der Republikaner wollte gerade der Kohle zu neuen Höhenflügen verhelfen. Dafür setzte seine Regierung Milliarden ein, lockerte zahlreiche Umweltvorschriften, und übte Druck auf große Abnehmer aus, damit sie ja Kohlestrom kaufen.

Genutzt hat es nichts; immer mehr Kohlekraftwerke und Kohlegruben machen dicht. Die freie Marktwirtschaft wendet sich dem Erdgas zu – zum Unbill von Umweltschützern, die lieber direkt zu erneuerbaren Energien wechseln würden. Diese wachsen zwar auch, aber nicht so schnell wie Erdgas.

Eine Biden-Regierung könnte Fracking über die Bande beenden: Bidens Umweltplan stellt strengere Grenzwerte für Methan-Emissionen bei der Erdgasförderung in Aussicht. Trump hat die Methangrenzwerte gerade erst aufheben lassen, um unter anderem den besonders methanträchtigen Kohleabbau zu fördern. Über strenge Grenzwerte könnte ein Präsident Biden sowohl Kohle als auch Fracking den Garaus machen, ohne ausdrücklich etwas zu verbieten.

Sehr wahrscheinlich ist das auf absehbare Zeit allerdings nicht. Ohne Erdgas und Kohle verlören die USA mehr als sechzig Prozent ihrer Stromquellen. Und gerade in Pennsylvanien, dem im Wahlkampf vielleicht am heftigsten umkämpften Bundesstaat, hängen zahlreiche Arbeitsplätze an Fracking. Also versucht Biden einen Balanceakt: Auf Bundesgrund möchte er Fracking verbieten, auf Privatgrund nicht. In Pennsylvanien wird auf Privatgrund gefrackt.

Nicht einmal ein Kohle-Ausstieg ist unter Biden garantiert: Er und Harris sprechen gerne von "Clean Energy". Das umfasst ausdrĂĽcklich Verbrennung mit anschlieĂźender Sequestrierung des CO2 im Boden. Wahlkampfspenden aus den Branchen Kohle, Gas und Ă–l lehnt Biden allerdings ab.

Pence warf Harris und Biden vor, eine "radikale Umweltagenda" zu verfolgen und diese wichtiger zu nehmen als die amerikanische Autobranche und deren Arbeitsplätze. Harris widersprach in der aus europäischer Sicht sonderlich anmutenden Auseinandersetzung: Biden sei 2009 der wahre Retter der US-Autobranche gewesen, während Pence damals gegen die Rettungsaktion gestimmt habe.

Die Moderatorin wollte von Pence wissen, ob er glaube, dass der Klimawandel Wirbelstürme und Waldbrände verschlimmert habe. Pence wich aus. Zuerst lobte er Trumps angebliche Anstrengungen für Umweltschutz, um dann kurz zu sagen: "Das Klima verändert sich. Die Frage ist, was ist die Ursache? (…) Es gibt nicht mehr Wirbelstürme als vor hundert Jahren."

Die Moderatorin hakte nach: Ob er den Klimawandel als existenzielle Frage sehe? Wieder wich Pence aus: "Das Klima ändert sich. Wir werden der Wissenschaft folgen", um dann mit Steuerthemen abzulenken und schließlich das Pariser Übereinkommen als Arbeitsplatzvernichter zu kritisieren. Auch bei der Frage nach einem Abtreibungsverbot wich Pence aus und sprach unvermutet über Osama bin Laden sowie den auf Trumps Befehl ermordeten iranischen Revolutionsgardisten Qasem Soleimani.

Ähnlich zum Thema China: Zunächst kam Pence auf nordamerikanische Freihandelsabkommen zu sprechen, bevor er China für das Coronavirus verantwortlich machte. Zum Handelskrieg sagte er kein Wort. Harris hingegen machte den ihrer Ansicht nach bereits verlorenen Handelskrieg mit China für den Verlust 300.000 amerikanischer Arbeitsplätze, den Tod von Amerikanern, sowie das gesunkene Ansehen der USA verantwortlich.

Ein Blick in Bidens Klimaplan zeigt, dass er die Auseinandersetzung mit China weiterführen und vielleicht noch intensivieren möchte. Im Unterschied zu Trump schützt Biden aber Umweltschutzargumente vor, um auf diesem Weg ebenfalls zu neuen Zöllen und geopolitischen Machtkämpfen mit China zu gelangen.

Im letzten Drittel gelang es Harris, viele Zuschauer zu überraschen: "Zum Thema Strafrechtsreform werden wir private Gefängnisse und Bargeld-Kautionen loswerden sowie Marihuana dekriminalisieren." Marihuana-bezogene Strafregistereinträge möchte sie löschen lassen. Auch wenn eine Dekriminalisierung keine Legalisierung ist, war diese Forderung in ihrer größten Debatte nicht erwartet worden.

Zwar hat Harris ab 2018 Gesetzesanträge für eine Dekriminalisierung der Droge unterstützt. Doch hatte sie sich in ihren acht Jahren als Staatsanwältin in San Francisco und ihren sechs Jahren als Justizministerin Kaliforniens einen Namen als Hardlinerin gemacht.

Offiziellen Angaben zufolge landeten während ihrer Zeit als Justizministerin mindestens 1974 Menschen wegen Marihuana-Vergehen in kalifornischen Gefängnissen. Ihr Vorstoß für eine Strafrechtsreform enthielt zudem Forderungen eines Verbots lebensgefährlicher Würgegriffe sowie einer nationalen Datenbank straffälliger Polizisten, damit diese nicht von Polizeibehörde zu Polizeibehörde tingeln können.

Doch auch hier holte Harris ihre Vergangenheit ein: "Als Sie Ihren Staatsanwaltsposten in San Francisco verließen, waren Afroamerikaner 19 mal häufiger wegen kleiner Drogenvergehen angeklagt worden als Weiße und Hispanoamerikaner", nutzte Pence die Gelegenheit, "Als Justizministerin Kaliforniens haben Sie die überproportionale Inhaftierung Schwarzer in Kalifornien verstärkt. Sie haben nichts getan für eine Strafrechtsreform in Kalifornien. Sie haben keinen Finger gerührt, um (auf Bundesebene) den ersten Schritt zu verabschieden."

Hier können Sie die Debatte nachsehen:

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmung wird hier ein externes YouTube-Video (Google Ireland Limited) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Google Ireland Limited) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

(ds)