Kartellrecht: Gegen diese Vorwürfe muss sich Google jetzt verteidigen

Behindert Google den Wettbewerb um Werbung auf Suchmaschinen? 10 Wochen verhandeln die US-Regierung und US-Staaten gegen Google vor Gericht.

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Die Eingabemaske der Google-Suchmaschine

(Bild: Google/Daniel AJ Sokolov)

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Lesezeit: 10 Min.
Inhaltsverzeichnis

Google soll seine Marktmacht zugunsten seines Suchmaschinen-Geschäfts missbraucht haben. Diesen Vorwurf haben sowohl das US-Justizministerium als auch praktisch alle US-Staaten 2020 erhoben. Google stellt sein Suchmaschinen-Monopol nicht in Abrede, wohl aber die Vorwürfe unrechtmäßiger Behinderung des Wettbewerbs. Nach jahrelangen Einsichtnahmen in Dokumente und diversen Gerichtsanträgen erreicht das Verfahren jetzt den Saal des Bundesbezirksgerichts im US-Hauptstadtbezirk District of Columbia. Schnell wird auch das nicht über die Bühne gehen.

Vorgesehen sind zehn Wochen Verhandlung. Zur Eröffnung am Dienstag musste der bei Google beschäftigte Wirtschaftswissenschaftler und als Zeuge geladene Hal Varian Rede und Antwort stehen. Die Vertreter des US-Justizministeriums konfrontierte ihn mit diversen E-Mails und anderen Dokumenten aus Googles Archiven, die zeigen sollen, wie wichtig es für Google war, auf der Startseite von Browsern voreingestellt zu sein, und dass Varian schon vor vielen Jahren firmenintern vor kartellrechtlichen Schwierigkeiten und dem Gebrauch bestimmter Ausdrücke gewarnt hat.

Im Vorfeld des Verfahrens hat das Justizministerium Google vorgeworfen, interne Mitteilungen und damit Beweise gelöscht zu haben. Am Mittwoch muss Varian wiederkommen. Geschworene gibt es in dem Verfahren keine, womit es dem Richter überlassen ist, auch zu entscheiden, welche Partei welche Fakten überzeugend darlegen konnte. Sein Urteil könnte erst im neuen Jahr fallen.

Ursprünglich gab es zwei Klagen vor dem selben US-Bundesbezirksgericht: Eine von der US-Regierung und elf US-Staaten (USA et al v Google et al, Az. 1:20-cv-03010) und eine von praktisch allen anderen US-Staaten und einigen US-Territorien (Colorado et al v Google et al, Az. 1:20-cv-03715). Der einzige US-Staat, der sich an keiner der Vorbringen beteiligt, ist Alabama.

Die Vorwürfe sind ähnlich, aber nur zum Teil deckungsgleich. Dass Google über 90 Prozent Marktanteil bei generellen Suchmaschinen hat, ist weder umstritten noch verpönt. Die Frage ist, wie sich der Datenkonzern dieses Monopol über viele Jahre erhalten hat – durch seine Leistungen im Wettbewerb oder durch illegale Maßnahmen zur Behinderung des Wettbewerbs? Wenig überraschend meint Google, seine Suchmaschine sei einfach so viel besser und deshalb im Werbemarkt enorm erfolgreich. Die Marktmacht sei schuld Microsofts, das zu wenig in dessen Suchmaschine Bing investiert habe, weshalb Bing im Wettbewerb um User und damit Reklamebudgets abgeschlagen sei.

Die Unterschiede zwischen den Klagen, soweit sie noch verhandelt werden, liegen insbesondere in den Marktabgrenzungen, also die Frage, welchen Wettbewerb Google genau behindert haben soll. Die von Colorado angeführte Klage bezieht sich auf den Markt für Werbung bei generellen Suchmaschinen, während sich die Bundesklage auf den Markt für Werbung bei Suchmaschinen überhaupt bezieht – also nicht nur bei generellen Suchmaschinen wie Google und Bing, sondern auch bei spezialisierten Suchmaschinen, wie sie große Webshops oder große Online-Reisebüros betreiben. Amazon.com setzt mit Werbung inzwischen mehr als zehn Milliarden US-Dollar im Quartal um.

Zusätzlich führen beide Klagen auch den Markt für textbasierte Werbung auf generellen Suchmaschinen an (also einen bestimmten Teil des Marktes für Werbung bei generellen Suchmaschinen), wie auch den Markt für generelle Suchmaschinen überhaupt (die Suchleistung an sich, nicht die dort feilgebotenen Reklameplätze). Das Bundesbezirksgericht in Washington, DC, hat die beiden Klagen zu einem Verfahren zusammengelegt, das jetzt als USA et al v Google et al firmiert (Az. 1:20-cv-03010).

Die ersten fünf Wochen sind die Bundeskläger am Zug, danach haben die Vertreter der Staatenklage drei Wochen die Bühne. Für den Schluss hat sich Google zwei Wochen gesichert, in denen es die Vorwürfe zu entkräften suchen wird.

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Die Kläger müssen zeigen, dass Googles Vorgehen dem Wettbewerb an sich und schließlich Verbrauchern geschadet hat. Maßnahmen zum Nachteil der Konkurrenten allein wären noch kein Rechtsverstoß. Gelingt das den Klägern vor Gericht, könnte Google immer noch argumentieren, dass seine eigentlich wettbewerbsfeindlichen Maßnahmen auch Wettbewerbs-förderlich und gerechtfertigt sind, etwa weil sie sein Angebot effizienter oder beliebter gemacht hätten. Umgekehrt können die Kläger versuchen, Googles Argumente zu unterminieren, oder vielleicht zeigen, dass der Schaden für Verbraucher den Vorteil der Wettbewerbs-förderlichen Elemente überwiegt.

Im Kern geht es um Maßnahmen, die Google gesetzt hat. Einerseits hat der Datenkonzern viele Milliarden Dollar dafür bezahlt, dass seine Suchmaschine in den populären Browsern Firefox (Mozilla) und Safari (Apple) voreingestellt ist. Parallel hat Google Mobilfunk-Netzbetreiber dafür bezahlt, dass Google auf den von ihnen in Verkehr gebrachten Endgeräten als Suchmaschine voreingestellt ist. Die Nutzer können das zwar jeweils ändern, tun das aber sehr selten.

Andererseits schränkt Google die Entscheidungsfreiheit der Hersteller von Android-Endgeräten wie Handys, Tablets, KFZ-Unterhaltungsgeräten und Smartwatches ein: Möchten sie auch nur eine Google-App installieren, müssen sie insgesamt mindestens elf Google-Apps installieren, darunter die Google-Such-App, den Google-Browser Chrome mit ebenfalls voreingestellter Suchmaschine und den App-Store Google Play. Außerdem muss eine Suchmaske für Googles Suchmaschine prominent auf dem Homescreen des Geräts platziert sein, sodass die Benutzer gleich diese Suchmaschine vor der Nase haben. Dafür bekommen die Hersteller kein Geld von Google.

Geld winkt ihnen durch einen zweiten Vertrag: Verpflichten sich Hersteller oder Netzbetreiber dazu, parallel keine Apps anderer Suchmaschinen zu installieren und auch nicht auf die Existenz anderer Suchmaschinen hinzuweisen, erhalten sie von Google eine Beteiligung am Werbeumsatz, der bei Suchanfragen auf dessen Suchmaschine anfällt. Diesen Deal können Hersteller aber nur abschließen, wenn sie auch die Bedingungen zur Installation der elf Google-Anwendungen akzeptieren.

Überdies geht es um Search Engine Marketing Software, die Google für die Buchung von Werbung auf verschiedenen Suchmaschinen bereitstellt. Dabei soll Google neue Features für die Reklamebuchung für Konkurrenzseiten später oder gar nicht umgesetzt haben.

Schon vor Beginn der Gerichtssaalphase mussten die Kläger einige Rückschläge hinnehmen: Die Kläger wollten zeigen, dass die verschiedenen Maßnahmen Googles zusammengenommen dem Wettbewerb schaden. Doch Google konnte das Gericht davon überzeugen, dass im Verfahren nur Aktionen Google berücksichtigt werden dürfen, die jeweils für sich allein schon so schwer wiegen, dass sie dem Wettbewerb schaden. Kleine Maßnahmen, die zwar in der Zusammenschau dem Wettbewerb schaden, aber nicht jeweils für sich allein, sind damit kein Argument für die Kläger mehr. Das leitet das Gericht aus dem berühmten Wettbewerbsprozess gegen Microsoft aus den Jahren 1998-2002 ab, bei dem Microsoft wegen des Aussperrens fremder Browser und fremder Mediaplayer aus dem Windows-Betriebssystem belangt wurde. Dieser Prozesse endete mit einem Vergleich, was auch jetzt bei Google nicht auszuschließen ist.

Ferner hat das Gericht bestimmte Vorwürfe, insbesondere der Klage der Bundesstaaten, abgewiesen. Ein Teil betraf die Behandlung sogenannter Specialized Vertical Providers durch Googles Suchmaschine; gemeint sind hier Unternehmen, die sich auf bestimmte Märkte konzentrieren, darunter große Onlineshops, Online-Reisebüros, Vermittler von Tischreservierungen und so weiter.

In bestimmten, besonders hervorgehobenen Teilen der Suchergebnisseite Googles dürfen diese Firmen nie aufscheinen, auch gegen Geld dürfen sie dort keine Platzierungen buchen. In anderen hervorgehobenen Teilen scheinen sie nur auf, wenn sie Google im Voraus Zugriff auf strukturierte interne Daten gewähren – und zusichern, Google nicht weniger Daten anzubieten, als sie Google-Konkurrenten geben. Dazu kreidete die Staatenklage Google an, diese hervorgehobenen Bereiche auf der Suchergebnisseite schrittweise so ausgedehnt zu haben, dass die eigentlichen Suchergebnisse so weit unten aufscheinen, dass sie nur nach Scrollen zu sehen sind. Weil viele User selten scrollen, zwinge das Unternehmen dazu, noch mehr Werbung von Google zu kaufen, um überhaupt von Kunden gefunden zu werden.

Allerdings haben die klagenden Staaten keine Beweise dazu vorgelegt, wie sich diese Einschränkungen auf den Wettbewerb auswirken. Daher hat das Gericht diesen Teil der Klage schon vor dem Gerichtssaalverfahren abgewiesen. Die Staaten hätten zeigen müssen, dass Googles Maßnahmen nicht bloß schlecht sind für die Präsenz betroffener Firmen auf Googles Suchergebnisseiten, sondern dass diese Maßnahmen dazu führen, dass auch andere Suchmaschinen weniger Interesse haben, mit diesen Firmen zusammenzuarbeiten. Alternativ hätten die Staaten zeigen können, dass die betroffenen Unternehmen darauf verzichtet haben, in den Ausbau ihrer eigenen strukturierten Daten zu investieren, weil Google sie dazu zwingt, diese offenzulegen und Google mindestens den gleichen Zugang zu strukturierten Daten zu geben wie anderen Suchmaschinenbetreibern. Das haben die Kläger aber nicht geschafft.

Ein weiterer abgewiesener Bereich betrifft Android-Endgeräte. Die Android-Verträge verlangen einerseits bestimmte Hard- und Software-Merkmale, die Hersteller einhalten müssen, um Android installieren zu dürfen. Das schränke die Innovation bei Geräten wie Mobiltelefonen, vernetzten Fernsehern, vernetzten Armbanduhren, und Einbauapparaten für Kfz ein. Parallel bürden die Android-Verträge für vernetzte IoT-Geräte (Internet of Things) auf, den Sprachassistenten Google Assistant zu unterstützen und prominent zu platzieren.

Schließlich kreideten die Staaten Google an, immer mehr Leistungsmerkmale nicht länger im Open-Source-Code Androids, sondern im proprietären Code seiner Apps umzusetzen. Das mache andere Programmierer immer abhängiger von Googles App-Store Google Play. Jedoch konnten die Kläger nicht argumentieren, wie diese Vorgänge rund um Android den Wettbewerb bei Suchmaschinenwerbung schädigen. Daher hat das Gericht diese Teile der Klage wegen Themenverfehlung abgewiesen.

Der Prozess ist nicht zu verwechseln mit anderen großen wettbewerbsrechtlichen US-Klagen gegen Google. Ende 2020 haben vor dem US-Bundesbezirksgericht für das östliche Texas zehn US-Staaten in einer Kartellklage in Texas Google zahlloser vorsätzlicher Verstöße gegen Wettbewerbs- und Verbrauchschutzrecht geziehen. Dabei geht es unter anderem um Missbrauch des Werbemonopols samt Insider Trading mit Werbeflächen sowie Bildung einer Art Kartell mit Facebook.

Anfang 2023 haben das US-Justizministerium und acht weitere US-Staaten Google ebenfalls wegen Behinderung des Wettbewerbs bei Online-Werbung verklagt, und zwar vor dem US-Bundesbezirksgericht für das östliche Virginia. Erklärtes Ziel ist, Google zum Verkauf großer Teile seiner Reklamevermittlungsdienste und zur Unterlassung bestimmter Geschäftspraktiken zu zwingen, um die Marktmacht des Datenkonzerns zu reduzieren.

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(ds)