Trotz gegenteiliger Behauptung hat Acer weiter Hardware nach Russland geliefert

Der taiwanische Hersteller Acer hat nach der Ukraine-Invasion 2022 noch Hardware nach Russland geliefert – obwohl die Geschäfte offiziell ausgesetzt waren.

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Monitore und Windows-PCs in Schulungsraum

(Bild: Thannaree Deepul/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Frank Schräer

Acer hat auch nach der Invasion der Ukraine und den Sanktionen vieler Länder noch Computer-Hardware nach Russland verkauft. Dabei soll es sich um Komponenten im Wert von 70,4 Millionen US-Dollar gehandelt haben, die zwischen Anfang April 2022 und Ende März 2023 geliefert wurden. Das berichtet Reuters unter Bezugnahme auf entsprechende Zollunterlagen. Der taiwanische Computer-Hersteller hatte nach Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 noch erklärt, die russischen Geschäfte auszusetzen.

Die Lieferungen nach Russland wurden laut Reuters durchgeführt von einem Schweizer Tochterunternehmen Acers sowie beauftragten Frachtfirmen. Die Schweiz hat noch bis Mitte Dezember 2022 erlaubt, Laptops und Computer-Komponenten nach Russland zu liefern. Das entspricht den Exportbeschränkungen der Europäischen Union. Danach hat auch Acer keine betroffene Hardware mehr nach Russland gebracht.

Da die Lieferungen der Schweizer Niederlassung zugeschrieben werden, verstoßen sie nicht gegen die Sanktionen Taiwans gegen Russland nach der Invasion der Ukraine. Seit Ende Februar 2022 benötigen Taiwans Firmen für den Export von Elektronik nach Russland spezielle Genehmigungen, aber Acer hat laut Taiwans Wirtschaftsministerium keine entsprechenden Anträge gestellt. Trotzdem widerspricht diese Praxis der eigenen, öffentlich geäußerten Haltung, denn Acer hatte im April 2022 erklärt: "Aufgrund der jüngsten Entwicklungen hat Acer beschlossen, sein Geschäft in Russland einzustellen."

Auf Nachfrage bei Acer zu diesem Widerspruch erklärte das Unternehmen, sich "bei Exporten nach Russland strikt an die geltenden internationalen Vorschriften und Handelsgesetze" zu halten. Acer fügte hinzu, dass die Schweizer Filiale seit April 2022 keine Laptops oder Desktop-PCs mehr nach Russland geliefert hat. Bei den exportierten Produkten handelte es sich um eine "begrenzte Zahl von Monitoren und Zubehör für den Zivilgebrauch im russischen Markt".

Der Umfang der von Acer seit April 2022 gelieferten Hardware ist deutlich kleiner als zuvor. Nach russischen Zollunterlagen waren es 744 Lieferungen mit einem Gesamtwert von 70,4 Millionen Dollar. Im selben Zeitraum des Vorjahres waren es noch 3735 Lieferungen mit einem Gesamtwert von 244,3 Millionen Dollar. Das entspricht einem Rückgang von 80 beziehungsweise 71,1 Prozent.

Laut einer anonymen Quelle, die mit diesen Exporten vertraut sei, würden Acers Produkte einschließlich PC-Monitore und Notebooks auch nach April 2022 noch nach Russland geliefert. Aktuell werden Computer von Acer immer noch verkauft in Russland, aber es ist unklar, woher diese kommen und wann diese dort eingetroffen sind. Die Firma erklärt dazu, dass diese Importe möglicherweise aus Drittländern stammen könnten.

In der Vergangenheit gehörte Acer zu den größten Computer-Lieferanten Russlands. Die Marktforscher von IDC schreiben Acer in dem Land einen Marktanteil von 18,5 Prozent aller im vierten Quartal 2021 verkauften PCs zu. HP und Dell erreichten im selben Zeitraum zusammen 20,8 Prozent. Die beiden Konkurrenten haben ihre Lieferungen nach Russland im Februar respektive April 2022 eingestellt. Dell hat zudem im August 2022 sämtliche Büros geschlossen und sich vollständig aus Russland zurückgezogen.

(fds)