Broadcom lenkt ein: VMware vSphere Enterprise Plus und Standard kehren zurĂĽck
Auf der VMware Explore EU hat Broadcom seine Strategie rund um on Premises und KI weiter präzisiert. Ein paar Zugeständnisse an die Kritiker gab es dennoch.
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(Bild: Broadcom)
- Jens Söldner
Im Unterschied zur US-amerikanischen Hausmesse VMware Explore US, die Broadcom nach der Übernahme Ende August in Las Vegas veranstaltete, hatte sich die Stimmungslage bei den dort anwesenden Teilnehmern auf der europäischen Variante zumindest gefühlt etwas stabilisiert. Die knapp 5000 Teilnehmer repräsentieren den harten Kern der VMware-Anwender der Region Europa und Mittlerer Osten. Doch zur Wahrheit gehört auch: Viele Unternehmen sind nicht mehr gekommen oder haben deutlich weniger Teilnehmer zur Messe entsandt.
Wie schon in Las Vegas trat Broadcoms CEO Hock Tan auf die Bühne und wiederholte seine Philosophie: Ärmel hochkrempeln, gute Produkte machen, statt jedes Jahr dem nächsten Trend hinterherzujagen. Denn das war in der Vergangenheit für VMware nicht immer erfolgreich, schließlich konnte der Hersteller nicht wie gewünscht seine Technologie- und Marktführerschaft vom VM-Bereich nicht auf den Cloud- und Containerbereich ausweiten. Ein Rückzug ins Private soll es richten: "The Future of the Enterprise is Private", verkündete der CEO – und betonte, für Unternehmen sei es wichtig, die volle Kontrolle über Daten, KI und Cloud zu haben. Und das sei nur mit einer On-Premises-Umgebung möglich. Wo es nötig sei, könne natürlich auf die Public-Cloud-Dienste zugegriffen werden, um Lastspitzen und Elastizität bei den Ressourcen bei Bedarf zu realisieren.
VeloCloud kehrt zurĂĽck
Über die bereits in Las Vegas getätigten Ankündigungen hinaus stellte VMware nun in Barcelona mehrere KI-getriebene Dienste neu vor: VeloRAIN, vDefend mit Intelligent Assist und konkretisierte seine Private-AI-Strategie auf Basis der VMware Cloud Foundation (VCF).
VMware hatte den auf SD-WAN spezialisierten Hersteller VeloCloud bereits im Jahr 2017 übernommen, dann den Herstellernamen aus den Produkten gestrichen und Anfang 2024 die Produkte wieder zurück umbenannt – häufige Namens- und Markenwechsel sind eher die Regel als die Ausnahme bei VMware. In dem Markt für SD-WAN-Technik spielt VMware mit seinen Produkten in der Leader-Kategorie laut Gartner mit – zusammen mit Cisco auf dem zweiten Platz hinter Platzhirsch Fortinet. Frisch auf der Explore hatte Sanjay Uppal, Vice President und General Manager der VeloCloud-Abteilung von Broadcom, nun VeloRAIN vorgestellt, mit der Broadcom branchenweit erstmalig eine Architektur für die sichere und robuste Kommunikation von KI-Diensten und -Anwendungen über Rechenzentrumsgrenzen hinaus vorgestellt haben will. Unter Nutzung von KI und ML-Diensten soll VeloRAIN (Robust AI Networking) die Sicherheit und Performanz von KI-Datenverkehr verbessern. Das will der Hersteller erreichen, indem bislang für Netzwerkoptimierungssoftware nicht identifizierbarer und beschleunigbarer verschlüsselter Datenverkehr identifiziert und passenden QoS-Kategorien zugewiesen werden soll. Zusätzlich sollen drahtlose Netzwerkverbindungen dank KI-Hilfe von einer glasfaserkabelähnlichen Dienstgüte (QoS) profitieren können. Über DABS (Dynamic Application-Based Slicing) soll die VeloRAIN-Architektur neue Applikationen der richtigen QoS-Kategorie über unterschiedliche Netzwerke hinweg zuordnen können.
Neben der VeloRAIN Architektur stellte Broadcom neue VeloCloud-Geräte und ein Partnerprogramm für Managed Services Provider in diesem Bereich vor. Die neuen Top-Modelle VeloCloud Edge 4100 und 5100 sollen bis zu 30 beziehungsweise 100 Gbps Durchsatz und bis zu 12.000 beziehungsweise 20.000 Tunnel unterstützen. VeloCloud-Kunden sollen dadurch von einer vereinfachten Architektur profitieren, da sie weniger Geräte für ihre Netzwerk- und Security-Dienste einsetzen müssen. Wenn Bandbreiten jenseits von 100 Gbps benötigt werden, lassen sich die Appliances auch clustern. Flankierend stellte der Hersteller ein neues Partnerprogramm namens Titan vor, das das bisherige Partnerprogramm für VeloCloud-Dienstleister ablöst. Darüber will der Hersteller eine Lizenzportabilität bieten und auch für Preisstabilität sorgen – ein interessanter Aspekt, macht die veränderte Preisgestaltung ja den Kernpunkt der Kritik an der Übernahme von VMware durch Broadcom aus.
Ebenfalls mit KI-Funktionen erweitert wird die VMware vDefend Distributed Firewall, vor der Umbenennung als NSX Distributed Firewall bezeichnet. Neu ist das GenAI-Feature Intelligence Assist, das Security-Administratoren mit einem Natural Language Interface bei der Pflege der Firewallregeln und bei der Interpretation von Alarmen und mit automatischen Reaktionen auf solche zur Seite springen soll.
Bessere Weiterentwicklung von VCF
Innerhalb seines Kernprodukts VMware Cloud Foundation hat Broadcom die in den USA vorgestellten Ankündigungen weiter konkretisiert. Die Arbeit an der kommenden Version VCF 9 hat Fahrt aufgenommen – iX sprach vor Ort mit Mitarbeitern großer deutscher Firmen- und Behördenkunden, die an dem zweitägigen Vorabprogramm für handverlesene CTAB-Kunden (Customer Technical Advisory Board) teilgenommen hatten und noch unter Verschluss gehaltene Features und Einblicke in die kommende Version vom Hersteller vorgestellt bekommen hatten. Abseits der Lizenz- und Preisthematik, die immer noch für Verärgerung sorgt, äußerten sich die Teilnehmer im Gespräch aber positiv über die Weiterentwicklung des Produkts und den verbesserten Fokus, den Broadcom in den vor der Übernahme wenig koordinierten Entwicklungsprozess bringe.
Die zur Hausmesse gehörende Ausstellung war erwartungsgemäß deutlich übersichtlicher besetzt als in den Vorjahren, von den großen Serverherstellern war so nur Lenovo mit einem eigenen Stand vertreten und konzentrierte sich auf die Integration von VCF und den Private-AI-Diensten auf den zusammen mit VMware entwickelten Servern, die branchenweit erstmalig auch den redundanten Betrieb von gleichzeitig zwei Nvidia-Bluefield-2-DPUs Hypervisor- und Netzwerkbeschleunigungskarten ermöglichen. Von Cisco, Dell und HPE war keine Spur auf der Messe zu finden – insbesondere bei Dell und HPE sind aktuell auch eigene Absetzbewegungen von VMware zu spüren. Und: HPE hatte zuletzt Morpheus Data übernommen, die Vorstellung eines eigenen KVM-Hypervisors auf Basis der Übernahme gilt als sehr wahrscheinlich.
Auf der Keynote-Bühne zeigte Chris Wolf, Global Head of AI and Advanced Services, VMware Cloud Foundation Division, Broadcom, die aktuellen Entwicklungen in dem als Zusatzdienst zu VCF buchbaren VMware Private AI Foundation with Nvidia. Im anschließenden Gespräch mit iX äußerte sich Björn Brundert, als Principal Technologist beim Hersteller, sehr positiv über die Entwicklungen im Markt. Bereits ab drei Servern mit VCF in der VI Workload Domain, kompatibler Nvidia-GPUs wie A100, L40S oder H100, können Kunden eine eigene On-Premises-KI-Umgebung aufbauen, um den Abfluss von Daten oder unautorisierten Trainings von Modellen zu verhindern. Gleichzeitig sorgen die Clustering-Features von VCF für eine optimale Auslastung der teuren GPU-Ressourcen bei gleichzeitig identischer oder höherer Performance als bei Bare-Metal-Nutzung, wie Chris Wolf in der Keynote zeigte. Die hervorragenden Performanceergebnisse seien durch die langjährige Erfahrung mit der Optimierung des Schedulers im VMware-Kernel möglich, so Wolf.
(Bild:Â Broadcom)
Weitere vSphere-Lizenzen
Völlig als Randnotiz untergegangen ist die kurz vor der Messe angekündigte Wiedereinführung der Lizenzen VMware vSphere Enterprise Plus und Standard im Subscription-Modell. Diese Editionen hatte Broadcom nach der Übernahme von VMware zunächst abgeschafft, um Kunden auf die größeren Private-Cloud-Lizenzen zu zwingen – und löste damit viel Verärgerung im deutschen und europäischen Markt aus. Viele Unternehmen, die eine reine Compute-Virtualisierung ohne große Beigaben benötigen, sind seitdem auf der Suche nach Alternativen zum VMware Stack – vielleicht möchte Broadcom diesen Absetzungstrend wieder einfangen, möglicherweise kommt das Einlenken für viele schon zu spät. Einen Vergleich der wiedereingeführten Produkteditionen stellt der Hersteller in einem aktualisierten Datenblatt bereit.
Aufzeichnungen der Keynote und ausgewählter Vorträge sind online abrufbar. Ob es auch in Zukunft eine weitere europäische Ausgabe der Hausmesse geben wird, wurde unter den anwesenden Teilnehmern intensiv diskutiert. Der Hersteller hat bislang nur den Termin für die nächste Veranstaltung in den USA bekannt gegeben – vom 25. bis 28. August 2025 soll die VMware Community in Las Vegas zusammenkommen.
(fo)