Vom "kühlen, belebenden Wind der Selbstverantwortung", oder: FoeBuD/Digitalcourage und die Verteidigung der Privatsphäre

Seite 2: Mailboxen und Netzwerke

Inhaltsverzeichnis

Neben dem bereits existierenden Veranstaltungsformat Public Domain übernahm der FoeBuD die Einrichtung und den Betrieb einer Mailbox namens Bionic, von der heute nur noch die Systemdaten existieren. In die einschlägigen Mailbox-Verzeichnisse schrieb man ausdrücklich, dass der Upload und Download von Software gar nicht gern gesehen ist: "Wir sehen uns als globalen Dorfbrunnen, als Treffpunkt im großen Netzwerk aller wissensdurstigen Menschen." Im Rahmen der damals üblichen Mailboxverbinungen war Bionic an das Z-Netz angeschlossen. Im Gegensatz zu anderen Netzen wie etwa dem Fidonet verstand sich das Z-Netz ausdrücklich als Zusammenschluss politisch interessierter Gruppen.

Dies hatte denn auch prompt Konsequenzen. Als der Jugoslawienkrieg ausbrach war das von Eric Bachmann aufgebaute Zamir Transnational Netzwerk_blank ein Versuch, die Kommunikation unter den Menschen im zerfallenden Jugoslawien mit Hilfe der Mailbox in Gang zu halten. Damals konnte man aus Serbien keine Gespräche mit Kroatien führen, ein Hack war gefragt. Ausgerechnet die kleine Bionic-Mailbox in Bielefeld machte es möglich, dass es eine Kommunikation zwischen Zagreb und Belgrad, Ljubljana und Tuzla oder Pristina und eben dem belagerten Sarajevo gab.

2012 kam der neue Name: Aus FoeBuD wurde Digitalcourage

(Bild: Detlef Borchers)

An diese heilende Kraft der Verständigungsversuche inmitten des vielfachen Völkermordes will der Starkoch Wam Kat auf dem anstehenden Chaos Communication Congress in Leipzig mit dem Vortrag "Zamir Transnational Network und das Zagreb Diary" erinnern, der aller Voraussicht nach gestreamed wird. Wam Kat war 1992 als Helfer nach Zagreb gereist, arbeitete dort als Sysop der lokalen Mailbox und schrieb für seine Kinder in den Niederlanden ein Tagebuch.

Bereits beim Bit-Napping hatte der FoeBuD Vorträge über Verschlüsselungssysteme gehalten. Auch im Z-Netz wurde dies propagiert. Doch ein echter Durchbruch begann im Jahre 1992, als der Verein sich entschloss, das erste deutschsprachige Handbuch zu PGP zu veröffentlichen, das später aktualisiert und erweitert wurde. Angesichts der aktuellen Kritteleien über PGP kann nicht genug betont werden, wie wichtig dieser Schritt war. Als Journalist konnte ich mitteilungsbedürftige Whistleblower ausbremsen, ein einigermaßen verständliches Buch empfehlen und auf die dann verschlüsselte Rückmeldung warten. Natürlich ist in dieser Bewertung die Hoffnung auf ein besseres System inbegriffen, das Digitalcourage heute mit pEp propagiert.

Im Laufe der Jahre wurde von FoeBuD die Veranstaltungsreihe "Public Domain" bewusst politischer aufgestellt. Als Beispiel dafür kann die Debatte um RFID-Chips genannt werden. Hier traten zunächst Techniker auf, die ausführlich über die Vor- und Nachteile von aktiven und passiven Transpondern referierten oder ein Blick in die Rüstungsgeschichte warfen, um die Herkunft der Technik zu beleuchten. Mit der hochschwangeren Katherine Albrecht änderte sich das, denn zusammen mit der US-Aktivistin wurde ein Geschäft der Metro-Kette besucht, das 2004 mit diesen Trackern experimentierte. Diese Aktion kam nicht von ungefähr, weil der FoeBuD ab dem Jahr 2000 die deutschen Big Brother Awards für Datenkraken verlieh und schon im allerersten Jahr die Payback-Karte auszeichnete, die heute in veränderter Version bei fast jedem Einkauf nervtötend abgefragt wird – und wenn's die nicht ist, lautet die fast schon vorwurfsvolle Frage nach irgendeinem der Konkurrenzsysteme wie der DeutschlandCard.