Rechenzentren im Energieeffizienzgesetz: Wärmewende braucht mehr als Planspiele

Die hessische Digitalministerin Sinemus brachte in Berlin Stakeholder des Gesetzesentwurfs zum Austausch zusammen. Wirtschaft kritisiert unerfüllbare Auflagen.

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(Bild: Miha Creative / Shutterstock.com)

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Von
  • Silke Hahn
Inhaltsverzeichnis

Mindestens 30 Prozent der Abwärme ab dem 1. Januar 2025 nachhaltiger Nutzung zuführen, ab 2027 dann 40 Prozent: Der durchgestochene Entwurf des von der Bundesregierung geplanten Energieeffizienzgesetzes konfrontiert die Betreiber von Rechenzentren mit großen Forderungen. Die Machbarkeit gilt als umstritten, und es besteht Diskussionsbedarf: Das geplante Gesetz wirft zum jetzigen Zeitpunkt viele Fragen auf. Hessens Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus lud daher Vertreterinnen und Vertreter der Rechenzentrumsbranche sowie unterschiedliche Verbände und Unternehmen für eine Paneldiskussion zum Austausch in die Hessische Landesvertretung in Berlin.

Mit dem Energieeffizienzgesetz will der Bund unter anderem erreichen, dass Rechenzentren ihren Energiebedarf ab 2025 zu hundert Prozent durch ungeförderten Strom aus erneuerbaren Energien decken müssen. Beim aktuellen Strommix in Deutschland scheint bereits dieses Ziel nicht erreichbar, da Solar- und Windstrom großen Schwankungen unterliegen und der Betrieb von Rechenzentren damit nicht rund um die Uhr zu gewährleisten sei. Wichtig dürften daher auch Fortschritte bei den Speichermedien sein, um "Dunkelflauten" ohne Ausfälle durchtauchen zu können.

Bei der Paneldiskussion am 11. November 2022 ging es um sachliche Aufklärung und Austausch von Stakeholdern und Sachverständigen unter dem Titel "Rechenzentren als Fundament für nachhaltige Digitalisierung – Ansätze, Rahmenbedingungen, Handlungsspielraum". Leitfrage der Diskussion war, welchen Beitrag die Rechenzentren und ihre Betreiber leisten können. Dabei ist der Ausgangspunkt, dass das auf Bundesebene geplante Energieeffizienzgesetz in seiner jetzigen Form erhebliche Auswirkungen auf die Branche und den Wirtschaftsstandort haben würde.

Parallel ist auf europäischer Ebene bereits seit Längerem eine entsprechende Gesetzgebung in Vorbereitung, die einen "deutschen Alleingang", der inhaltlich zu dem europäischen Rechtsrahmen konträr liefe, fragwürdig erscheinen lässt. Heise Developer war zu dem Panel eingeladen und hatte im Nachgang Gelegenheit, mit der Ministerin und einigen Rechenzentrumsbetreibern zu sprechen.

Technologie als Daseinsvorsorge: Gespräch mit Ministerin Sinemus
Hessens Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus in einer Presserunde in Berlin, Hessische Landesvertretung

(Bild: Silke Hahn)

Hessen verfügt über ein in der Staatskanzlei angesiedeltes Digitalressort, das als Bündelungsministerium im Querschnitt diskutiert und agiert. Gemeinsam mit Kollegen vom Spiegel und dpa nahm heise Developer an der Presserunde mit Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus und Dr. Béla Waldhauser teil. Sinemus legt Wert darauf, Wirtschaft und Wissenschaft mit an den Tisch zu holen und verfolgt einen Stakeholder-Ansatz, wie er aus der Wirtschaft bekannt ist. Hessen hat ein Rechenzentrumsbüro eingerichtet, dessen Leiterin Frau Koch Anliegen zum Thema bündelt und Rechenzentrumsbetreiber sowie potenzielle Gründer berät. Beratung, Unterstützung und Netzwerken sollen hier aus einer Hand geboten werden. Ansprechpartner werden vermittelt, was eine Vereinfachung bürokratischer Abläufe bringen soll.

Gegen Verkrustungen mit Dialog anzugehen, scheint typisch zu sein für Sinemus, die einen zupackenden Stil vermittelt und lange parteilos war. Da die Länder außer Hessen und Bayern keine Digitalministerien haben, hat Sinemus mit ihrer bayerischen Amtskollegin die D-16-Runde ins Leben gerufen, in der die jeweils Zuständigen aus unterschiedlichen Bereichen der Landespolitik seit 2019 regelmäßig zusammentreffen. Zurzeit hat Baden-Württemberg den Vorsitz, bei der nächsten Sitzung wird das Energieeffizienzgesetz auf der Tagesordnung stehen. Sinemus selbst hatte sich in Hessen sehr für das Einrichten eines Forschungszentrums für KI eingesetzt und hessian.ai gemeinsam mit dem Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium sowie Partnern an TUs und Universitäten aus der Taufe gehoben, die Kosten teile man sich zu dritt. An Beispielen wie diesem macht sie den Erfolg einer Bündelungsstelle fest: "Es muss kein eigenes Ministerium sein, sondern eine Stelle mit Überblick."

Ressortübergreifend denken und arbeiten

Was die laufende Gesetzgebung betrifft, wäre ihr Rat, erstmal die europäische Regelung abzuwarten und vor der Regulierung Erfahrungswerte zu sammeln, die Umsetzung zu erproben, auf Selbstverpflichtung zu setzen. Für die Energy Efficiency Directive (EED, Energieeffizienzrichtlinie) stehe die Europäische Kommission mit Verbänden und Fachleuten im Austausch. Falls in Deutschland härter reguliert werde als aus Brüssel, sei eine lähmende Klagewelle die Folge. Auf europäischer Ebene herrsche oft Ratlosigkeit, wenn eine Kommissarin beispielsweise für die KI-Regulierung auf Bundesebene einen Ansprechpartner für Themen wie Künstliche Intelligenz und Digitalisierung suche. Verantwortungen ressortübergreifend wahrzunehmen, sei vielversprechend. Man brauche nicht für alles eigene Verwaltungsstrukturen, sondern mehr projektplanerisches Steuern durch Bündelung und Koordination – mit Durchgriffsmöglichkeit auf der Bundesebene. Technologie und Digitalisierung begreift Sinemus als Daseinsvorsorge.

Dr. Ralph Hintemann, Senior Researcher am Borderstep Institute, präsentierte bei der Veranstaltung Ergebnisse einer Studie zu den Nachhaltigkeitspotenzialen durch die Digitalisierung. Hintemann ist Lehrbeauftragter an der Universität Oldenburg sowie an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, regelmäßig erstellt er unabhängige wissenschaftliche Studien. Er und sein Team stellten einen Boom beim Bau von Rechenzentren fest im Vergleich zu der Situation vor zehn Jahren. Dabei sticht das Rhein-Main-Gebiet insbesondere mit Frankfurt als "Hotspot" heraus. Es gebe unterschiedliche Typen von Rechenzentren – nicht nur die "großen grauen Betonklötze" mit mehreren Megawatt Leistungsaufnahme und Colocation für Hyperscaler. Edge-Computing sowie Kleinstrechenzentren seien im Kommen. Gerade auch mittelständische Unternehmen betreiben in Deutschland eigene Serverräume, die unter Umständen auch von der geplanten Regulierung durch das Energieeffizienzgesetz erfasst würden.

Wesentlich für die Nachhaltigkeit von Rechenzentren sind ihr Stromverbrauch, die Nutzung der Abwärme und das lokale Umfeld. Beim Impact durch Stromverbrauch gilt zu bedenken, dass der in Deutschland verfügbare Strommix nicht zu hundert Prozent nachhaltig ist, was es Rechenzentrumsbetreibern als Großabnehmern schwer mache, die Forderung nach "100 % Grünstrom" zu erfüllen – fast alle großen Rechenzentren haben bereits Ökostromverträge. In puncto Wärmewende könnten sie grundsätzlich Teile der Bevölkerung günstig mit Wärme versorgen, allerdings ist die Nutzung von Abwärme weiterhin mit hohen Hürden verbunden.

Modellprojekte sind unter anderem der Green IT Cube in Darmstadt, Hessens wassergekühltes Rechenzentrum im Eurotheum Frankfurt, dessen Abwärme zum Heizen des Gebäudes benutzt wird, und das Projekt Westville von Béla Waldhausers Telehouse Deutschland GmbH mit Nahwärme aus einem Rechenzentrum für ein angrenzendes Wohngebiet, das sich in der Bauphase befindet. Insgesamt rund 3000 Menschen sollen im Westville in ihren Wohnungen, drei Kitas, Läden, Nahversorgung und Gastronomie durch einen Mix aus Nah- und Fernwärme versorgt werden, erklärte Waldhauser. Als Initialzündung diente ein Wärmekataster, das für die Erschließung alternativer Wärmequellen in Deutschland von Nutzen sein könnte.

Am heutigen Campus von Telehouse im Westen des Frankfurter Gallusviertels befand sich zuvor die Firmenzentrale von T&N (später Telenorma und Bosch Telecom), dem ehemals zweitgrößten Telefonanlagenhersteller Deutschlands. Dort, wo jetzt das Wohngebiet entsteht, stand das Telenormawerk 2. Mit Rohren wird dort die Wärme auf die andere Straßenseite gebracht. Die Rohre waren schon vorhanden, was sich als großer Vorteil beim Planen und Bauen herausstellte. Gleich mehrere historisch gewachsene Faktoren begünstigten diesen Standort für ein solches Projekt. Dennoch nahm die Planung mit allen Projektbeteiligten rund zwei Jahre in Anspruch, solche Projekte lassen sich selbst bei optimalen Bedingungen nicht von heute auf morgen umsetzen. Im Sommer 2023 werden die ersten Blöcke bezugsfertig sein und die ersten Mieter einziehen.

Pläne, 3D-Grafik und Lage des Bauprojekts Westville auf dem ehemaligen T&N-Gelände in Frankfurt: Hier entstehen Wohnungen und Gewerberäumlichkeiten, die teilweise mit Abwärme aus dem angrenzenden Rechenzentrum der Telehouse GmbH versorgt werden.

Üblicherweise bringen die Kunden luftgekühlte Rechenzentren ein, erklärte Waldhauser. Die wenigsten Server seien heutzutage schon wassergekühlt. Dabei fallen maximal 35 Grad Abwärme an, was aber nicht ausreicht, um sie in Fernwärmenetze einzuspeisen. In Frankfurt und Berlin arbeiten die Fernwärmenetze der ersten und zweiten Generation zwischen 100 und 120 Grad. Auf diese Temperatur wäre für die Abwärme erst hochzuheizen – was laut dem Physiker weder ökonomisch noch ökologisch Sinn ergibt. Die Rechenzentrumsanbieter stellen ihre Abwärme den Abnehmern zudem kostenlos zur Verfügung.

Um eine Wärmewende zu ermöglichen, bräuchte es flächendeckende Infrastruktur für niedrigere Temperaturen, also eine neue Generation von Netzen. Nahwärmenetze sind ab 60 oder 70 Grad betreibbar (das ist auch aus hygienischen Gründen eine wichtige Grenze, um beispielsweise die Ausbreitung von Legionellen im Trinkwasser einzudämmen). Im Falle des Modellprojekts Westville steht der Frankfurter Energieversorger Mainova als Partner zur Seite, kümmert sich um die Verträge, und die direkte Nachbarschaft nimmt die Wärme ab. Mainova baut dort eine Heizzentrale mit zwei Großwärmepumpen. Erst die kurze Entfernung auf die andere Straßenseite macht die Abgabe der Abwärme hier technisch möglich.

Hessen: Bundesland mit der größten Rechenzentrumsdichte

In Hessen befinden sich rund ein Viertel aller deutscher Rechenzentrumskapazitäten und 40 Prozent der Großrechenzentren und Colocation-Rechenzentrum der Bundesrepublik. Mit dem DE-CIX in Frankfurt liegt auch der leistungsfähigste Internetknoten der Welt in der Region. Laut Ministerin Sinemus ist insbesondere ein Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft wichtig. So scheiterten bisher etliche Rechenzentrumsprojekte am Widerstand der Anwohner, die bei den hochgesteckten Abwärmezielen des Bundes aber als Abnehmer unabdingbar wären.

Neben Westville und dem Eurotheum-Hochhaus in Frankfurt gibt es in Hessen weitere Vorzeigeprojekte, beispielsweise den Darmstädter Green Cube am GSI oder ein Rechenzentrum in Limburg, das für ein angrenzendes Neubaugebiet die Fußbodenheizung mit Wärme beschickt. Hessen ist eins von nur zwei Bundesländern mit eigenem Digitalministerium (wobei in Bayern der Schwerpunkt auf Verwaltungsdigitalisierung liegt). Hessen hat ein eigenes Rechenzentrumsbüro zum Koordinieren der Anliegen von Betreibern eingerichtet.

Waldhausers Rechenzentrum gibt also demnächst Abwärme an 1330 Haushalte ab, im Vorfeld hatte er sich für 15 Jahre freiwillig zur kostenfreien Abgabe selbst verpflichtet. Nahwärmenetze und Rohre für den Transport sind in den wenigsten Fällen vorhanden. Bei dem Telehouse-Vorzeigeprojekt „Westville“ stammen nur maximal zehn Prozent der gelieferten Wärme aus Abwärme vom Rechenzentrum, wenngleich Telehouse gerne mehr der benötigten Energie zur Verfügung gestellt hätte. Dafür hätte der städtische Energieversorger Mainova jedoch weitere Wärmepumpen einplanen müssen, was in der Planungsphase aufgrund der damals noch niedrigen Strom- und Gaspreise offenbar unwirtschaftlich schien. 3000 Menschen sind Waldhauser zufolge auch "viel zu wenig für die Abwärme, die unsere Kunden mit Ihren Servern produzieren." Um 30 bis 40 Prozent der anfallenden Abwärme abzugeben, bräuchte Telehouse zwischen 10.000 und 15.000 Abnehmer.

Die vorhandenen Großwärmepumpen für Westville beschränken die Versorgung für das Wohnquartier auf 60 bis 70 Prozent an möglicher Abwärme durch die Telehouse GmbH. Aber selbst bei mehr oder größeren Großwärmepumpen könnte Telehouse maximal zehn Prozent der anfallenden Abwärme abgeben. "Wir brauchen viel mehr Haushalte für die Abwärme, die unsere Kunden produzieren", betonte Waldhauser im Verlaufe der Diskussionen. Ein Mangel an (belieferbaren) Abnehmern scheint auch bei anderen großen Rechenzentrumsbetreibern der Fall zu sein, wie die Redaktion nach der Paneldiskussion im Gespräch mit weiteren Gästen aus der Branche erfuhr. Bei der Umsetzung des Energieeffizienzgesetzes in der geplanten Form wäre das eine große, wenn nicht sogar die größte Hürde.

Nun ist die Konzipierung des Wohnprojekts Westville nach zweijähriger Planungsphase bereits abgeschlossen, und die ersten Mieter werden 2023 einziehen. Der Physiker Waldhauser wünscht sich Nachahmer und vor allem Projekte, die weitaus größer sind als sein Modellprojekt. Zum jetzigen Zeitpunkt falle es den Rechenzentren allerdings schwer, Abnehmer für ihre Abwärme zu finden – im Gesetzesentwurf findet sich neben der Forderung, Abwärme verpflichtend bereitzustellen, keine Verpflichtung potenzieller Empfängerkreise wie der Kommunen und Immobilienbesitzer, Abwärme auch abzunehmen. "Das ist die Krücke in dem Entwurf, so wird es nicht funktionieren", schloss Waldhauser.

Paneldiskussion in Berlin zum geplanten Energieeffizienzgesetz: Was können Rechenzentren beitragen? Hessische Landesvertretung am 11. November 2022

(Bild: Silke Hahn)

Waldhauser und drei weitere Akteure diskutierten anschließend, was die Branche als Vorreiterin zur Nachhaltigkeit beitragen kann: Gemeinsam zeigten die Diskutanten blinde Flecken des Gesetzesentwurfs auf und machten Vorschläge für einen nachhaltigeren Betrieb von Rechenzentren, die näher an dem physikalisch und real Möglichen wären als die geplanten Vorgaben und Auflagen.

Anna Naether von Google Deutschland betonte, dass Google für grünen Strom sei und bis 2030 rund um die Uhr ("24/7") CO2-freien Betrieb seiner Anlagen und Büros anpeile, von den Zielen her sei man mit dem Gesetzgeber auf einer Linie. Effiziente Software und KI-Einsatz hälfen Google Cloud, die Colocation-Ressourcen sowie eigenen Anlagen sparsam zu nutzen. Google unterstütze Gesetze, die Unternehmen helfen, effizienter und nachhaltiger zu arbeiten. Man glaube, dass Regulierung eine wichtige Rolle bei der Förderung der Nachhaltigkeit spielen kann. Gleichzeitig müsse sie die Technologie und Infrastruktur berücksichtigen, die Unternehmen derzeit für einen Übergang zu einem möglichst emissionsarmen Betrieb zur Verfügung stehen. Am Ende ginge es um einen möglichst effizienten Betrieb, da eine verringerte Effizienz wiederum auch negative Umwelteffekte haben könne.

Auch Alexander Rabe vom Branchenverband "eco -Verband der Internetwirtschaft" übte sachliche Kritik an den geplanten Auflagen. Dem Verband geht es darum, den Standort zu stärken, sodass Daten weiterhin in Deutschland zu Hause sein können. Die Ökobilanz der Digitalisierung sei bereits heute positiv: Rabe sprach in dem Kontext Green Coding an und die qualitativ hochwertige Software, durch die die Ansteuerung der Server optimal, also energieeffizienter läuft. Der Energiemix in Deutschland mache es indes allen schwer, CO₂-neutral zu werden. Als Abnehmer von Abwärme kämen neben Wohngebieten auch Sporthallen, Schwimmbäder, Gewächshäuser, Büros und ähnliche Räume infrage – im System gebe es jedoch teils große Widerstände einiger Stakeholder.

So habe man zwar den Wunsch und Bedarf, die Abwärme wieder in den Energiekreislauf zurückzuführen, aber oft keine Möglichkeit, diese Abwärme zu nutzen und einzuspeisen. Wenn Infrastruktur wie etwa Abwärmenetze nicht vorhanden seien, dauere es lange, sie zu beantragen, genehmigen, bauen zu lassen. 2018 habe man daher unter dem Dach des eco die Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland gegründet, da es hierzulande ein ganzheitliches Verständnis darüber brauche, wie Daten gespeichert, energieeffizient verarbeitet und letztlich transportiert werden. Ganzheitliche digitale Strategien bräuchte es vor allem auf europäischer Ebene. Dem aktuell bekanntgewordenen Referentenentwurf des Energieeffizienzgesetzes fehle es an dieser Stelle an Weitblick und fachlicher Expertise in Sachen Rechenzentren, konstatierte Rabe.

Andere Länder in Europa seien schon dabei, deutlich weitsichtigere Rahmenbedingungen zu definieren. "Es kann nicht sein, dass wir in Deutschland ein Asset, das wir bedingt durch den DE-CIX – den weltweit größten Internetaustauschknoten – in Frankfurt haben, jetzt gefährden", unterstrich er die Anliegen seiner Verbandsmitglieder. Auf Nachfrage der heise-Redakteurin, wie die Bundesländer sich austauschen und zusammenarbeiten für Rechenzentren und Infrastruktur, erläuterte er weiter, dass eine denkbare Abnahmeverpflichtung von Abwärme durch Bundesgesetzgebung mit der kommunalen Autonomie kollidiere. Föderalismus erweise sich hier als Hürde, da der Bund nicht bis auf die kommunale Ebene runtergeht, auf der aber Pilotprojekte und Umsetzung stattfänden. Das geplante Energieeffizienzgesetz (insbesondere Abschnitt 5 zu Rechenzentren) sei ein nationaler Alleingang, konträr zum restlichen Europa und den dort zurzeit in Ausgestaltung befindlichen Ansätzen.

Stromverbrauch von Rechenzentren und Internetzugangstechnologien

Neben Künstlicher Intelligenz fordern vor allem auch Streaming, Homeoffice, Smarthome, Clouddienste und Industrie 4.0 mit dem Internet der Dinge zunehmend Rechenzentrumskapazitäten. Der Energieverbrauch von Rechenzentren beläuft sich laut Branchenverband bitkom auf rund 16 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr – allerdings verursachen Rechenzentren nur etwa 0,6 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in Deutschland und ihr Betrieb wird zunehmend effizienter.

Ein halbes Kohlekraftwerk: Flächendeckendes Glasfasernetz würde rund 500 Megawatt einsparen

Beim Thema Nachhaltigkeit fallen einige Bereiche mit großem Einsparpotenzial regelmäßig unter den Radar der öffentlichen Wahrnehmung: So würde ein flächendeckendes Umrüsten der Breitbandinfrastruktur in Deutschland auf Glasfaser erhebliche Einsparungen bringen. Die weitverbreiteten Kabelnetze (über TV-Kabel) für den Internetzugang verbrauchen etwa fünfmal soviel Strom wie Glasfaser. Das Einsparpotenzial lässt sich genau beziffern – es entspricht laut Brekoverband mehr als der halben Leistung des Braunkohlekraftwerks Schkopau in Sachsen-Anhalt.

"Ein Beispiel zur Verdeutlichung des Stromverbrauchs insgesamt: Würde man Deutschland flächendeckend mit Glasfasernetzen (FTTH) versorgen, hätten diese einen Stromverbrauch von 154 Megawatt. Zum Vergleich: Kupferbasierte Netze (FTTC) benötigen im gleichen Szenario 350 Megawatt und TV-Kabelnetze 650 Megawatt Strom. Gegenüber TV-Kabelnetzen ließen sich mit Glasfaser demnach 496 Megawatt einsparen. Das entspricht beispielsweise mehr als 50 Prozent der Leistung des Braunkohlekraftwerks Schkopau in Sachsen-Anhalt. Durch Optimierungen der Hardware-Komponenten, beispielsweise Routern, lässt sich der Stromverbrauch noch weiter senken." – Bundesverband Breitbandkommunikation, "Glasfasernetze als zentraler Bestandteil einer digitalen Infrastruktur"

Presse- und Verbandsspiegel in Auswahl

Als Gegenpol brachte Max Schulze von der Sustainable Digital Infrastructure Alliance eine Sichtweise nah am Gesetzgeber ein, der die Forderungen als Antreiber für Fortschritt und Auftrag begreift. Laut seines Verbands bestehe ein gesellschaftlicher Wille zu harten Einschnitten, und die Hoffnung lautet offenbar, dass Forderungen den gewünschten Fortschritt schon zutage fördern werden, unabhängig von physikalischen Gesetzmäßigkeiten und Grenzen wie der niedrigen Temperatur der Abwärme, dem Fehlen von Rohren zum Transport oder geeigneten Abnehmern. Es sei Sache der Wirtschaft, hier für die nötigen Innovationen zu sorgen und selbst zu investieren. Man könne nicht zwanzig, dreißig Jahre warten auf die nächste Generation von Nahwärmenetzen, als rote Linien nannte Schulze 2030 und 2050 und die verbindliche Notwendigkeit des CO₂-Ausstoßes.

Kritik an der Machbarkeit der Vorgaben konnten den Verbandssprecher nicht beirren, und so wiederholte er (etwas gebetsmühlenhaft) die geplante harte Linie, ohne sachliche Argumente anzuführen oder gelten zu lassen. Im Publikum regte sich stellenweise Unmut. Dabei sticht heraus, dass das gesetzgeberische Vorhaben offenbar einzig dieser Branche gilt und sie einer Regulierung unterwerfen soll, andere energieintensive Branchen hingegen ausspart. Schulze verteidigte das, die Branche sei eben bislang zu wenig reguliert worden. Insbesondere vom Physiker Waldhauser ernteten einige seiner Positionen schärferen Widerspruch.

Die im Entwurf vorgesehenen Nachhaltigkeitsziele teilt die Branche laut eigenen Aussagen. Was infrage steht, ist offenbar die Dimension der Abgabeverpflichtung in sehr kurzer Zeit, die sich mangels Infrastruktur zum Transport der Abwärme technisch nicht umsetzen lässt. Da auf EU-Ebene eine übergeordnete Regelung bereits in Vorbereitung ist, liefe ein gesetzgeberischer Alleingang der Bundesregierung nach heutigem Kenntnisstand wohl auf rechtliche Auseinandersetzungen und somit längere Rechtsunsicherheit sowie hohen bürokratischen Aufwand für die deutsche Rechenzentrumsbranche und die hiesige Digitalwirtschaft hinaus, wie Waldhauser auf Nachfrage betonte.

Die Forderung des Nachhaltigkeits-Verbandsvertreters Schulze stieß beim Panel und Publikum auf Unverständnis. Wenn Rechenzentrumsbetreiber nun Fernwärmenetze bauen müssten, wäre das in etwa so, als müssten Autofahrer die nächste Autobahn selbst bauen, lauteten Einwände: Rabe und Waldhauser sehen im Bereitstellen von Infrastruktur den Staat in der Pflicht, ein Ökosystem zu schaffen.

Um Klimaziele einzuhalten und die Abgabe von Abwärme sinnvoll zu planen, wären wohl Wärmekataster hilfreich. Ohne moderne, flächendeckende Infrastruktur wird es aber auch nicht gehen: Fernwärmenetze der neuesten Generation sind gefragt, und deren Umsetzung werden Rechenzentrumsbetreiber nicht allein und schon gar nicht von heute auf morgen stemmen können. Investitionen von Bund und Ländern wären wohl notwendig. Mehr wasser- statt luftgekühlter Server war ebenfalls eine umsetzbare Forderung beim Panel, und dass die Verantwortlichen der Gesetzgebung mit Sachverständigen reden. Der Vertreter der Regierungsposition hingegen beschränkte seinen Beitrag auf das etwas formelhaft wirkende Einfordern von Abwärmenutzung, "Physik hin oder her".

Die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes ist nach dem Leaken wieder offen, sofern es am Ende überhaupt beschlossen wird. Mit Blick auf die EU-Regelung scheint ein deutsches Sondergesetz nicht zwingend erforderlich zu sein, auch so ließen sich Rechtsunsicherheit und -streit vermeiden. Einen offiziellen Entwurf gibt es zurzeit noch nicht. Es bleibt zu hoffen, dass auf Bundesebene die Sachverständigen und Betreiber nun mit an den Verhandlungstisch geholt werden. Unter anderem hatte die IHK Karlsruhe bis zum 15. November 2022 Hinweise für eine Stellungnahme zum Referentenentwurf entgegengenommen.

(sih)