Wahlweise: Wie Künstliche Intelligenz bei der Wahlentscheidung helfen soll

Dem Wahlprogramm Fragen stellen: Das sollen Interessierte im KI-Tool Wahlweise können. Das Modell ermögliche, ganz eigene Punkte zur Wahl zu beleuchten.

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Ein Wahlzettel neben den Wahlumschlägen

Zur Landtagswahl in Sachsen und Thüringen im September gibt es eine KI aus Thüringen, die beim Überblick über die Wahlprogramme helfen soll.

(Bild: Jan von nebenan/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Der Wahl-o-mat soll Wählerinnen und Wählern einen besseren Überblick über die Standpunkte von Parteien geben. Das Angebot Wahlweise will einen Schritt weiter gehen: Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) soll das Angebot nicht nur konkrete Fragen mit passenden Stellen aus den Wahlprogrammen beantworten, sondern auch die eigenen Standpunkte mit den Programmen wählbarer Parteien abgleichen.

"Wir kommen selbst aus Thüringen und haben gedacht, wir würden Künstliche Intelligenz nutzen, um einen Überblick zu bekommen", sagt Martin Schiele, einer der Initiatoren und CEO der Thüringer KI-Firma AIUI. Im Unterschied zum Wahl-o-mat der Bundeszentrale für politische Bildung stamme die Antwort direkt aus den Wahlprogrammen der Parteien. "Wir haben uns anfangs an den Wahl-o-mat-Fragen orientiert, haben aber nicht immer eine konkrete Antwort darauf in den Programmen gefunden", erklärt Schiele. Die Antworten aus dem Wahl-o-maten stammen direkt von den Parteien, finden sich aber nicht zwingend im Wahlprogramm wieder. Stattdessen orientieren sich die Teams, die die Fragen entwickeln, thematisch an den Wahlprogrammen.

Wahlweise bietet einen Chat für konkrete Fragen an die Wahlprogramme oder ein Quiz, um die eigenen Ansichten mit denen der Parteien abzugleichen.

(Bild: Screenshot: wahlweise.info)

Das Modell basiere auf Llama 3 und funktioniere mit Retrieval Augmented Generation (RAG): Die KI sucht aus der Datenbank mit den Wahlprogramm-Auszügen die heraus, die möglichst gut zu der gestellten Frage passen. Trainingsdaten brauchte das Team dafür nicht. Die Unterteilung der Wahlprogramme in thematische Ausschnitte habe den Vorteil, dass die fragende Person inhaltlich passende Antworten erhält, die Ausschnitte gleichzeitig aber so kurz sind, dass die KI bei einer Zusammenfassung nichts vergesse – was bei längeren Texten durchaus vorkommen kann. "Wir haben sehr viele Tests durchgeführt und den Prompt mit sechzig bis siebzig Iterationen verbessert, sodass sowohl die Antworten passten, als auch die KI nur das machte, was sie soll: Informationen aus den Wahlprogrammen ausgeben", betont Schiele. "Außerdem spielt die KI eine konkrete Quelle aus, wo man die Aussagen nachlesen kann."

Die KI formuliere die Auszüge aus den Parteiprogrammen um, so Schiele. Das Ziel: möglichst neutral formulierte Aussagen. Auch die KI selbst solle nicht tendenziös werden. Das war dem Team wichtig, betont Schiele. Untersuchungen hätten gezeigt, dass Künstliche Intelligenz durch das Trainingsmaterial eine eigene politische Tendenz entwickeln kann. "Um diesen Bias herauszunehmen, haben wir die Programme anonymisiert." So könne die KI nicht mehr zuordnen, welche Aussage zu welcher Partei gehört, sondern sortiert sie einem Alias zu. Im Quiz weiß auch die Person vor dem Bildschirm nicht, welche Aussage zu welcher Partei gehört. "Wir wollten so wirklich eine inhaltliche Zuordnung ermöglichen", so Schiele. Ohne Voreingenommenheit auf beiden Seiten.

Schiele und sein Team haben Wahlweise aus eigenen Mitteln finanziert – ebenso die Partnerfirmen, über die etwa die Hardware oder die Tests gelaufen sind. "Klar ist das für uns auch Marketing, aber wir wollten dieses Tool in erster Linie auch anderen zur Verfügung stellen."

Sich über die Wahlweise-KI mit der politischen Agenda der Parteien auseinanderzusetzen, erfordert einiges mehr an Lesekonzentration als etwa der Wahl-o-mat. Die Textpassagen sind länger und es lässt sich kein direkter Vergleich ziehen – es sei denn, die User stellen die gleiche Frage mehrfach, wenn sie unterschiedliche Parteien ausgewählt haben. Auch sind nicht alle Parteien vertreten: Aus einem dreiseitigen Flyer seien beispielsweise nicht genug Informationen auf alle Fragen zu finden. Mit dem Tool möchte das Team dennoch auch junge Menschen motivieren, sich mit den politischen Ansichten der Parteien zu beschäftigen. "Wir versuchen, jüngere Leute vor allem darüber zu kriegen, dass wir dazu auffordern, unserer KI Unsinn zu entlocken", sagt Schiele. Ein absolut sicheres System zu schaffen, das keine Fehler produziert, sei nicht machbar.

Schiele ist sicher, dass KI-Assistenz in der politischen Bildung eine immer größere Rolle spielen wird. "Viele Dinge wie eine Recherche werden wir nicht mehr machen: In drei bis fünf Jahren übernimmt das ein KI-Assistent für uns", vermutet er. "Die Frage ist dann: Wer sind die Gatekeeper, die die Systeme anbieten?"

(are)