SpaceX fordert Ausnahmeregel für weltweiten Satellitenmobilfunk

Satellitensysteme werden bald alle Mobilfunklöcher der Erde stopfen. Elon Musks Starlink-Dienst will aber versprochenen Speed auf Kosten anderer liefern.

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(Bild: CG Alex/Shutterstock.com)

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SpaceX, die Betreiberfirma des Satellitendienstes Starlink, kämpft für eine Sondergenehmigung der US-amerikanischen Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC), um über Starlink-Satelliten Mobilfunkdienste für Smartphones aus dem All anzubieten. Dabei nutzen Vertreter der Firma auch harte Bandagen beim Versuch, für sich bessere Funkbedingungen auszuhandeln, damit sie Gigabit-Internet anbieten können. Der Streit beginnt zwar in den USA und betrifft auf den ersten Blick nur SpaceX, die FCC und dortige Netzbetreiber. Aber viele Entscheidungen der FCC waren in der Vergangenheit wegweisend für andere Regulierungsbehörden. Deshalb dürfte sie Folgen für alle irdischen Mobilfunkbetreiber des Planeten haben, und damit auch für alle Mobilfunknutzer.

Technisch ist die Versorgung von Mobiltelefonen per Satellit seit Längerem möglich; je nach Konstruktion und Genehmigung der FCC verwenden niedrig fliegende Satelliten (Low-Earth Orbit, LEO) dafür ein normalerweise auf der Erde genutztes Funkband, sodass handelsübliche LTE- und 5G-Smartphones angebunden werden können. Die Satelliten vermitteln dabei zwischen Smartphones und Bodenstationen der Mobilfunknetzbetreiber.

SpaceX bietet zwar seit einigen Jahren weltumspannendes Internet über seine Starlink-Satelliten an, doch dafür sind bisher stationäre Terminals mit Antennen in Tablett- bis Handtuchgröße erforderlich. Nun will SpaceX mit einer neuen Satellitengeneration möglichst bald auch gewöhnliche Mobiltelefone versorgen. Dafür kooperiert die Firma mit T-Mobile, der US-Tochter der Deutschen Telekom. Derzeit hat SpaceX schon über 200 eigens für den Mobilfunkbetrieb ausgelegte Satelliten in die Umlaufbahn gebracht. Für den öffentlichen Betrieb sind laut Starlink-Mitarbeiter Michael Nicolls im Endausbau über 320 solcher Satelliten erforderlich.

Doch während die Falcon-Raketen von SpaceX seit einigen Monaten mit jedem Flug 13 neue Starlink V2 mini in den Orbit bringen, läuft der Aufbau der Funkversorgung offenbar nicht wie gewünscht. SpaceX hat noch im September 2016 in einem Dokument an die FCC "im Endausbau Gigabitgeschwindigkeit für jeden Anwender" versprochen. Doch das leistet die aktuelle Starlink-Technik offenbar nicht. Das geht aus einem Antrag von SpaceX an die FCC hervor. Darin fordert SpaceX ausschließlich für sich deutlich bessere Rahmenbedingungen, als die FCC für solche Dienste vorsieht.

Rückblickend erscheint die 2016er-Ankündigung von SpaceX voreilig, denn die Rahmenbedingungen für die Versorgung aus dem All hat die FCC erst im April dieses Jahres festgelegt (PDF, 160 Seiten). Darunter sind auch entscheidende Grenzwerte zur Koexistenz mit irdischen Mobilfunknetzen definiert. Demnach dürfen Nebenaussendungen der Satelliten in den Mobilfunkbändern bei 600, 700, 800 und 1990 MHz das Limit von −120 dBW/m2/MHz nicht überschreiten (Out-of-Band Emissions, OOBE). Unter sich nennen Mobilfunknetzbetreiber diesen weltweit akzeptierten Grenzwert "das −120-Limit".

Abhängig von der Höhe der Erdumlaufbahn (GEO, MEO, LEO) versorgen Satelliten unterschiedliche Flächen. Die Dienste sind aber weitgehend weltumspannend gedacht. Die High-Altitude-Plattform-Systeme (HAPS) versorgen hingegen nur Städte oder kleine Regionen und fliegen doppelt so hoch wie kommerzielle Flugzeuge.

Erst dieses Limit ermöglicht eine enge Belegung und damit effiziente Nutzung des Funkspektrums. Denn Regulierungsbehörden weisen zwar jedem Dienst ein Frequenzband von bestimmter Breite zu, aber technisch ist es unmöglich, das Signal exakt an der Kanal- oder Bandgrenze völlig verschwinden zu lassen. Je nach Güte des Senders und der Filter flacht es an den Flanken mehr oder weniger steil ab, sodass immer störende Nebenaussendungen in benachbarte Bereiche durchsickern. Damit dortige Dienste dennoch funktionieren, legen Regulierungsbehörden den maximalen Pegel der Nebenaussendungen fest und Sendeanlagenbetreiber müssen den Grenzwert einhalten.

SpaceX behauptet nun, der Grenzwert sei zu streng und führe zu reduzierten Datenraten, sodass die Satellitentechnik für die Sprach- und Videokommunikation unbrauchbar sei. Um die Rahmenbedingungen der FCC zu erfüllen, müsse SpaceX die Starlink-Sendeleistung halbieren, was die Datenrate stark senkt. Deshalb erwarten Fachleute von Starlink-Mobilfunksatelliten bisher bestenfalls 100 Mbit/s.

SpaceX führt weiter aus, dass "pauschale Grenzwerte für alle Bänder von 600 bis fast 2000 MHz unangemessen" seien. Für Starlink sind nämlich zwei 5 Megahertz schmale Bänder von 1910 bis 1915 MHz und von 1990 bis 1995 MHz reserviert und genau dafür seien "frequenzspezifische Grenzwerte sinnvoll". Laut eigenen Berechnungen seien dort −110.6 dBW/m2/MHz ausreichend, also rund das Neunfache der FCC-Grenze. So könne Starlink Gigabit-Speed anbieten und Beeinträchtigungen von Nachbarbändern dennoch vermeiden. Als Beispiel nennt die Firma die Bereiche 1895 bis 1910 MHz und 1975 bis 1990 MHz, die der Kooperationspartner T-Mobile nutzt; diese würden von Starlink nicht beeinträchtigt werden.

Die US-Netzbetreiber AT&T und Verizon widersprechen diesen Angaben aufs Schärfste. Laut eigenen Berechnungen würde die von SpaceX geforderte Grenze den Durchsatz in ihren Netzwerken um 18 Prozent drosseln. Eine Erhöhung des −120-Limits im 1900-MHz-Band komme nicht infrage. Nebenbei rieben sie SpaceX noch Salz in die Wunde: Die Firma habe nicht klar dargelegt, weshalb Starlink-Satelliten den Grenzwert der FCC ohne Halbierung des Sendepegels nicht einhalten können.

Die Idee von SpaceX schreckt längst auch europäische Netzbetreiber auf. Eine Gruppe, zu der auch Telefónica und Vodafone gehören, droht der FCC nun rundheraus mit einer Klage, sollte sie SpaceX nachgeben: "Jedwede Lockerung der Grenzwerte, die die Bewirtschaftung zugeteilter Frequenzen beeinträchtigt, wäre ein Anlass für Schadenersatzforderungen." Das gegenwärtige −120-Limit sei das "Mindestmaß an Schutz, das Mobilfunknetzbetreiber brauchen, um weiterhin die zugesagte Qualität an terrestrischen Diensten erbringen zu können." Zudem würden noch höhere Störpegel drohen und terrestrische Mobilfunkbetreiber und deren Kunden beeinträchtigen, wenn absehbar weitere derartige Satellitensysteme in Betrieb gehen oder wenn ein Betreiber zusätzliche Satelliten in die Umlaufbahn schießt.

Bemerkenswert daran erscheint, dass einige dieser Netzbetreiber selbst mit AST SpaceMobile kooperieren, einem Mitbewerber von SpaceX. AST arbeitet selbst an einem Dienst für Mobiltelefone und hat bisher fünf Satelliten in die Umlaufbahn gebracht und weltweit mehrere Mobilfunknetzbetreiber als Kunden gewonnen.

Anfang Oktober drosch SpaceX mit einer erneuten Mitteilung an die FCC weiter: "Ausländische Investoren und Partner von AST machen vor nichts Halt, um den Fortschritt zu bremsen. AST und seine Investoren setzen ihre Kampagne der verbrannten Erde fort, um konkurrierende Direktverbindungen zu behindern, selbst wenn ihre Bemühungen bedeuten, dass Amerikaner in Notfällen keine zuverlässige Verbindung bekommen und amerikanische Satellitensysteme auf den internationalen Märkten einen Wettbewerbsnachteil haben."

Die Entgegnung ist teils auf die Schäden bezogen, die die jüngsten Wirbelstürme in den USA hinterlassen haben. SpaceX wollte bei erhöhten Grenzwerten Starlink-vermittelte Sprachdienste für Smartphones als Ersatz anbieten, bis die zerstörte Mobilfunkinfrastruktur repariert sei. Die FCC hielt aber am −120er-Limit fest. Starlink bot daraufhin nur einen Messaging-Dienst an.

Der weitere Tonfall des SpaceX-Dokuments an die FCC lässt auf eine gereizte Stimmung schließen. David Goldman, Vice President von SpaceX schreibt unter anderem: "Offenbar ist AST nicht damit zufrieden, nur den Wettbewerb in Amerika zu schädigen, sondern führt seine Desinformationskampagne ins Ausland, indem die Firma europäische Investoren und Partner rekrutiert, um ihre Argumente nachzuplappern und dem Wettbewerb auch dort zu schaden."

Solche Einlassungen lenken den Fokus weg von den technischen Problemen, die Starlink offensichtlich mit der Einhaltung der Richtlinien hat. Indirekt kann man sich ein grobes Bild verschaffen: Bei Antennen zählt die Fläche, je größer, desto mehr Antennengewinn. So bekommt der Empfänger ein besseres Signal, was eine höhere Datenrate bedeutet. Beim Senden kann man für die gleiche Geschwindigkeit die Ausgangsleistung und damit auch die Nebenaussendungen senken.

Den für den Mobilfunk vorgesehenen Starlink-Satelliten hat SpaceX Antennen von rund 25 Quadratmetern Fläche gegeben. Das übertreffen schon die AST-Satelliten der ersten Generation: Deren erster Testsatellit BlueWalker 3 kommuniziert über ein 64 Quadratmeter großes Antennen-Array. Das macht ihn zum größten LEO-Satelliten. Im Gehäuse hinter der Gruppenantenne steckt eine modifizierte Mobilfunkbasis. Diese deckt mittels der Riesenantenne eine Fläche von rund 777.000 Quadratkilometern ab.

Mit BlueWalker 3 hat AST SpaceMobile in internen Testläufen bereits 2023 das erste Mobilfunktelefonat demonstriert. Auf BlueWalker 3 ließ AST kürzlich fünf neue BlueBirds mit verbesserter Technik und angeblich der dreifachen Antennengröße folgen. Die gesamte Konstellation soll einst aus 243 Satelliten in einer Höhe von 725 bis 740 km bestehen. AST hat der FCC im April 2020 einen Antrag für den Betrieb vorgelegt. Den hat die FCC bisher nicht entschieden, aber alle bisherigen Schritte auf dem Weg dorthin abgenickt. Bisher ist offen, ob die FCC der Forderung von SpaceX nachgibt. Der Vorgang zieht sich nun schon einige Monate und SpaceX kassierte mehrere Widersprüche von Mobilfunknetzbetreibern.

Weltweit arbeiten noch weitere Unternehmen an Satellitensystemen, die den Planeten aus dem Orbit mit Mobilfunk-Internet abdecken sollen. Dazu zählen Globalsat und Globalstar mit Apple als Schwungrad sowie Iridium. Nicht alle sind für Sprach- und Datendienste ausgelegt. Apple und Globalstar haben bisher nur Textmessaging für Szenarien geplant, in denen kein irdischer Mobilfunk verfügbar ist. Sie setzen freilich ein modernes iPhone voraus, das für diese Betriebsart spezielle Technik an Bord hat.

(dz)