Weniger Bürokratie: Bundestag ermöglicht komplett digitale Arbeitsverträge​

Mit großer Mehrheit hat das Parlament das 4. Bürokratieentlastungsgesetz verabschiedet. Auch das Neusetzen der PIN für den Online-Ausweis wird damit einfacher.​

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Hand ragt aus einem Papierstapel in einem Büro hervor.

Wieder zurück zu Stift und Papier

(Bild: Stokkete/Shutterstock.com)

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Mit großer Mehrheit hat der Bundestag das 4. Bürokratieentlastungsgesetz beschlossen. Nach Schätzungen der Bundesregierung werden damit Bürger, Verwaltung und Unternehmen jährlich um 3,5 Milliarden Euro entlastet. Das Parlament ebnet mit der Initiative unter anderem den Weg für den digitalen Abschluss von Arbeitsverträgen: Künftig sollen Arbeitgeber auch in Textform, also etwa per E-Mail, über die wesentlichen Bedingungen ihrer Arbeitsverträge informieren sowie Vereinbarungen über Altersgrenzen treffen können. Das bisherige Erfordernis der Schriftform im Nachweisgesetz fällt weg. Die Ampel-Koalition verständigte sich schon im März auf diese Vorgehensweise.

Arbeitnehmer können laut Änderungsantrag des Rechtsausschusses zum Regierungsentwurf aber nach wie vor einen schriftlichen Nachweis ihrer Arbeitsbedingungen verlangen. Arbeitgeber müssen ihnen dann die Informationen weiterhin auf Papier übergeben. Generell soll es das Vorhaben Unternehmen erlauben, Abläufe in ihren Personalverwaltungen zu digitalisieren. Nur in Wirtschaftsbereichen, die besonders von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung bedroht sind, bleibt es beim verpflichtenden Nachweis in Papierform.

"Bei Nutzung der Textform werden Druckkosten eingespart", führt die Regierung aus: Mit einer geschätzten Druckzeit von 0,5 Minuten und einem Lohnsatz von 23,60 Euro ergebe sich bei rund 35,2 Millionen kommenden Beschäftigen allein hier eine mögliche jährliche Entlastung von rund 1,7 Millionen Euro.

Mit dem Paket gibt es auch eine Alternative für den "kostenfreien" PIN-Rücksetz- und Aktivierungsdienst (PRSD) für die elektronische Identität (eID) im Personalausweis. Die Exekutive sah sich Ende 2023 aufgrund "unkalkulierbarer Kosten" gezwungen, den Service einzustellen. Laut dem Beschluss soll das Ändern der sechsstelligen Geheimnummer online möglich werden.

Das Bundesinnenministerium soll nach dem Willen der Abgeordneten die Hoheitsbefugnisse "zur Wahrnehmung der Aufgabe des elektronisch beantragten Neusetzens" der PIN per "Beleihung" auf juristische Personen des privaten Rechts übertragen können. Ziel ist es, den Staat durch Deregulierung und Privatisierung zu entlasten. In dem aktuellen Fall soll "eine gewisse Flexibilität" rund um das Ändern der Geheimnummer geschaffen werden, ist der Begründung zu entnehmen.

Für die Bürger soll die Einsparung im jährlichen Zeitaufwand durch das neue Online-Verfahren rund 105.000 Stunden betragen. Dies ergibt sich aus der Annahme, dass jährlich rund 140.000 Personen die PIN elektronisch zurücksetzen lassen. Gegenüber dem Gang zum Amt ließen sich 45 Minuten pro Fall einsparen. Die Koalition setzt zwar weiterhin Kosten in Höhe von rund 15 Euro pro Rücksetzung an – also in etwa so viel wie für den Versand einer neuen Geheimzahl per Brief und Postident-Verfahren. Durch die Zeitersparnis könnten im Vergleich zum Behördengang aber 1,10 Euro gespart werden.

Weiter will das Parlament mit dem Gesetz etwa Formerfordernisse im Zivilrecht absenken, Aufbewahrungspflichten verkürzen sowie für deutsche Staatsangehörige die Hotelmeldepflicht abschaffen. Ferner soll eine zentrale Datenbank der Steuerberater für Vollmachten im Bereich der sozialen Sicherung eingeführt werden. Behörden könnten künftig auch Steuerbescheide und andere Steuerverwaltungsakten digital zum Abruf bereitstellen.

Neben der Ampel-Koalition stimmte auch die CDU/CSU-Fraktion für den überarbeiteten Entwurf. Die Maßnahmen blieben aber weit hinter dem Möglichen und Erforderlichen zurück, hieß es dazu. Die Konservativen monierten auch, dass die zunächst angedachte Option zur digitalen Auslesung von Reisepässen aus Gründen des Datenschutzes gestrichen worden sei. Die Linke, die zusammen mit dem BSW gegen die Initiative stimmte, sprach von einem Tropfen auf den heißen Stein, der keine spürbaren Kostensenkungen mit sich bringen werde.

Mit dem Beschluss leite Deutschland die Trendwende beim "Bürokratie-Burnout" ein, hob Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hervor. Das sei aber nur ein Schritt, dem weitere – wie ein Jahresbürokratieentlastungsgesetz 2025 – folgen müssten. "Weniger Papier und mehr digitale Prozesse in den Personalabteilungen" erhofft sich der IT-Verband Bitkom. Allerdings blieben einige nicht nachvollziehbare Ausnahmen. So gelte ausgerechnet für Verträge mit Praktikanten weiterhin die strenge Schriftform, obwohl gerade diese "keine Berührungsängste mit digitalen Werkzeugen haben dürften".

Das Paket muss noch durch den Bundesrat. Dort könnte Ungemach drohen. Stein des Anstoßes: Steuer- und Buchungsbelege sollen künftig nur noch acht – statt bislang zehn – Jahre aufbewahrt werden müssen. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) wertete dies als Fehler, da die Ermittlungen rund um Cum-Cum und Cum-Ex erschwert würden. Steuerhinterziehung und -kriminalität ließen sich nur effektiv bekämpfen, wenn alle relevanten Daten rechtzeitig und vollständig zur Verfügung stünden. Die verkürzte Aufbewahrungsfrist soll für Personen und Gesellschaften, die der Aufsichtsbehörde Bafin unterliegen, aber erst mit Verzögerung von einem Jahr gelten. Dies diene dazu, heißt es zur Begründung, laufende Ermittlungsverfahren nicht zu beeinträchtigen.

(mack)