Whistleblower-Richtlinie: EU-Kommission startet Vertragsverletzungsverfahren

Weil sie die EU-Vorgaben zum Schutz von Hinweisgebern nicht umgesetzt haben, erhielten Deutschland und 23 andere Mitgliedsstaaten blaue Briefe aus BrĂĽssel.

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(Bild: Lightspring / shutterstock.com)

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Die EU-Kommission hat Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und 23 andere Mitgliedsstaaten eingeleitet, weil sie die europäische Richtlinie zum Whistleblower-Schutz nicht umgesetzt haben. Die Vorgaben stehen bereits seit November 2019 im EU-Amtsblatt, Mitte Dezember vorigen Jahres traten sie in Kraft. Hierzulande hatte sich die einstige schwarz-rote Regierungskoalition nicht auf eine gemeinsame Linie einigen können, sodass die zweijährige Frist ohne einen Gesetzesbeschluss auslief.

Am 27. Januar reagierte die Kommission und schickte "blaue Briefe" an Deutschland, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Polen und Rumänien. Auch die Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern enthielten die Schreiben, mit dem die Brüsseler Regierungsinstitution die Staaten ultimativ aufforderte, die Vorgaben zum Schutz von Hinweisgebern in nationales Recht zu gießen.

Bei diesem Schritt, den die Kommission Anfang Februar in ihrer einschlägigen Datenbank dokumentierte, handelt es sich um die erste Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens. Die ermahnten Länder haben nun wenige Monate Zeit, um zu reagieren und die festgestellten Rechtsverstöße abzustellen. Andernfalls kann die Kommission den Fall an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verweisen, der dann gegebenenfalls Sanktionen verhängt.

Am Mittwoch sandte die Brüsseler Exekutive zudem zwei weitere Mahnschreiben an Portugal und Schweden. Beide Staaten haben die Whistleblower-Richtlinie zwar bereit umgesetzt, die nationalen Regeln sollen dort aber verspätet in Kraft treten: in Portugal am 19. Juni, in Schweden am 17. Juli. Sollten die beiden Länder das Datum nicht vorziehen, droht die Kommission auch ihnen jeweils an, im zweiten Schritt des Verletzungsverfahrens eine "mit Gründen versehene Stellungnahme" zu übermitteln.

Juristische Personen wie Firmen, Behörden und andere Rechtsträger mit mehr als 50 Mitarbeitern sowie alle Unternehmen aus dem Bereich der Finanzdienstleistungen müssen gemäß den EU-Vorschriften prinzipiell ein internes Hinweisgebersystem bereitstellen und einen speziellen Beauftragten als Ansprechpartner vorsehen. Ausnahmen können lediglich für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern gemacht werden. Anders als von der deutschen Rechtsprechung bislang vorgegeben, muss ein Hinweisgeber einen Missstand nicht mehr zunächst intern in der eigenen Firma oder Behörde melden.

Im Frühjahr war die einstige Große Koalition an einem Umsetzungsgesetz gescheitert. Die SPD wollte, dass der Schutz auch bei Verstößen gegen deutsches Recht gilt und nicht nur in Bereichen wie Finanzdienstleistungen und Ausschreibungen, Produkt- und Lebensmittelsicherheit, Datenschutz, Umwelt sowie Gesundheit, die bereits EU-weit geregelt sind. CDU und CSU waren dagegen. Trotz der verpassten Einigung können die Normen seit Mitte Dezember zumindest gegenüber dem Staat bereits größtenteils direkt geltend gemacht werden.

Obwohl sie sich quergelegt hatte, kommt aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Oppositionszeiten nun erneut Kritik: "Die Ampel hatte seit Oktober Zeit, das Vertragsverletzungsverfahren abzuwenden", monierte deren Berichterstatter Martin Plum gegenüber dem Handelsblatt". Kosmas Zittel, Geschäftsführer des Whistleblower-Netzwerks (WBN), hält dagegen: Es gehöre schon "allerhand Chuzpe dazu", dass die CDU jetzt das junge Regierungsbündnis "für die Peinlichkeit eines Vertragsverletzungsverfahrens verantwortlich machen möchte".

Dass der hiesige Gesetzgeber die Frist nicht eingehalten hat, ist für das WBN generell ein Zeichen dafür, dass Whistleblower "in Wirtschaft, Politik und Verwaltung nicht gern gesehen" seien. Vorstände von Unternehmen und Staaten reagierten allergisch, "wenn man ihnen auf die Finger schauen darf und sie leichter zur Verantwortung gezogen werden können". Der Anwendungsbereich des Umsetzungsgesetzes müsse breit sein und deutsches Recht einbeziehen. Zudem sollte "öffentliches Whistleblowing, etwa gegenüber den Medien", erleichtert werden.

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Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte bereits Ende Dezember im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angekündigt, "so schnell wie möglich" einen Gesetzentwurf vorlegen zu wollen. Vorarbeiten existierten, die nur noch angepasst werden müssten. Er habe EU-Justizkommissar Didier Reynders auch bereits mitgeteilt, "dass er sich auf uns verlassen kann". Die hiesige Lösung werde über die EU-Vorgaben hinausgehen, betonte der FDP-Politiker. Hinweisgeber dürften nicht im Regen stehen bleiben, wenn es etwa um Arbeitsschutzregeln oder den Pflegebereich gehe. Offen ließ er, ob auch der Geheimdienstbereich eingeschlossen werden soll.

(bme)