Wiener Spitäler brauchen neue Fax-Anlage
Mindestens 60 Fax-Übertragungen gleichzeitig sollen neue Fax-Server für Wiens Kliniken bewältigen. Die Open-Source-Strategie der Stadt wird vernachlässigt.
Symbolbild Fax
(Bild: Piyapong Wongkam/Shutterstock.com)
Seit Jahresbeginn dürfen Patientendaten in Österreich nicht mehr per Fax übermittelt werden, aus Datenschutzgründen. Das Fax-Verbot sorgt für Chaos im österreichischen Gesundheitswesen. Mitten in die Aufregung platzte eine Ausschreibung der Stadt Wien: Sie will ein neues Fax-System für ihre Spitäler und Pflegeeinrichtungen kaufen. heise online hat sich erkundigt, was es damit auf sich hat.
Die Ausschreibung heißt "AUS24N005 - FAX Server" und verrät, dass die Sache maximal 200.000 Euro jährlich kosten darf, zuzüglich Inflation und Steuer. Gesucht wird ein Verbund aus Fax-Servern, der georedundant und mit Load Balancer auf zwei Rechenzentren des Wiener Gesundheitswesens verteilt werden muss. Mindestens 10.000 Nutzerkonten sind vorgesehen, zusätzliche Nutzerlizenzen müssen in Tausenderschritten verfügbar sein. Mindestens 60 Faxe sollen gleichzeitig übertragen werden können, auf Nachbestellung doppelt so viele.
Videos by heise
"Die ausgeschriebene Fax-Server-Infrastruktur ist die Ablöse eines internen Kommunikationssystems im Wiener Gesundheitsverbund, welches Fax als Backup-Lösung nutzt", hat heise online vom Wiener Gesundheitsverbund erfahren. Gesundheitsdaten würden allerdings aufgrund des Fax-Verbotes seit Jahresbeginn nicht mehr gefaxt. Innerhalb eines Spitals oder einer Pflegeeinrichtung wären Faxe zwar weiterhin zulässig, nur zwischen unterschiedlichen Einrichtungen seien sie untersagt. Doch der Gesundheitsverbund nutze jetzt grundsätzlich spezielle Software zur Übermittlung von Patientendaten. "Über Fax können jedoch beispielsweise Rechnungen, Daten zu Bestellungen oder Drucksorten u.ä. übermittelt werden."
c't D.digital abonnieren
Alle News und Debatten zum Thema Digitalisierung: Abonnieren Sie jetzt den kostenlosen c't-Newsletter D.digital.
E-Mail-Adresse
Ausführliche Informationen zum Versandverfahren und zu Ihren Widerrufsmöglichkeiten erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Und dafür braucht der Wiener Gesundheitsverbund neue Fax-Server. Dabei geht es allerdings nicht bloß um das Einlegen beschrifteten Papiers in Faxgeräte, sondern im Mittelpunkt stehen direkte Anbindungen an Microsoft Exchange, Microsoft 365, SAP sowie renderZ des schweizerischen Anbieters VMX. Vielleicht kann dann aus SAP EHS ein Formular zur Bestellung von Drucksorten gefaxt werden, das dann anderswo in einem Outlook-Postfach empfangen wird.
Microsoft bleibt
Der Vertrag läuft für mindestens zwei Jahre und kann dann mit sechs Monaten Frist jeweils zum Jahresende gekündigt werden. "Die Anwendung muss auf einem dieser Server-Betriebssysteme lauffähig sein", sagt die am Valentinstag zu Ende gegangene Ausschreibung, "Windows Server 2019, Windows Server 2020 (sic), Red Hat Enterprise Linux 8 oder 9, SUSE Linux Enterprise Server 15", allesamt virtualisiert mit VMware. Der Mainstream-Support für Windows Server 2019 ist zwar schon vor über einem Jahr abgelaufen, gegen zusätzliches Entgelt liefert Microsoft aber noch bis Ende 2028 Sicherheitsupdates.
Immerhin gibt es mit den genannten Linux-Servern auch Open-Source-Alternativen. Schließlich ist "der strategische Einsatz von Open-Source-Software" erklärtes Ziel der Stadt Wien, "um Transparenz zu schaffen, die Sicherheit zu erhöhen und durch die Zusammenarbeit mit Open-Source-Communitys junge Talente zu fördern, aber auch um 'Vendor-Lock-In'-Situationen zu vermeiden." Im Serverbereich setzt die Stadtverwaltung Open-Source-Software (OSS) seit 1990 ein. 2004 begann die "sanfte Produkteinführung" von OSS auch an PC-Arbeitsplätzen. Ab 2007 sollte Microsoft Office nur noch an ausgewählten Arbeitsplätzen installiert werden; 2009 beschloss der Wiener Gemeinderat, quelloffene Software an den Arbeitsplätzen stärker voranzutreiben. Doch noch im selben Jahr flossen 1,5 Millionen Euro für neue MS-Office-Lizenzen für drei Jahre aus Wien nach Redmond.
Das jetzt gesuchte, neue Fax-System soll neben Fax-Deckblättern und diversen Bildformaten die Dateiformate RTF, PDF, TXT, HTML, XML sowie "alle MS-Office-Dateiformate" unterstützen. Trotz Open-Source-Initiative finden Dateiformate der offenen Open-Document-Standards keine Erwähnung. "In der Kommunikation mit Bürger*innen wird sehr darauf geachtet, dass auch Open-Source-Formate verarbeitet werden", teilt der Gesundheitsverbund dazu mit. Dass ein neues Fax-System ohne Unterstützung für Open-Document-Dateien das interne Upgrade auf Open-Source-Software erschwert, ficht die Entscheidungsträger offenbar nicht an.
Empfange Faxe mĂĽssen per E-Mail mit Dateieinhang TIFF oder PDF/A-1 zugestellt werden. Etwaige Web-Applikationen des Fax-Systems haben laut Ausschreibung jedenfalls zwei Browser zu unterstĂĽtzen: Google Chrome und Microsoft Edge, beide beruhend auf dem quelloffenen Chromium-Browser, aber beide nur auf Windows-Systemen. Der Vendor-Lock-In bleibt.
(ds)