WordPress gegen WP Engine: Mullenweg blockt Plugin-Updates
Seit mehreren Wochen ist das WordPress-Ă–kosystem in Aufruhr. Viele sehen die Schlacht um FOSS-Ideale aber kritisch, darunter David Heinemeier Hansson.

(Bild: Midjourney / Collage: iX)
"Please don't make me cheer for a private-equity operator like Silver Lake, Matt", so schließt Ruby-on-Rails-Autor David Heinemeier Hansson seinen eindringlichen Appell an Matt Mullenweg – und spricht damit einem guten Teil der WordPress-Community aus dem Herzen.
Die ist zurzeit gespalten: Auf der einen Seite steht Matt Mullenweg, Mitgründer und Chefentwickler des weitverbreiteten Web-Publishing-Systems WordPress, der gerade gegen den WordPress-Hoster WP Engine kämpft, Millionen fordert und dabei alle Mittel von öffentlichem Druck bis zur Abschaltung der Server nutzt. Auf der anderen Seite stehen WP Engine, das der amerikanische Technologieinvestor Silver Lake 2018 übernommen hatte, sowie Teile der WordPress-Community – die sich wünschen, Mullenweg würde das Drama bitte endlich beenden.
Zankapfel sind hierbei vornehmlich die Markenrechte an der Marke "WordPress". Die liegen bei Mullenwegs Unternehmen Automattic, dem beispielsweise auch Tumblr gehört. Mullenweg wirft dem kommerziellen Anbieter WP Engine aber auch vor, das quelloffene WordPress auszuhöhlen, weil das Unternehmen kaum etwas zur Entwicklung von WordPress beitrage. Man könnte meinen, so etwas ließe sich klären, schließlich ist WP Engine seit mehr als einem Jahrzehnt Teil des WordPress-Ökosystems, die Marke und ihre Assoziationen nutzte der Hoster ebenso lang. Aber in diesem Fall liegt die Sache anders: Matt Mullenweg geht auf Konfrontation.
FOSS-gerecht: In aller Ă–ffentlichkeit
Forderungen, nach denen WP Engine monatlich acht Prozent ihrer Erträge für die Markenrechte bezahlen soll, untermauerte Mullenweg in den letzten Wochen nämlich mit öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen. In Kommunikation mit WP Engine drohte er mit einer anklagenden Keynote auf dem größten jährlichen WordPress-Community-Event – und hielt sie auch, nachdem WP Engine nicht einlenkte.
Später schränkte er die Ressourcen ein, die das Unternehmen von der Seite WordPress.org beziehen konnte, darunter Updates für das von WP Engine entwickelte Plug-in Advanced Custom Fields (ACF), das die Erstellung von Zusatzfeldern in WordPress deutlich erleichtert. Für eine Weile musste das Plug-in auf einer eigenen Seite gehostet werden. Mittlerweile leitet WordPress.org auf einen Fork um, zum nicht mit WP Engine verbundenen, aber wesensgleichen Plugin SCF, das Mullenwegs Unternehmen Automattic betreut.
Obendrauf kam eine erzwungene Installation des neuen Plug-ins auf sämtlichen Seiten, die ACF einsetzten, was Millionen Nutzer betraf. Den Fork begründete Mullenweg damit, dass WP Engine das ACF-Plug-in nicht weiter maintainen konnte – wie denn auch? Entwickler anderer Plug-ins wie Gravity PDF und Display Post zogen daraus den Schluss, WordPress.org vorerst nicht mehr für Updates ihrer Plug-ins heranzuziehen, sondern wie ACF auf einer eigenen Seite zu hosten.
Kürzlich verbot eine "offizielle Stelle" WP Engine außerdem die Teilnahme am Community-Event WordCamp Sydney – keine Mitarbeiter wären mehr als Organisatoren oder Sprecher zugelassen, ein Sponsoring ist nicht mehr erlaubt. WP Engine reagierte schon früher auf Mullenwegs Vorwurf, WordPress nicht genug zu unterstützen, indem das Unternehmen auf zahlreiche Sponsorenverträge in Bezug auf solche Community-Events verwies.
In einem mittlerweile gelöschten Tweet gab das WordCamp Sydney dem geschassten Hoster recht: "They [WP Engine] have given so much to support the Aussie WP community over the past 10 years. It's not just about contributing dev back to core." Mullenweg hatte Mitarbeitern seines eigenen Unternehmens Automattic zuletzt angeboten, gegen eine üppige Ausgleichszahlung zu kündigen, wenn sie ob der aktuellen Situation Bedenken hätten, weiter bei ihm tätig zu sein. Aktuell 159 des rund 1700 Mitarbeiter starken Unternehmens folgten dem Angebot.
FOSS-Verantwortung: Stabilitätsverlust
Matt Mullenweg scheint es jedoch darauf anzulegen, einen Präzedenzfall aus WP Engine zu machen. Die kommerzielle Weiterverwendbarkeit von GPL-lizenzierter Software ist zurzeit nicht unumstritten. Daher meldete sich jetzt auch der Autor des Ruby on Rails Frameworks David Heinemeier Hansson zu Wort, neben Mullenweg ebenfalls eine Größe in der Open-Source-Welt. In einem Blogeintrag vom 13. Oktober fand er jedoch keine tröstlichen, sondern mahnende Worte für den FOSS-Verteidiger.
Während er eingangs noch einräumt, dass ein "Benevolent Dictator for Life" in der Vergangenheit oft einen Katalysator für einige der wichtigsten quelloffenen Entwicklungen darstellen konnte – und Mullenweg sich diese Krone durchaus verdient hätte – sei die Rolle kein Garant für Unfehlbarkeit. Insbesondere das Abschalten der Updates für ein viel benutztes-Plug-in und die anschließende Weiterleitung auf einen Fork des eigenen Unternehmens empfand er als "unhinged". Die Übergriffigkeit Mullenwegs beiße sich hier mit dem, wofür freier Code und freie Software eigentlich stünde.
Hansson begründete seinen Beitrag zur Debatte mit seiner Sorge um das Open-Source-Ökosystem als ganzes: "Using an open source project like WordPress as leverage in this contract dispute, and weaponizing its plugin registry, is an endangerment of an open source peace that has reigned decades […]". Er sieht hier eine Zäsur, wie es sie seit SCO gegen Linux um 2003 nicht mehr gegeben hätte – und bemerkt einen explosionsartigen Anstieg von Unsicherheit und Sorge in der OS-Welt.
An anderer Stelle ist die Unsicherheit, die Hansson erspürt, schon ziemlich offensichtlich: In der WordPress-Community brodelt es. Sie verschaffte sich daher im dedizierten Subreddit r/Wordpress Gehör, während die weltweite IT-Berichterstattung immer mehr Interessierte in das Forum spülte. Die Nachricht der Abschaltung der ACF-Updates koppelte sich an erste Berichte, wie der Streit den Kundenstamm echtes hartes Geld kostete und die Moderatoren – einer von ihnen von Mullenweg persönlich eingestellt – hatten, gelinde gesagt, alle Hände voll zu tun.
Ein einziger Moderator bleibt dem Subreddit nun noch, der über 200.000 Mitglieder umfasst. In eigenen Worten: "Um ehrlich zu sein, ich wollte nicht in dieser Position sein. Und ganz ehrlich, ich habe auch keine Lust mehr darauf und ich will den Job wirklich nicht haben." Im Kleinen verweist das ironischerweise auf das Ende, das eben auch auf ambitionierte OS-Projekte warten kann – der Letzte macht das Licht aus, bleibt aber hoffentlich so lange, wie die Nutzer das Licht noch brauchen.
ACF erfüllt keine Sicherheitsfunktionen auf WordPress-Seiten, wie fälschlicherweise geschrieben, sondern dient dem Anlegen von eigenen Fenstern.
(kki)