Brasilien: Starlink will X-Sperrbefehl ignorieren

Ein X-Account polemisiert gegen den für die Blockade von X verantwortlichen Richter. Starlink kündigt an, sich einer richterlichen Anordnung zu widersetzen.

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X-Logo und Musks Gesicht

(Bild: Angga Budhiyanto/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Andreas Knobloch
Inhaltsverzeichnis

Die Auseinandersetzung des Tech-Milliardärs Elon Musk mit den brasilianischen Behörden geht weiter. Der Eigentümer des Sozialen Netzwerks X präsentierte am Wochenende ein Konto, das den brasilianischen Richter Alexandre de Moraes beschuldigt, gegen die Verfassung verstoßen zu haben, als er die Sperre X' in Brasilien anordnete. Darüber hinaus kündigte der ebenfalls Musk gehörende Satelliten-Internetanbieter Starlink an, sich nicht an die Entscheidung der brasilianischen Justiz zu halten, den Zugang zu X in Brasilien zu sperren.

Diese Sperrung hat Bundesrichter De Moraes vom Obersten Gerichtshof Brasiliens Ende vergangener Woche angeordnet. Er wirft X vor, nicht entschlossen genug gegen die Verbreitung von Hassrede und Fake News vorzugehen. Seit Wochen weigert sich Musk, brasilianischen Gerichtsbeschlüssen zur Sperre bestimmter X-Konten nachzukommen und ignoriert verhängte Geldstrafen. Mitte August schloss er das X-Büro in Brasilien und kündigte den noch verbliebenen Mitarbeitern, damit die Gerichte sie nicht zur Rechenschaft ziehen können.

Das Urteil zur Blockade X' in Brasilien wiederum beruht auf einem Gesetz des Landes, das Betreibern digitaler Netzwerke vorschreibt, eine Vertretung im Land zu unterhalten, damit sie über relevante Gerichtsentscheidungen benachrichtigt werden und angeordnete Maßnahmen umsetzen können. Das betrifft unter anderem die Entfernung illegaler Inhalte. Am heutigen Montag bestätigte ein fünfköpfiges Gremium des Obersten Gerichtshofs die Schließung der Social-Media-Plattform X in Brasilien, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet.

Elon Musk aber scheint weit davon entfernt, in dem Streit einzulenken. Der X-eigene Account @alexandrefiles postete ein Bild einer Anordnung des Obersten Gerichtshofs Brasiliens, in der dem Sozialen Netzwerk angeordnet wird, mehrere Konten zu sperren und die Monetarisierung auszusetzen, die X seinen Nutzern bietet, die eine monatliche Gebühr zahlen. "Heute beginnen wir damit, die von Alexandre de Moraes begangenen Verstöße gegen brasilianisches Recht aufzuklären", heißt es in der einleitenden Nachricht des Kontos. "Wir sahen uns gezwungen, diese Anordnungen zu verbreiten, weil es keine Transparenz seitens des Gerichts gibt, und die von der Zensur betroffenen Personen keine Möglichkeit haben, Rechtsmittel einzulegen", heißt es weiter.

Am Wochenende ist die Auseinandersetzung weiter eskaliert. Der von Musk kontrollierte Satelliten-Internetdienst Starlink teilte der brasilianischen Telekommunikationsbehörde Anatel mit, dass er sich nicht an die Anordnungen zur X-Sperre halten werde, bis die brasilianischen Behörden das eingefrorene Vermögen von Starlink freigeben. Das machte der Präsident Anatels, Carlos Baigorri, in einem TV-Interview publik. Gleichzeitig mit der Blockade X' hat Richter De Moraes nämlich verfügt, alle Vermögenswerte von Starlink im Land einzufrieren. Damit wollte er die ausstehenden Geldstrafen in Höhe von mehr als drei Millionen US-Dollar einzutreiben. Während einige Experten das Vorgehen gegen Starlink für fragwürdig halten, lehnte der Oberste Gerichtshof Brasiliens einen Einspruch des Satellitenanbieters, um eine Freigabe der Vermögenswerte zu erreichen, schnell ab. Musk wiederum reagierte mit einer Reihe von Beleidigungen gegen De Moraes; die finanziellen Sanktionen gegen Starlink bezeichnete er als "absolut illegal".

Anatel-Präsident Baigorri drohte Starlink mit Lizenzentzug für den Betrieb in Brasilien; damit dürfte das Unternehmen in Brasilien keinen Internetzugang mehr anbieten. Sollte Starlink versuchen, seine Dienste in Brasilien ohne Lizenz anzubieten, könnte Anatel die Ausrüstung von Starlink in den 23 Bodenstationen in Brasilien beschlagnahmen, drohte Baigorri in dem TV-Interview.

Dabei war Starlink noch vor nicht allzu langer Zeit ein sehr gern gesehener Geschäftspartner in Brasilien. Unter dem rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro verhandelte Brasilien mit SpaceX, um Starlink-Internet in den Amazonas zu bringen. Das Unternehmen sollte nach dem Willen der Regierung Satelliteninternet im Amazonas-Regenwald bereitstellen und bei der Aufdeckung illegaler Abholzung helfen.

Seit 2022 ist Starlink in Brasilien aktiv und hat nach Angaben der US-Tageszeitung New York Times derzeit 250.000 Kunden im Land. Musk selbst behauptet, 19.000 brasilianische Schulen mit Internet versorgt zu haben. Fest steht, der Dienst verbindet heute ländliche und selbst abgelegenste Gebiete mit dem Internet. Das wiederum hat Berichten zufolge bei indigenen Gemeinden im Amazonas-Regenwald zu uns nicht unbekannten Problemen geführt.

Nun aber gerät Starlink mehr und mehr zwischen die Fronten der Auseinandersetzung von Elon Musk mit Brasiliens Justiz. Die ermittelt seit geraumer Zeit unter Federführung von Richter De Moraes gegen sogenannte "digitale Milizen". Diesen wird vorgeworfen, während Bolsonaros Amtszeit Desinformation, Hassrede und Bedrohungen für die Demokratie verbreitet zu haben. Durch verschiedene Urteile wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Konten in digitalen Netzwerken gesperrt.

Nicht nur die Plattform X ist betroffen. Brasilianische Richter haben in der Vergangenheit mehrmals den Messengerdienst WhatsApp blockiert, da das zu Meta Platforms gehörende Unternehmen gerichtlichen und polizeilichen Anweisungen nicht nachgekommen war. Im Jahr 2022 drohte De Moraes zudem mit der Schließung des Messengerdienstes Telegram in Brasilien. Auch dieser hat wiederholt Aufforderungen zum Löschen von Profilen und der Weitergabe von Nutzerdaten ignoriert.

Der Streit zwischen Musk und brasilianischen Gerichten hat noch mal eine andere Qualität. Er "verdeutlicht auch die schiere Macht von Herrn Musk und seinem Geschäftsimperium", schreibt die New York Times. "Nachdem er führende Unternehmen aufgebaut oder gekauft hat, die immer mehr Kontrolle über die Art und Weise haben, wie Menschen miteinander in Kontakt treten und kommunizieren, versucht Herr Musk, diesen Einfluss zu nutzen, um sich mit Behörden anzulegen und Gesetze anzufechten, die ihm nicht gefallen."

(akn)