Yahoo: Neue Chefin, alte Probleme

Carol Bartz , die neue Frau an der Spitze des angeschlagenen Internet-Riesen hat eine schwere Aufgabe übernommen. Sie muss die bekannten Probleme des Unternehmens lösen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 12 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • dpa

Die Chefsuche beim Internet-Konzern Yahoo ist abgeschlossen – doch die Zukunft des kriselnden Online-Pioniers ist weiter unklar. Die neue Konzern-Lenkerin Carol Bartz steht vor einer Mammutaufgabe mit vielen Schicksalsfragen. Kann Yahoo überhaupt auf eigene Faust überleben? Sollte das kalifornische Unternehmen sein Online-Anzeigengeschäft verkaufen? Kann aus einem der mächtigen Rivalen wie Google oder Microsoft doch noch ein rettender Partner werden?

Die monatelangen Querelen um eine Übernahme durch Microsoft und ein außergewöhnlicher Exodus von Führungskräften und Entwicklern haben Yahoo-Mitgründer Jerry Yang am Ende zermürbt – und mit ihm ein Stück weit den gesamten Konzern. Nur 18 Monate hielt sich der 40-Jährige im Chefsessel, von dem aus er Yahoo auf Vordermann bringen wollte. Dann warf er unter dem Druck unzufriedener Aktionäre das Handtuch.

Im wichtigen Geschäft mit Werbung rund um die Internetsuche liegt Yahoo weiterhin weit hinter Marktführer Google zurück. Der Gewinn des Portal-Betreibers fiel schon in dem noch relativ heilen dritten Quartal 2008 um fast zwei Drittel auf 54 Millionen Dollar. Zuletzt dürfte die Wirtschaftskrise noch härter zugeschlagen haben. Jeder zehnte der 15.000 Yahoo-Mitarbeiter muss bereits gehen.

Die Ernennung der 60-jährigen Bartz ändere nichts daran, dass sich die Lage bei Yahoo zunehmend verschlechtere, warnte Analyst Ross Sandler von RBC Capital in US-Medien. "Bartz steht ein schwerer Kampf bevor."

Obendrein ist die Managerin trotz ihrer Karriere bei Tech-Firmen im Silicon Valley ein Neuling im reinen Internet-Geschäft. Und noch nie führte sie einen Konzern dieser Größe. Der Software-Spezialist Autodesk, den sie in 14 Jahren an der Spitze vom Nischenanbieter zum Global Player machte, hatte zuletzt halb so viele Mitarbeiter wie Yahoo und weniger als ein Drittel des Umsatzes.

Doch die angriffslustige, nicht selten gar kratzbürstige Managerin zeigte schon bei Autodesk Stehvermögen. Ihre harte Gangart gilt bei vielen Experten als genau richtig in der aktuellen Krise des 1994 gestarteten Unternehmens. "Bartz ist eine Chefin für schwere Zeiten", urteilte Gartner-Analyst Allen Weiner.

Bartz selbst zeigte denn auch gleich nach ihrer Ernennung Zähne: "Ehrlich gesagt, könnte Yahoo etwas Führung vertragen", sagte sie in einer Telefonkonferenz am Dienstagabend. Wie ihr schon einmal als "Weichspüler" charakterisierter Vorgänger Yang damit zurechtkommt, wird spannend. Er will in seiner früheren Rolle des "Chief Yahoo" als eine Art Chef-Berater an Bord bleiben.

Auch die Wettbewerber können sich auf einen härteren Ton gefasst machen. Yahoo werde am Markt einigen "in den Hintern treten", kündigte Bartz umgehend an. Allerdings könnte beim einen oder anderen Konkurrenten eher Diplomatie gefragt sein. Großaktionäre wie der streitbare US-Milliardär Carl Icahn dringen seit langem auf Kooperationen oder einen Verkauf.

Denn noch immer wurmt viele Anteilseigner schwer, dass sie durch Yangs Nein zur Microsoft-Offerte vergangenes Jahr viel Geld verloren. Der Software-Riese hatte für Yahoo mehr als 45 Milliarden Dollar geboten. Heute ist die Aktie nur noch ein Drittel der damaligen Offerte wert.

Microsoft hat im erbitterten Kampf gegen Google gerade erst wieder Interesse zumindest an einem Teilkauf des Suchmaschinengeschäfts von Yahoo signalisiert. Auch mit der kriselnden Online-Sparte AOL aus US-Medienkonzern Time Warner führte Yahoo bereits Gespräche. Die Uhr tickt für Bartz: In zwei Wochen legt Yahoo Quartalszahlen vor – dann wollen Investoren erste Antworten zur Zukunft hören. (Roland Freund und Andrej Sokolow, dpa) / (vbr)