Zahlen, bitte! 596 Kilometer: ein kurzes Date mit Halley

Seite 2: Die ESA auf Kometenbesuch

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Eine Kometenmission war bei der europäischen Raumfahrtagentur ESA (und dem Vorgänger ESRO) seit den 1960ern im Gespräch, aber erst Ende des darauf folgenden Jahrzehnts nahmen diese Pläne langsam Gestalt an. Zunächst war geplant, mit der NASA zusammen eine Mission durchzuführen, was aber aus Kostengründen von den USA verworfen wurde. Fehlende politische Weitsicht und Budgetstreit führte dazu, dass die NASA keine Sonde zum Kometen Halley schickte.

Am 2. Juli 1985 startete eine Ariane 1 mit Giotto an Bord vom Weltraumbahnhof Kourou. Neben der ESA schickten sowohl Russland (Vega 1 und 2) als auch Japan (Sakigake, Suisei) jeweils zwei Missionen zum Kometen. Die kurz vorm Vorbeiflug Giottos aufgenommenen Daten der Vega-Sonden halfen der ESA, Giotto genauer am Kometen heran zu steuern.

Giotto während der Entwicklung. Das Bild erlaubt ohne die Außenhülle einen Blick in die innere Struktur.

(Bild: ESA)

Geplant war eine Durchquerung der über 100.000 km weiten Koma, sowie der kühne Vorbeiflug in nur 500 Kilometern Entfernung zum Kern. Da die Gefahr groß war, dass die Sonde den Vorbeiflug nicht überstand, übertrug die Sonde die Daten direkt.

Ein Kometenschweif, hier geteilt in Staub und Gaspartikel.

(Bild: NASA)

Die Sonde näherte sich am 14.03.1986 unter weltweiter Aufmerksamkeit dem Halleyschen Kometen bis auf 596 Kilometer und arbeitete bis siebeneinhalb Sekunden vor der größten Annäherung einwandfrei. Durch das Auftreffen von Kometenpartikeln und einem durch Ionisierung bedingten Kurzschluss schwer beschädigt, verlor Giotto den Kontakt zur Bodenstation. Die winzigen Teilchen wirkten aufgrund der enormen relativen Geschwindigkeit der Sonde zum Kometen (68,7 km/s) wie Schrapnellpartikel, die selbst dem robust dimensionierten Schild zusetzten.

Etwa 22 Minuten war nicht klar, ob die Sonde wieder arbeiten könnte, dann hatten die Lage-Bordsysteme die Sonde so weit stabilisiert, dass sie wieder mit der Bodenstation Kontakt aufnahm. Die Kamera hatte es besonders erwischt - sie war unbrauchbar. Insgesamt waren zwei Experimente zerstört, vier hatten Teil-Schäden aufzuweisen, vier waren unversehrt. Die Temperaturschwankungen wiesen zudem auf erhebliche Beschädigungen an der Außenhülle hin. Änderungen der Rotationsrate zufolge muss die Sonde beim Teilchenbeschuss über 600 Gramm an Masse verloren haben.

Glücklicherweise blieb die Antriebseinheit intakt. Jetzt kam die Kür: Statt abgeschaltet zu werden kehrte Giotto durch entsprechende Kurskorrekturen als erste Sonde überhaupt aus dem interplanetaren Raum zur Erde zurück, um 1990 ein Swing-By-Manöver zu vollziehen und mit Kurs auf Grigg-Skjellerup einen anderen Kometen anzusteuern. Bei dem erfolgreichen Manöver unterbot Giotto den eigenen Rekord einer Kometenannäherung und näherte sich Grigg-Skjellerup am 10. Juli 1992 auf rund 200 Kilometer an.

Kurz danach hatte die Sonde ihr Missionsende erreicht; Giotto wurde allen Widrigkeiten zum Trotz viel länger als geplant genutzt. Mit den beiden Komet-Annäherungen hat sie nicht nur Rekorde aufgestellt, sondern auch viele wertvolle Daten über Halley gesammelt. Und an ihr testete die ESA Techniken wie den Ruhemodus oder Fly-By-Manöver, die später für den Erfolg der Rosetta-Mission enorm wichtig wurden. (mawi)