EU-Kommission will Crowd- und Clickworker besser absichern
Brüssel sagt dem digitalen Proletariat den Kampf an: Arbeiter, die über Online-Plattformen wie Uber, "Mechanical Turk" oder Deliveroo "auf Abruf" beschäftigt sind, sollen mehr Rechte erhalten.
Gewerkschaften warnen angesichts des Trends zu Crowd- und Clickworking in der sogenannten Gig Economy seit Jahren vor digitalen Billigjobs mit prekären Beschäftigungsverhältnissen, die in eine Art "moderne Sklaverei" führen könnten. Die EU-Kommission hat jetzt reagiert und will es mit einer am Donnerstag auf den Weg gebrachten Gesetzesinitiative auch Arbeitnehmern mit "atypischen" oder gar keinen Verträgen erleichtern, ihre Rechte wahrzunehmen. Sie sollen dazu unter eine neue Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen fallen, die bestehende Auflagen für Arbeitgeber ersetzen soll.
"Recht auf Planbarkeit"
Arbeitnehmer mit unbefristeten Vollzeitstellen haben schon heute in der EU das Recht, zu Beginn ihrer Anstellung schriftlich über ihre Rechte und Pflichten informiert zu werden, die sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergeben. Die Kommission will nun zusätzlich etwa ein "Recht auf bessere Planbarkeit der Arbeit" für Personen einführen, die meist nach einem variablen Zeitplan arbeiten, oder die Möglichkeit, den Arbeitgeber um den Übergang in eine stabilere Beschäftigungsform zu ersuchen und Anspruch auf eine schriftliche Antwort zu haben. Auch ein Recht auf verpflichtende Fortbildung ohne Lohnabzug sieht der Entwurf vor. Probezeiten sollen in der Regel auf sechs Monate beschränkt werden.
Die Kommission will viele neue Betätigungsformen, die von den bisherigen Regeln nicht erfasst werden, in den Geltungsbereich der Richtlinie aufnehmen. Dies betrifft etwa geringfügig Beschäftigte oder solche mit ganz kurzen Arbeitsverträgen. Ausdrücklich mit aufgenommen werden sollen Tätigkeiten, die Über Online-Plattformen wie Amazons "Mechanical Turk", Deliveroo, InnoCentive, Lieferando, LiveOps, Lyft oder Uber vermittelt werden.
Sharing Economy regulieren
Die "Sharing Economy" soll damit also schärfer reguliert werden. Zwar leisteten viele der neuen Arbeitsformen wie etwa Job-Sharing oder von Informations- und Kommunikationstechnik gestützte "mobile Arbeit" einen Beitrag zur Modernisierung des Beschäftigungsmarkts, heißt es von der Kommission. Vor allem Gelegenheitsarbeit sei im Hinblick auf die Bedingungen und den Wettbewerb aber bedenklich.
Vier Millionen bis sechs Millionen Menschen in der EU könnten als Arbeitnehmer "unter prekären Bedingungen" mit geringer Arbeitsplatz- und Einkommenssicherheit, unzureichendem Sozialschutz, kaum Zugang zu Fortbildung und bisweilen monotonen, sich ständig wiederholenden Tätigkeiten gelten, schätzt die Kommission. Neben Crowdworkern gehörten vor allem Hausangestellte wie Putzhilfen, die ebenfalls verstärkt über Online-Plattformen vermittelt werden, zu den besonders schutzbedürftigen Gruppen. In diesen sollen sich für etwa zwei Millionen bis drei Millionen Menschen die grundlegenden Arbeitsbedingungen verbessern.
Ausnahmen möglich
Die Mitgliedstaaten könnten laut dem Vorschlag aber selbst beschließen, "sehr kurze Arbeitsaufträge" von weniger als acht Stunden pro Monat aus dem Geltungsbereich der Richtlinie auszuklammern. Als Arbeitnehmer soll im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gelten, wer "während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen" erbringt, für die er eine Vergütung erhält.
Die Kommission rechnet damit, dass mit dem skizzierten Ansatz insgesamt in der EU bis zu 31 Millionen Beschäftigte Anspruch auf mehr Informationen zu Arbeitsbeginn haben als bisher. Zwischen vier Millionen und sieben Millionen sollen sich dank besserer Planbarkeit um zusätzliche Arbeit bemühen beziehungsweise Beruf und Privatleben besser in Einklang bringen können. Durch den Wegfall von Ausschließlichkeitsklauseln seien auch bis zu 364.000 Arbeitnehmer imstande, sich um zusätzliche bezahlte Nebentätigkeiten zu bemühen. Scheinselbständigkeit werde durch die höhere Transparenz in Beschäftigungsverhältnissen leichter zu erkennen sein.
Unternehmen profitieren
Unternehmen wiederum profitierten von gleichen Ausgangsbedingungen und größerer Rechtssicherheit profitieren, heißt es in Brüssel. Arbeitgeber würden zudem vor viel Verwaltungsaufwand und Bürokratie bewahrt, könnten beispielsweise die vorgeschriebenen Informationen auch elektronisch bereitstellen. Da die Mitgliedsstaaten Vorlagen und Muster zur Verfügung stellen sollten, werde das Verfassen von Arbeitsverträgen erleichtert. Zu weiteren Nutzen zählten eine höhere Mitarbeiterbindung und -loyalität, bessere Arbeitsbeziehungen, weniger Beschwerden und Gerichtsverfahren sowie eine vorteilhaftere Ressourcenplanung und Arbeitsverteilung. Insgesamt würden sich die Maßnahmen "positiv auf die Produktivität auswirken". Der Vorschlag geht jetzt ins EU-Parlament und den Ministerrat, die ihm noch zustimmen müssen.
Zu Arbeitsplätzen und Stellenangeboten in der IT-Branche siehe auch den Stellenmarkt auf heise online:
(vbr)