EU-Urheberrechtsreform bringt den Bundestag "richtig in Wallung"
Die FDP und die Linke forderten ein "kleines Rebelliönchen" der Bundesregierung im Ministerrat gegen Upload-Filter, doch das zeichnet sich nicht ab.
Die Abgeordneten im Bundestag haben sich am Donnerstagabend erneut einen heftigen Schlagabtausch rund um die so gut wie fertige neue EU-Urheberrechtsrichtlinie geliefert. Im Ministerrat, dessen Plazet noch aussteht, habe die Bundesregierung die letzte Chance, ihres bisherigen Fehler im Gesetzgebungsprozess zu korrigieren, mahnte die Linke Petra Sitte. Vor allem der SPD legte sie ans Herz: "Ein kleines Rebelliönchen tut unheimlich gut."
"Nicht jeder Zweck heiligt die Mittel"
Angesichts der massiven Proteste gegen die Novelle hat die große Koalition laut Sitte "gewaltiges Glück, dass es noch keine direkte Mitbestimmung der Bürger gibt". Urheber würden jedenfalls durch die drohenden Upload-Filter nicht besser vergütet. Schwarz-Rot müsse aufhören, "uns für dumm zu verkaufen".
"Geistiges Eigentum ist wichtig, aber nicht jeder Zweck heiligt jedes Mittel", konstatierte Roman Müller-Böhm. Es sei besser, keine Richtlinie zu verabschieden als eine solche schlechte. Die Regierungsfraktionen warnte der FDP-Politiker: "Sie öffnen die Büchse der Pandora" mit der potenziellen Gefahr, dass die Upload-Blockaden "einmal zu Wahrheitsfiltern werden".
Anlass der Aussprache: Die Linke und die FDP haben die Bundesregierung in Anträgen aufgefordert, bei der am 15. April anstehenden Abstimmung im EU-Rat gegen die Annahme der Urheberrechtsrichtlinie zu stimmen. Ihre Kritik richtet sich vor allem gegen Artikel 17 (ehemals 13), durch die Online-Plattformen zum Teilen von Inhalten zum Einsatz technischer Mittel verpflichtet werden, um einer Haftung zu entgehen. Eine Mehrheit im Rat bestehe nur, wenn die Bundesregierung dem Entwurf zustimme, heißt in den Papieren. Sie könne daher noch die Reißleine ziehen und die Chance nutzen, die Diskussion über einen fairen Ausgleich im Urheberrecht anzustoßen.
Unions-Alternative unzureichend
Den Vorschlag der CDU, bei der anstehenden nationalen Umsetzung Upload-Filter durch alternative Vergütungsmodelle wie Pauschallizenzen zu verhindern, hielten die meisten Redner der Opposition für unzureichend. Es sei zweifelhaft, ob die Richtlinie für eine solche Lösung ausreichend große Spielräume biete. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) habe bereits vor einem solchen "Sonderweg" gewarnt, sodass auf EU-Ebene nachgebessert werden müsse.
Die Grüne Tabea Rößner fühlte sich in der Debatte angesichts des Verhaltens der Koalition an Irrlichter erinnert. So werde Vertrauen in Politik zerstört. Justizministerin Katarina Barley (SPD) etwa stimme an einem Tag für Artikel 13 und sagt an einem anderen, dass Upload-Filter keine Lösung seien. Fragen der fairen Vergütung der Urheber kämen dabei zu kurz. Jüngster Vorschlag Barleys: Deutschland soll in einer Protokollerklärung klarstellen, dass nur "marktmächtige" Plattformen wie YouTube oder Facebook Upload-Filter einsetzen sollten. Große praktische Auswirkungen dürfe ein solcher Zusatz aber wohl nicht haben.
Joana Cotar von der AfD sprach angesichts des "ständigen Hin und Her" von einem "absurden Verhalten" von Schwarz-Rot. Nachdem vor allem die CDU das Gesetz gegen das freie Netz gebastelt und sich "vor den Karren der Verlags- und Medienlobby" spannen lassen habe, könne sie jetzt nicht den weißen Ritter spielen.
Internet längst nicht mehr frei
"Werke sollen durch einen digitalen Fingerprint gekennzeichnet werden", damit die Urheber für ihr Schaffen bezahlt werden könnten, erläuterte der Christdemokrat Tankred Schipanski die Idee der Konservativen. Die Plattformen müssten diese Kennungen dann überprüfen. Dieser Ansatz legt allerdings nahe, dass auch für diesen Zweck Algorithmen verwendet werden müssten. "Das Internet ist heute schon nicht mehr frei", ergänzte Alexander Hoffmann (CSU). "Es wird beherrscht von Internetriesen wie Google, Facebook, YouTube." Diese entschieden bereits jetzt mit Filtern, "wer wann was wo wie lange sehen darf"
"Wir werden über ihr Stöckchen nicht springen", wehrte Martin Rabanus (SPD), das "durchsichtige parteitaktische Manöver" aus der Opposition ab. Das erweiterte Leistungsschutzrecht und die Haftung für Plattformen seien richtig. Sein Parteikollege Jens Zimmermann betonte dagegen, dass der Protest sehr viel gebracht habe. Sonst hätte dieses Thema den Bundestag hier heute nicht mehr "richtig zur Wallung" gebracht. Die Diskussion sei vor allem von den Aktivisten sehr gut geführt worden. Die Urheber dürften mit einem Scheitern der Richtlinie aber nicht hinten runterfallen.
Über die Anträge wird nun in den Ausschüssen beraten. Eine sofortige Entscheidung lehnte die Koalition ab. Damit ist es unwahrscheinlich, dass im Plenum noch vor Mitte April über sie abgestimmt wird. Die Initiative Save the Internet hat derweil am Samstag noch einmal zu Demonstrationen gegen Upload-Filter und ein freies Netz in zahlreichen deutschen Städten wie Berlin, Frankfurt, Köln, Hamburg, Hannover oder Nürnberg geladen. So groß wie bei den Protestkundgebungen Ende März vor dem Parlamentsbeschluss dürfte die Teilnahme aber wohl nicht ausfallen.
Appelle an die Landwirtschaftsministerin
Für alle, die wegen Artikel 17 noch ihre Volksvertreter und die Parteien kontaktieren wollen, hat der Blogger Florian Müller einen "Lobbying-Leitfaden" veröffentlicht. Eine Gruppe von rund 120 Künstlern und Kulturschaffenden hat die Abgeordneten in einem offenen Brief aufgerufen, sich bei der Bundesregierung gegen die Richtlinie einzusetzen. "Uns werden keine signifikanten Einkünfte durch diese entstehen", schreiben sie. "Vielmehr wird sie unsere Möglichkeiten, neue künstlerische und kulturelle Werke zu erstellen und einer globalen Öffentlichkeit zuzuführen, erheblich einschränken."
Digitalcourage appelliert parallel an Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), ihre Hand am 15. April im Rat für Landwirtschaft und Fischerei nicht für die Novelle zu erheben. "Urheberrecht ja, aber nicht so", erklärte padeluun, Künstler und Mitgründer der Bürgerrechtsorganisation. Mit dem Vorhaben würden die Rechte der Kreativen geschwächt. Der Aufruf kann mitunterzeichnet werden. (mho)