Experten zur Datenschutzreform: Betroffenen- und Kontrollrechte werden massiv eingeschränkt
Mehrere Sachverständige beklagten in einer Anhörung zu dem Regierungsentwurf, mit dem die neuen EU-Datenschutzregeln in deutsches Recht überführt werden sollen, dass dieser europarechts- oder verfassungswidrig sei.
Frühere und amtierende Datenschutzbeauftragte und Verbraucherschützer haben in einer Anhörung im Bundestag zu der Reform, mit dem die Bundesregierung das Bundesdatenschutzgesetz an die neuen EU-Vorgaben anpassen will, vor allem die geplanten gestutzten Betroffenenrechte als hochproblematisch bezeichnet. "Erheblichen Nachbesserungsbedarf" sah etwa die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff für die vorgesehenen beschränkten Ansprüche von Bürgern, Einblick in über sie gespeicherte Daten zu erhalten und diese gegebenenfalls korrigieren oder löschen zu lassen.
Am Ziel vorbei
Voßhoffs Vorgänger Peter Schaar monierte ebenfalls, dass die Ziele der EU-Datenschutzverordnung an diesem Punkt keineswegs erreicht würden. Der EU-Gesetzgeber habe deutlich gemacht, dass die Betroffenenrechte gestärkt werden sollten. "Bisher kann jedermann von Unternehmen anlasslos Auskunft über verarbeitete Daten verlangen", ergänzte der frühere Datenschutzbeauftragte Mecklenburg-Vorpommerns, Karsten Neumann. Dieses Instrument "verschwindet sang- und klanglos".
Auch Lina Ehrig vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) bereitete dieser Bereich "große Kopfschmerzen". Es gebe "keinerlei Spielraum in der Verordnung" dafür, das Auskunfts- oder Löschrecht "auf den verhältnismäßigen Aufwand einzuschränken". Auch dürften Zwecke der Datenverarbeitung nicht einfach geändert werden, ohne die Interessen aller Betroffenen abzuwägen. Der Gesetzgeber müsse hier aufpassen, "dass nicht eine massive Rechtsunsicherheit eintreten wird". Es dürfe nicht unklar bleiben, ob im Zweifelsfall unmittelbar die Verordnung gelte oder das deutsche Gesetz.
Schlecht lesbar
Schaar sprach von einem "sehr schlecht lesbaren Gesetzeswerk", da er immer wieder die EU-Texte noch einmal daneben legen müsse. Dass die Regierung Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Anwälte oder private Lebens- und Krankenversicherungen von Kontrollen ausnehmen wolle, würde zudem etwa dazu führen, dass besonders sensible Gesundheitsdaten in Krankenhäusern oder bei Sozialversicherungen künftig nur noch lückenhaft geprüft werden könnten. Mit den Klauseln zur erweiterten Videoüberwachung sei zudem zu befürchten, dass Private mit "intelligenten Systemen" bald personenbezogene Profile erstellen könnten.
Voßhoff rieb sich weiter daran, dass die Exekutive die Aufsicht über den Bundesnachrichtendienst (BND) "zulasten meines Hauses und des Bundestages verfassungswidrig einschränken" wolle. Ihre Behörde dürfte sich demnach nicht einmal mehr mit Informationen oder Ersuchen an die parlamentarischen Ausschüsse wenden.
Hartmut Aden von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht sah die Gefahr, "dass wir hinter den vorhandenen Rechtsschutzstandards zurückfallen werden". Dies gelte auch für die Pläne, die begleitende Richtlinie für den Datenschutz bei Polizei und Justiz in deutsches Recht umzusetzen. Es sei hier wenig sinnvoll, den Text aus Brüssel "nur in deutsche Gesetze hineinzukopieren", ohne sie wenigstens an die deutschen Begriffe und Systematiken anzupassen.
Kritik aus der Opposition
Überrascht zeigte sich dagegen der Bayreuther Jurist Heinrich Amadeus Wolff, dass der Entwurf das Bestmögliche aus der komplexen Materie mache und "die Ministerialbürokratie so etwas Schönes hervorbringen kann". Die Klausel zur Videoüberwachung verstoße aber klar gegen das EU-Recht, auch die eingebauten Regeln zum Scoring für die Bonitätsprüfung kamen ihm als Fremdkörper vor.
Andreas Jaspers von der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) sowie der Berliner Rechtsanwalt Carlo Piltz waren sich einig, dass die Regierung "weitgehend praxisgerechte Lösungen gefunden" und das Vorhaben "in Gänze gelungen" sei. Die Linke Petra Pau und der Grüne Konstantin von Notz protestierten scharf dagegen, dass die große Koalition die Reform noch in dieser Woche durch den Bundestag bringen wolle. Angesichts von 70 Änderungsanträgen allein aus dem Bundesrat und den umfangreichen Stellungnahmen der gerade gehörten Experten bleibe da keine Zeit für ein ordentliches Verfahren. (anw)