Im Notfall fährt jeder Traktor autonom
Ein Nachrüstset macht Arbeitsfahrzeuge fit für ferngesteuerte und sogar autonome Rettungseinsätze. Im Praxistest gelang die Bergung von Chemiefässern.
Autonomes Fahren kann die Lösung sein, wenn Helfer sich beispielsweise nach einem Chemieunfall oder bei Explosionsgefahr nicht selbst an den Gefahrenherd wagen können. Ein Forschungsverbund hat für solche Szenarien nun ein Autonomie-KIT (AKIT) für seriennahe Arbeitsfahrzeuge entwickelt. Das AKIT-Nachrüstsystem, das etwa auf dem Dach eines Traktors installiert wird, umfasst Kameras, Laser-Umgebungsscanner, GPS-Empfänger, Kommunikationsantennen und eine Rechnereinheit. Über das CAN-Bussystem (Controller Area Network) kann direkt auf die Fahrzeugfunktionen zugegriffen werden. Damit kann das Fahrzeug dann ferngesteuert fahren. Darüber hinaus sind in der Rechnereinheit Funktionen wie Hinderniserkennung, Streckensuche und autonomes Fahren vorimplementiert. Damit kann ein Traktor dann sogar autonom zu vorgegebenen GPS-Koordinaten fahren.
Am gestrigen Donnerstag demonstrierten Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) gemeinsam mit der Kerntechnischer Hilfsdienst GmbH (KHG) und weiteren Industriepartnern ihr System in Celle. Ihr Szenario: Zwei autonome Fahrzeuge bergen Chemiefässer nach einem Zugunglück. Mit dem AKIT war zum einen ein Claas-Traktor ausgerüstet und ebenso ein Kleinbagger. Begleitet wurden die beiden unbemannten Fahrzeuge von einer Drohne und einem modularem Transportsystem, beide mit Kameratechnik ausgestattet und von einem KHG-Leitstand aus gesteuert. Vom Leitstand aus konnte auch die Fernsteuerung von Traktor und Bagger übernommen werden.
"Ein Vorteil des AKIT-Systems ist, dass im Falle einer Havarie nicht erst teure Spezialfahrzeuge in das Katastrophengebiet geschafft werden müssen, sondern lediglich das Autonomie-KIT", erläutert Projektleiter Professor Dr. Andreas Wenzel, IOSB. Mit dem Nachrüstsystem ließen sich letztlich beliebige konventionelle Bau- und Arbeitsfahrzeuge zu unbemannten und selbsttätigen Bergegeräten umbauen. Zuvor müssten die Techniker allerdings Schnittstellen zur Steuerung der Arbeitsmaschinen aufbauen.
In der Praxisdemonstration fuhren Kleinbagger und Traktor autonom zur Unglücksstelle, der Bagger nahm eine Bodenprobe, wechselte dann autonom sein Werkzeug und platzierte damit ein Giftfass auf dem Anhänger des Traktors, der in diesem Szenario assistierte. Ingenieur Dr. Janko Petereit, IOSB, unterstreicht: "Auch das Finden des Fasses, die Auswahl der Greifstrategie und das Greifen erfolgten autonom, der Operator im Leitstand gab bei dem Test lediglich die Ausführung frei." (agr)