Infrastruktur für autonomes Fahren: Zahlt der Staat am Ende für den 5G-Ausbau?

Einer Studie zufolge lohnt sich der 5G-Ausbau an Straßen für die Provider nur, wenn sie lediglich die Rosinen herauspicken. Die Bundesregierung widerspricht.

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Infratruktur für autonomes Fahren: Zahlt der Staat am Ende für den 5G-Ausbau

(Bild: Iaremenko Sergii/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
Inhaltsverzeichnis

Im Anwendungsbereich hochautomatisiertes und autonomes Fahren muss entlang den Straßen eine Funknetz-Infrastruktur aufgebaut werden, um mit ausreichend niedrigen Latenzzeiten und guter Netzabdeckung Sicherheitsfunktionen gewährleisten zu können.

Die Lizenzkosten für 5G betrugen für die Betreiber in Deutschland 2019 rund 6,6 Milliarden Euro. Hinzu kommen weitere Investitionen für den Aufbau und Betrieb der technischen Infrastruktur. Mit dem Thema "mit 5G die Verkehrssicherheit erhöhen" könnten Mobilfunkbetreiber verschiedene Töpfe der öffentlichen Hand für den Netzausbau anzapfen, wie Recherchen von c’t ergaben.

Die für den Mobilfunkausrüster Qualcomm von dem internationalen TK-Beratungsunternehmen Analysys Mason bereits 2016 erstellte "Study on regulatory options to promote investment in 5G and IoT infrastructure in Europe" liefert ein Motiv für das Interesse der Mobilfunkbranche an neuen Fahrzeugdiensten. Laut der Studie ist es für die Mobilfunkbetreiber in Deutschland aufgrund des sehr dichten Straßenverkehrsnetzes nur rentabel, sich am 5G-Ausbau entlang der Straßen zu beteiligen, wenn sie lediglich 20 Prozent dazu beisteuern müssen und sich dabei wortwörtlich "die Rosinen herauspicken" (engl. "cherry picking") können. Die Studie sorgte in Expertenkreisen für einiges Aufsehen.

Auf Anfrage von heise online hält das Bundesverkehrsministerium die Möglichkeit des Rosinenpickens im Bereich der Autobahnen und Bundesstraßen für ausgeschlossen und im Bereich der übrigen Verkehrswege für "unwahrscheinlich". Die Versorgungsauflagen sehen nämlich vor, dass jeder Mobilfunknetzbetreiber die Autobahnen und Bundesstraßen mit seinem Netz versorgen muss. Mobilfunkbetreiber müssen eine bestimmte Downloadrate (50 bis 100 Mbit/s) für Bundesautobahnen, Bundesstraßen, Landes- und Staatsstraßen erreichen und darüber hinaus für Bundesautobahnen und Bundesstraßen eine Latenz von höchstens 10 Millisekunden sicherstellen, die von 5G erreicht wird. Ein Verstoß könne mit Bußgeldern sanktioniert werden.

Bei den übrigen Verkehrswegen hat die Bundesnetzagentur vorgegeben, dass durch alle Netzbetreiber eine vollständige Abdeckung erreicht werden muss. Telekom, Vodafone und Telefónica haben sich daher Ende 2019 darauf verständigt, 6.000 Masten gemeinsam aufzubauen und zu nutzen. "So werden voraussichtlich alle Kunden dieser Netzbetreiber von der Erfüllung der Versorgungsauflagen profitieren", zeigt sich das Bundesverkehrsministerium optimistisch.

Der Bundestagsabgeordnete Konstantin Notz (Die Grünen) sieht die Regierungspolitik kritisch: "Die Bundesregierung hat sich nie wirklich substanziell mit diesen Fragen und den verschiedenen Wegen, den 5G-Ausbau schnellstmöglich zu realisieren, beschäftigt." Wären die Vergabebedingungen der letzten Frequenzversteigerungen sinnvoll ausgestaltet gewesen, könnten graue und weiße Flecken etwa durch verpflichtendes Roaming der Anbieter, der Vergangenheit angehören. Der staatlich organisierte Bau von Mobilfunkmasten werde sich zudem aufgrund fehlender Expertise und Erfahrungen absehbar Jahre hinziehen, zumal auch die rechtliche Grundlage und beihilferechtliche Legitimation einer Mobilfunkinfrastrukturgesellschafft "äußerst unklar" seien.

Die Grünen-Bundestagsfraktion wies kürzlich in ihrem Antrag zum "Mobilfunk als Daseinsvorsorge" darauf hin, dass die Mobilfunkbetreiber schon ihrer Versorgungsverpflichtung für LTE nicht nachkommen konnten, obwohl sie in den vergangenen Jahren hohe Gewinne erwirtschaften. Deshalb sollte zunächst für einen flächendeckenden Ausbau des LTE-Netzes gesorgt werden, bevor dem 5G-Ausbau Priorität eingeräumt wird. Überdies seien die Vergaberegeln bei der Versteigerung der 5G-Frequenzen unzureichend gewesen.

Laut einer Studie, die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellt worden war, würden auch nach Erfüllen der Versorgungsauflagen und der Zusagen der Mobilfunknetzbetreiber im Rahmen des Mobilfunkgipfels immer noch 4.436 Funklöcher verbleiben, was 8.600 km2 entspräche. Im Übrigen, so die Grünen, sehe das Bundesamt für Strahlenschutz noch immer "offene Forschungsfragen" bezüglich der möglichen Gesundheitswirkungen von 5G.