Kommentar: Glasfaser für alle? Welch ein Unfug!
Glasfaser-Internet ist in Deutschland ein Ladenhüter: Bisher entschied sich nur rund ein Drittel der 2 Millionen möglichen Kunden für die extraschnelle Leitung. Kein Wunder, denn Vectoring ist wirtschaftlich meist sinnvoller, meint Ernst Ahlers.
Unisono fordern alle rasantes Internet für die Gigabit-Gesellschaft: die Unternehmerverbände, die Providerverbände wie der Breko, der Städte- und Gemeindebund und natürlich der Glasfaserverband Buglas. Dabei kriegt immer wieder die Deutsche Telekom ihr Fett weg, weil sie mit Vectoring noch das letzte Bit aus den alten Kupferadern quetschen will, was den zügigen Glasfaserausbau torpediert.
Nur von der Kundenseite ist nichts zu hören. Was Wunder, ein bundesweiter Interessenverband der Internetkunden ist mir noch nicht begegnet. Am nächsten kommt ihm noch der VZBV (Verbraucherzentrale Bundesverband). Doch der hat schon alle Hände voll damit zu tun, dass die Kunden die vertraglich vereinbarte Mindest-Datenrate beim Internetprovider überhaupt eintreiben können. Könnte es etwa sein, dass vielen Nutzern diese Geschwindigkeit auch schon genügt?
Wieviel MBit/s braucht man?
Klar, es gibt draußen auf dem Land und auch in den meisten Städten viele hellgraue bis weiße Flecken, wo das Internet mit wenigen Megabit pro Sekunde oder gar nur mit ISDN-Geschwindigkeit dahintröpfelt. Moderne, bilderlastige Webseiten machen so keinen Spaß, Videostreaming kann man gleich vergessen. Aufs Internet angewiesene Unternehmen müssen sich auch nach der Decke strecken: Sie können ihre Webseiten dann eben nicht lokal hosten, sondern lagern sie bei einem Provider mit schneller Anbindung. Was das wieder kooooohostet!
Kleiner Exkurs Numero 1: Die US-Regulierungsbehörde FCC hat anno 2015 konstatiert, dass man jenseits von 20 MBit/s beim Aufbau komplexer Webseiten keinen Geschwindigkeitszuwachs mehr feststellt. Für einen Full-HD-Videostream in 2K-Auflösung reichen 10 bis 15 MBit/s aus. 4K-Video, was auf typische Sofaentfernung eh keiner von 2K unterscheiden kann, erfordert nicht ganz das Doppelte. Die heute schon mancherorts verfügbaren 100 MBit/s dürften einer vierköpfigen Familie folglich längere Zeit genügen. Das Zehnfache, 1 Gigabit/s, brauchen Privathaushalte in absehbarer Zukunft wohl kaum.
Also auf dem Land nachbessern? Selbstverständlich gern! Wer sich ein preisgünstiges Häuschen mit viel Platz weit draußen gekauft hat, der finanziert aber auch sein schnelles Internet bitte selbst und nimmt notfalls den Spaten kostensenkend in die eigene Hand. Ich wohne in der Stadt und gönne meiner Familie einen erschwinglichen VDSL50-Anschluss. Warum sollte ich über höhere Gebühren den Ausbau auf dem Land subventionieren?
Auch beim Wehklagen der Industrie tropfen viele Krokodilstränen: Das eigene Kapital rühren die meisten Unternehmen nachvollziehbarerweise ungern an. Sie setzen viel lieber darauf, dass die öffentliche Hand ihr Füllhorn über sie ausschüttet und für eine schnelle Leitung ins Gewerbegebiet sorgt.
Teure Buddelei
Denn das wirklich Teure an der Glasfaser ist nicht das Kabel selbst, sondern das Verlegen: Grabungsarbeiten kosten schon auf dem Land rund 100 Euro pro Meter, in der Stadt gern fünf- bis zehnmal soviel. Wenn sich nun 8 Parteien in einem 50 Meter vom nächsten Internetverteiler entfernten Mietshaus die 25.000 Euro über 10 Jahre gestreckt teilen würden, wären das nur rund 25 Euro pro Monat, die zu den ohnehin höheren Grundkosten eines 500- oder 1000-MBit/s-Anschlusses dazu kommen. Aber wer will sich schon so lange an einen Provider binden? Und wer kann alle Nachbarn überzeugen?
Kleiner Exkurs Numero 2: Mein Kollege Georg S. wohnt im eigenen Häuschen. Das liegt in einer ruhigen Seitenstraße eines Gewerbe-Mischgebietes mitten in Hannover. Seine Telefonleitung läuft überirdisch auf Masten. Die Wohngemeinschaft teilt sich einen 8-MBit/s-Anschluss, Kabel-TV gibt es nicht. Das Angebot der Telekom: Für nur 50.000 Euro Nutzeranteil stellen wir an die Einmündung einen Verteiler und legen von dort Glasfaser bis ins Haus (FTTH). Raten Sie mal, wie viele Straßennachbarn sich beteiligen wollten.
Wenn die Schaufelei nicht wäre, ließe sich eine Glasfaser-Infrastruktur auf der letzten Meile wie in den oft gerühmten asiatischen Staaten im Handumdrehen auch bei uns schaffen: Einfach noch eins rauf auf die Masten. Doch das neue Kabel muss teuer unter die Erde. Für mich handelt deshalb die Telekom mit ihrem Vectoring-Ausbau konsequent und wirtschaftlich vernünftig, indem sie die existierende Infrastruktur solange wie möglich weiternutzt.
Kommt Zeit ...
Aber keine Bange, über die Zeit wird die Glasfaser immer näher an alle Gebäude herankriechen und so die durchschnittlich verfügbare Internetgeschwindigkeit hochtreiben. Dann können wir endlich alle mit dem Ferrari zum Brötchen- äh, nein, Mailabholen fahren. (ea)