Missing Link: Von Freier Software und Open Source, von Halloween und dem Basar

20 Jahre "Open Source Software"? Manche Begriffe brauchen wohl eine etwas genauere Erläuterung und historische Einordnung. Und das nicht nur, um Geburtstagsfeiern, sondern auch um die dahinterstehenden Konzepte verstehen zu können.

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Basar, Open Source

Ein wimmelnder Basar der Entwickler, so stellte sich nicht nur Eric S. Raymond Open-Source-Communities vor

(Bild: Free-Photos, gemeinfrei (Creative Commons CC0))

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Was manchem Nerd als seltsames Datum erscheinen mag, hat doch eine gewisse Berechtigung: Vor 20 Jahren, am 3. Februar 1998 durch Christine Peterson oder vielleicht am 5. Februar durch Eric Raymond, wurde der Begriff "Open Source Software" offiziell etabliert. Unmittelbarer Anlass war die Ankündigung der Firma Netcsape, dass eine Entwicklergemeinschaft namens Mozilla.org als "Open Source Community" den Sourcecode des Netscape Navigators weiter entwickeln soll.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Netscape, das Startup-Börsenwunder-Kid, hatte den Browserkrieg verloren und brach zu neuen Ufern der "Net Economy" auf. Auf dem "Netscape Strategy Day" wurde die in- und ausländische Presse von Marc Andreessen über den Umschwung informiert, später durfte Chefentwickler Jamie Zawinski den staunenden Journalisten das Wesen der Open Source erklären.

Der Begriff "Open Source" wurde vor 20 Jahren von der sich dann selbst so benennenden Open Source Initiative (OSI) angenommen, um sich von dem ideologisch besetzten Begriff "Free Software" der 1995 gegründeten "Free Software Foundation" abzusetzen. In Zeiten, in denen selbst Microsoft ein Premium Sponsor der Open Source Initiative ist, ist die Bedeutung der damaligen "Namensreform" heute kaum noch verständlich. Ein Rückblick.

Microsoft war 1998 nicht nur der Sieger im Browserkrieg, sondern aus der Sicht von manchen Entwicklern das Grundübel schlechthin. Eric Raymond, einer der Namensgeber von "Open Source", sollte noch im selben Jahr mit der Publikation der Halloween-Dokumente beginnen. Das waren strategische Überlegungen von Microsoft-Mitarbeitern, was man gegen die Verbreitung von quelloffener Software unternehmen könnte.

Jamie Zawinski stellt 1998 am Netscape Strategy Day die Strategie und Struktur von Mozilla.org vor

(Bild: Detlef Borchers/heise online)

Hauptsächlich ging es dabei um das Betriebssystem Linux von einem Finnen namens Linus Torvalds. Dieser benutzte seit 1996 durchweg den Begriff "Open Source Culture", um die Gemeinschaft der Linux-Entwickler sowohl von der akademischen Informatikerlandschaft wie auch von der Free Software Foundation abzugrenzen und die "Bewegung" zu erklären: Von 1995 auf 1996 explodierte die Zahl der Debian-Entwickler von 60 auf 120 Personen.

Für die deutsche IT-Landschaft war die Namensgebung von 1998 nicht sonderlich wichtig: In der iX wurde Linux ab 1995 abwechselnd als "freies Betriebssytem" oder "quelloffenes Betriebssytem" beschrieben und getestet, lange bevor "Open Source" als fester Begriff kodifiziert wurde. Open war im Umfeld der "Multitaking-Multiuser-Zeitschrift" ohnehin ein entwerteter Begriff: Open Software Foundation, X/open, 880pen, Open Group, die Liste könnte lang und länger werden.

Alle waren unixmäßig unheimlich offen, doch niemand war zur Offenlegung von Quellcode bereit, wie dies schließlich bei Netscape passierte. In seiner Biographie "Just for Fun" schrieb Linus Torvalds im Jahre 2001: "Ich rede über Open Source, seit Journalisten mich darum fragen – das heißt, seit ungefähr fünf Jahren. Früher musste ich endlos erklären, was das Besondere daran sein soll . Und ehrlich gesagt, manchmal war es eine Ochsentour. Als wate man durch Schlamm."

Dennoch war auch für Linus Torvalds die Entscheidung von Netscape ein großes Ding. "Ich fand es wunderbar, dass Netscape diesen Schritt wagte, aber ich betrachtete ihn nicht als persönliche Leistung. Ich weiß noch, dass Eric Raymond die Sache wirklich persönlich nahm und sich unglaublich darüber freute. Sein Artikel The Cathedral and the Bazaar, der die Philosophie und Geschichte der Open Source-Bewegung ausgezeichnet erklärte, war im Jahr davor erschienen und wurde als einer der Gründe für die Netscape-Entscheidung genannt."