Opposition und Bürgerrechtler fordern Gesetz für Corona-App
Vor allem Freiwilligkeit, Zweckbindung und Offenlegung der geplanten Tracing-App müssten gesetzlich festgeschrieben werden, fordern nicht nur Bürgerrechtler.
Immer mehr Vertreter der Zivilgesellschaft und der Opposition drängen darauf, die von der Bundesregierung initiierte App zum Nachverfolgen von Coronavirus-Infektionen gesetzlich zu regeln. Obwohl die nun geplante dezentrale Variante der App die Grundrechte der Bürger tendenziell maßvoll einschränke, blieben auch hier Risiken und offene Fragen, schreibt die Digitale Gesellschaft in einem offenen Brief an die Mitglieder der Bundestagsausschüsse für die digitale Agenda und Gesundheit.
Die Digitale Gesellschaft sieht in dem Schreiben vor allem die Zweckbindung und die Freiwilligkeit der App als problematisch an. Die App dürfe nur dazu dienen, Nutzer schnellstmöglich über einen Kontakt mit einem Coronavirus-Infizierten zu informieren. Der Bundestag solle auch darüber entscheiden, ob der Einsatz überhaupt "geeignet, erforderlich und angemessen ist".Jede "Zusatzfunktion" wie eine "Spende" von Forschungsdaten mache die Anwendung komplexer und könne es vielleicht ermöglichen, Einzelne zu identifizieren.
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Datenschutzrechtliche Risiken
Der gesellschaftliche Erwartungsdruck, die App zu installieren, sei schon jetzt groß, konstatieren die Bürgerrechtler. Auch widersprächen der Freiwilligkeit potenzielle zusätzliche Erleichterungen durch den Einsatz. Geregelt werden müssten zudem praktische Aspekte im Umgang mit den Informationen und Empfehlungen der App und ob etwa überhaupt ausreichende und gesicherte kostenlose Testmöglichkeiten zur Verfügung stünden.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat in einer Studie im Auftrag von Greenpeace ebenfalls herausgearbeitet, dass das Tracing-Konzept der Bundesregierung mehrere datenschutzrechtliche Risiken aufweist. Sie warnen insbesondere vor etwaigem Missbrauch und den rechtlichen Konsequenzen für die Anwender, die durch eine Datenschutz-Folgenabschätzung auszuloten seien. "Die Bundesregierung muss unbedingt sicherstellen, dass der Quelltext von Contact-Tracing-Apps offengelegt wird", betonte die Projektkoordinatorin Pauline Weller. Nur so könne sie gewährleisten, dass die datenschutzrechtlichen Vorgaben erfüllt und keine verborgenen Gefahren enthalten seien.
Kein Nutzungszwang
Mit den Daten der App könne möglicherweise ein Personenbezug hergestellt werden, gibt die GFF zu bedenken; das betreffe insbesondere Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere. Es müsse ausgeschlossen werden, dass mit der Anwendung Quarantäneanordnungen digital überwacht werden können. Die Regierung müsse sicherstellen, dass etwa Arbeitgeber den Einsatz der App nicht anordnen.
Die Regierung und die große Koalition haben bislang nicht vor, die Tracing-Anwendung auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Eine Gruppe um Malte Engeler, Richter am schleswig-holsteinischen Verwaltungsgericht, und die IT-Sicherheitsforscherin Ninja Marnau legte Anfang der Woche von sich aus einen "Vorschlag für ein Gesetz zur Einführung und zum Betrieb einer App-basierten Nachverfolgung von Infektionsrisiken" mit Sars-Cov-2 vor, um den Druck auf die Politik zu erhöhen. Mit einer "Begleitgesetzgebung" müssten die Datenverarbeitung durch die freiwillige Anwendung geregelt, Löschvorgaben aufgestellt und eine "Weiterverbreitung" begrenzt werden.
Akzeptanz stärken
Die Linksfraktion im Bundestag prüft momentan, inwiefern sie den Entwurf übernehmen und ins Parlament einbringen kann. Die Grünen meinen in einem Antrag zu "Demokratie, Bürgerrechte und Zivilgesellschaft in Zeiten der Corona-Krise", "eine eigene gesetzliche Regelung" könne das benötigte Vertrauen und die Akzeptanz der Nutzer in eine Tracing-App stärken.
Die Grünen fordern die Freiwilligkeit des Einsatzes, datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit für denBetrieb und statistische Auswertungen. Der Quellcode müsse offengelegt werden. Zudem drängen die Grünen unter anderem darauf, Rechtskonformität auch bei anderen technischen Ansätzen im Kampf gegen die Pandemie wie bei der "Datenspende-App" des Robert-Koch-Instituts herzustellen und die im Infektionsschutzgesetz enthaltene "Ermächtigungsregelung" zu beschränken. Die FDP-Fraktion spricht sich in einem eigenen Antrag dafür aus, "bei der Entwicklung einer Contact-Tracing-App Bürger- und Freiheitsrechte zu wahren" und sie "so datenschutzfreundlich wie möglich und grundrechtsschützend auszugestalten". (anw)