Ein tieferer Einblick in die Infektions-Tests gegen das Coronavirus SARS-CoV-2
Wie ist der Stand der Tests für das Coronavirus SARS-CoV-2, wie zuverlässig sind sie und was ist von den neuen tollen Schnelltests zu halten?
Dem (Schnell-)Test zur möglichst eindeutigen, frühen Erkennung einer SARS-CoV-2-Infektion kommt ohne Zweifel eine große Bedeutung zu. Diverse Testverfahren mit mehr oder weniger guten Trefferquoten existieren für das neue Coronavirus. Die größte Bedeutung in der frühen Phase hat bei Virusinfektionen gemeinhin der Test mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR), welcher zur Gruppe der sogenannten Nukleinsäure-Amplifikationstests gehört (NAAT: Nucleic Acid Amplification Tests). Wie das geht und wie zuverlässig es ist – das ist das Thema dieses Artikels, aber auch, was die viel gehypten Schnell-Tests machen und was sie taugen.
Zuverlässigkeit
Der PCR-Test ist, wie eigentlich alle Testverfahren, aus verschiedenen Gründen nicht zu 100 Prozent zuverlässig, darauf weist auch das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinen "Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2" hin:
„Ein negatives PCR-Ergebnis schließt die Möglichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht vollständig aus. Falsch-negative Ergebnisse können z.B. aufgrund schlechter Probenqualität, unsachgemäßem Transport oder ungünstigem Zeitpunkt (bezogen auf den Krankheitsverlauf) der Probenentnahme nicht ausgeschlossen werden.“
Mögliche Fehlerquellen gibt es also bei der Vorbereitung des Testbestecks, beim Abstrich, beim Transport, aber auch bei der Labordiagnose. Die erstgenannte Fehlerquelle wurde in Deutschland in einem anderen Zusammenhang unter dem Namen Wattestäbchen-Desaster berühmt-berüchtigt: Damals stellte sich heraus, dass eine Mitarbeiterin einer medizintechnischen Firma die Wattestäbchen für DNA-Abstriche mit der Hand angefasst hatte – so wurde sie als Phantom in mehr als einem Dutzend schwerer Verbrechen (darunter mehrere Morde) an verschiedenen Orten über die DNA-Analyse fälschlich als „Täter“ identifiziert. Das war offenbar kein Einzelfall, ähnliches wiederholte sich dann später noch einmal im Zusammenhang mit Taten der NSU.
Auch beim Abstrich selbst muss man sehr sorgfältig zuwege gehen. Da sich das Virus wahrscheinlich zunächst im Rachen und später in der Lunge vermehrt, sollten zur Erfassung möglichst Entnahmen von Proben aus den oberen Atemwegen (Abstrich aus Nase und Rachen, beides für den Patienten kein Vergnügen) und den unteren Atemwegen (Sputum, Trachealsekret, Flüssigkeit aus broncho-alveolärer Lavage …) erfolgen. So steht es jedenfalls in den Empfehlungen des RKI.
Ob da Do-it-yourself in Frage kommt, wie es einige Testcenter inzwischen anbieten, muss doch arg bezweifelt werden. Deren Tests beschränken sich zudem meistens auf einen Tupfer, den man tief in den Rachen schieben soll. Dann sollten die Proben sicher formgerecht verpackt und wenn möglich gekühlt versendet werden. Der Transport sollte aber keinesfalls länger als 72 Stunden dauern, ansonsten wäre Trockeneiskühlung angesagt.
Die Polymerase-Kettenreaktion
Die PCR (Polymerase Chain Reaction, deutsch: Polymerase-Kettenreaktion) ist ein molekularbiologisches Verfahren, mit dem kurze DNA-Abschnitte – in diesem Fall bestimmte Gene des Erbgutes von SARS-CoV-2 – vervielfältigt und nachgewiesen werden können. Zur Durchführung werden neben dem Probenmaterial (Template) zunächst einmal ein hitzestabiles Enzym namens DNA-Polymerase benötigt, das eine DNA-Synthese bewirkt. Dann braucht man sogenannte Primer, das sind kurze, den gesuchten DNA-Sequenzen entsprechende Abschnitte von Nukleinsäuren, die als Startsignal der DNA-Synthese dienen. Und schließlich braucht man die Materialien für die Kettenreaktion, also die als Bausteine für die DNA-Synthese benötigten einzelnen Nukleotide. Das sind die vier Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin (ATGC) sowie Zucker (Desoxyribose). Das Ganze kommt dann in einen "Brüter", den sogenannten Thermocycler. Das ist eine Art Thermomix (ohne Messer) mit programmierbaren Zeiten und präzisen Temperaturen. Es gibt noch weitere technisch notwendige Komponenten, die seien der Einfachheit halber hier weggelassen.
Das Verfahren nutzt den Effekt, dass sich der DNA-Doppelstrang bei einer Temperatur von etwa 95 °C in seine beiden Einzelstränge aufteilt (Denaturierung). An den dadurch zugänglichen Nukleinsäuren der Proben-DNA können sich die Primer anlagern (Annealing), von denen bei einer bestimmten Temperatur eine DNA-Synthese durch die DNA-Polymerase ausgehen kann (Elongation). Dieser Vorgang wird durch fortlaufende Temperaturwechsel-Zyklen im Thermocycler wiederholt, wobei sich bei jedem Zyklus die Menge der gesuchten DNA theoretisch verdoppelt (in der Praxis ist es leider nicht ganz so einfach).
Nach typisch etwa 40 bis 45 Zyklen ist eine für den Nachweis ausreichende Menge gesuchter DNA synthetisiert worden, was etwa ein bis zwei Stunden dauert. In den Thermocycler kommt bei Massentests aber nicht nur eine Probe, sondern gleich ein größeres Ensemble von 48, 96, 192 … bis zu 3072 Proben, je nach Größe der Anlage. Die meisten Thermocycler nehmen Testplatten für 96 Proben auf.
Zu der Zeit für die reine DNA-Synthese addieren sich dann noch die Vor- und die Nachbereitungszeiten, die dann auch abhängig von der Anzahl der Laborassistenten sind; zum Teil können diese Arbeiten bei mehreren Anlagen überlappend im Fließbandverfahren durchgeführt werden. Die übliche Zeit für den Testdurchgang mit einem Gerät und 96 Proben (wovon noch nötige Kontrollen abgehen), kann man so über alles mit 4 bis 5 Stunden ansetzen, das macht im Durchsatz etwa 20 bis 24 Tests pro Stunde. Für jeden Probanden sollte man aus Qualitätsgründen eigentlich zwei Reaktionen vorsehen, was diesen Wert dann halbiert. Zudem sollen pro zu testender Person ja laut RKI 3 Proben entnommen und getestet werden. All das sind reine Laborzeiten, dazu addiert sich Entnahme und Transport.
Bei der Charité gehen die positiven Proben beziehungsweise ein Teil davon weiter zu einer genaueren Bestimmung mittels RNA/DNA-Genomsequenzierung Das geschieht in einem eigenen Labor auf dem Campus, bestückt mit großen Sequenzern (meist von Applied Biosystems/Thermo Fisher). Das Bestimmen und Auswerten der kompletten Sequenz mit über 100 Genen dauert natürlich deutlich länger und ist deutlich aufwendiger, es hilft vor allem, die lokale Verbreitung bestimmter Mutationen des Virus zu verfolgen (sogenannte phylogenetische Analyse). Bislang bestimmte Sequenzen findet man in einer Gen-Datenbank. Manche Musiker nutzen die Sequenzen aus ADGC etwa mit dem zum D umklarierten T des Thymins für eine musikalische Interpretation (Gen-Sonographie).