Radikalisierte Debatten: Lammert empfiehlt "Denkpausen" in den sozialen Medien
Von Debatten in den sozialen Medien hält Norbert Lammert nicht viel. Statt emotional zu reagieren und gleich zu tippen, sollten die Diskutanten erst nachdenken.
Der CDU-Politiker Norbert Lammert bezweifelt, dass die sozialen Medien eine sinnvolle Informationsquelle oder überhaupt ein geeigneter Ort für Debatten sind – jedenfalls nicht für das, was Lammert sich unter Debatten vorstellt. Er beobachte bei politischen Diskussionen eine zunehmende Radikalisierung, die vor allem durch spontane und emotionale Reaktionen entstehe, sagte Lammert in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Denkpause, bevor man etwas sagt oder schreibt
Der langjährige frühere Bundestagspräsident und jetzige Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung empfiehlt bei aufkommendem Ärger in einer politischen Debatte, erst einmal nicht zu reagieren und "sich bei emotionalen Aufwallungen eine Denkpause zu genehmigen, bevor man etwas sagt oder schreibt". Das trage zur Deeskalation eines Konflikts bei.
Lammert selbst ist in den "so genannten sozialen Medien" nicht aktiv und benötige diese Plattformen auch nicht "als Ergänzung oder scheinbare Vervollständigung notwendiger Informationen". Außerdem fehle er dort offensichtlich auch gar nicht.
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Soziale Medien: "Kurztaktigkeit" verhindert ernsthafte Debatten
Soweit Lammert Auseinandersetzungen auf Facebook, Twitter & Co beobachtet, fände dort nur selten ein Gedankenaustausch statt, der seinen Ansprüchen an eine Debatte genüge. Letztere beinhalte für Lammert, "anspruchsvollen Fragen in ernsthafter Weise nachzugehen". Doch alleine "die Kurztaktigkeit der Formate, wie man sie bei sozialen Medien vorfindet", schließe genau das regelmäßig aus, sagte Lammert.
Bundespräsident Steinmeier möchte, dass die Politik besseren Gebrauch von neuen Medien macht. Demokratie benötige zudem Journalismus mit verlässlichen Quellen.
An seine Empfehlung zu Gelassenheit angesichts von Ärger über politische Debatten hielt sich Norbert Lammert selbst jedoch nicht immer: Als Bundestagspräsident empörte er sich 2017 in einem anderen Interview über eine "zunehmende Verrohung der Umgangsformen" in den sozialen Medien, "die jeder Beschreibung spottet und die die Mindestvoraussetzungen eines zivilisierten Umgangs konterkariert". Seinerzeit fand er es "in keiner Weise hinnehmbar", was politische Abgeordnete in Bundestag und in den Kommunen zum Teil täglich an Verleumdungen, Beschimpfungen und Gewaltandrohungen erlebten – und forderte als Konsequenz ein härteres Vorgehen gegen Hasskommentare im Internet.
Für solche Delikte solle es ein Mindeststrafmaß geben, verlangte Lammert damals, wodurch zugleich Strafverfahren nicht mehr wegen vermeintlicher Unerheblichkeit niedergeschlagen werden könnten. Lammert stellte in diesem Zusammenhang klar: "Ich rede also von Sanktionen, nicht von Argumentation." Diese erreiche nämlich die Urheber von Hass-Angriffen kaum noch. (tiw)