Vor 30 Jahren: Online-Banking startet in Deutschland
Das BTX-Angebot zum Online-Banking war so erfolgreich, dass lange nach dem Aus für BTX die Banking-Schnittstelle erst 2005 in den Ruhestand geschickt wurde. Bis zum Schluss war das Online-Banking per BTX allen Unkenrufen zum Trotz ein sehr sicheres System.
Heute vor 30 Jahren startete die Deutsche Bundespost in Bonn einen Bildschirmtext-Feldversuch mit fünf angeschlossenen externen Rechnern. Neben den Versandhäusern Otto, Quelle und Neckermann und den Fliegern von TUI war die Verbraucherbank (heute Norisbank) ein Teilnehmer des Experimentalangebotes. 200 Kunden in der Testregion Neuss/Düsseldorf konnten das Angebot nutzen, unter *300# ihre Überweisungen online durchzuführen. Das BTX-Angebot war in der Folgezeit so erfolgreich, dass lange nach dem Aus für BTX die Banking-Schnittstelle erst 2005 in den Ruhestand geschickt wurde.
"Unsere Kunden praktizieren die Selbstbedienung schon seit Jahren", warb die Verbraucherbank selbstbewusst zum Start des Online-Bankings via BTX. Aus heutiger Sicht war die Bank der Zeit weit voraus. 1976 hatte dort der technische Leiter Alfred Richter das PIN/TAN-Verfahren erfunden und eingeführt, das ursprünglich bankintern Mitarbeiter schützen sollte, die ein Konto bei der eigenen Bank hatten. 1977 führte er das SB-Banking ein, mit Sachbearbeiter-Terminals, die nach Schalterschluss mit dem Hubwagen in den Vorraum der Filiale gerollt wurden. Im selben Jahr installierte die Verbaucherbank einen der weltweit ersten Geldautomaten, bei dem alle Kunden mit Kundenkarte und PIN Geld abheben konnten. 1978 führte Richter Electronic Cash mit Kundenkarten des technischen Kaufhauses Brinkmann in Verbund mit einer Kundenkarte samt PIN ein. Auf Basis dieser Erfahrungen entstand das Online-Banking, lange vor entsprechenden Installationen in den USA. Mit dem Start des Systems warb man ein Jahr später mit dem Slogan "Meine BANK im Wohnzimmer". Zu diesem Zeitpunkt hatte die Verbraucherbank bereits 2000 Kunden, zum offiziellen Start von BTX im Jahre 1983 verdoppelte sich die Zahl. Der große Erfolg des Online-Bankings führte dazu, dass man völlig unrealistische Zahlen ausgab. 1984 wollte man 300.000 Teilnehmer im BTX-System haben, 1987 die Million erreichen. Tatsächlich verfügten Ende 1984 nur 38.894 Haushalte über ein BTX-System; die 300.000er-Grenze wurde erst 1991 übersprungen.
Technisch beruhte das erste Online-Banking auf einem Login mit Nutzernamen und Kennwort (mindestens 10 Stellen) sowie einer Liste mit "Geldtransaktionsnummern", die jeweils für eine Überweisung eingegeben wurden und danach ungültig waren. Das System wurde vor allem von Kleinbetrieben benutzt. Neben der Verbraucherbank richteten viele Banken und Sparkassen ein BTX-Angebot ein. Bis zum offiziellen Ende des Bildschirmtextes im Jahre 1999 blieb das Online-Banking die dominierende Anwendung. Tatsächlich lief BTX wegen zahlreicher wechselunwilliger Bankingkunden als "T-Online Classic" munter weiter und wurde erst am 10. Mai 2007 während einer feierlichen "Power Off"-Veranstaltung in Ulm abgeschaltet. Bis zum Schluss war das Online-Banking allen Unkenrufen zum Trotz ein sehr sicheres System, auch wenn frühzeitig durch eine Protestaktion ein anderer Eindruck entstand: Im November 1984 erleichterte der Chaos Computer Club mit einem Trick die Hamburger Sparkasse (Haspa) um 135.000 DM: Die Hacker ließen die Haspa für jeweils 9,97 Mark 14 Stunden lang den kostenpflichtigen Text "Es erfordert ein bemerkenswertes Team, den Gilb zurückzudrängen" abrufen. Mit Gilb war die deutsche Bundespost gemeint, der Betreiber des BTX-Systems, den Hacker wegen seiner restriktive Modem-Zulassungspraxis hassten. Die Protestaktion war alles andere als ein Einbruch in die Bank, sondern mehr eine Spaßaktion wie jene der bayerischen Hacker, die danach die aufgeregte Presse zur Vorführung eines Bankeinbruches einluden, bei der eine Schulbank unter dem Gewicht der Hacker brach. (jk)