Voss auf der re:publica: Ganze Generation wegen Urheberrechtsreform frustriert
Der "Vater" der EU-Urheberrechtsnovelle, Axel Voss, hat sich auf der re:publica einen Schlagabtausch mit Markus Beckedahl von Netzpolitik.org geliefert.
Der Vorhang fiel und viele Fragen blieben offen: Bei einem Streitgespräch am Dienstag auf der re:publica redeten der Verhandlungsführer zur Urheberrechtsrichtlinie im EU-Parlament, Axel Voss, und der Gründer von Netzpolitik.org, Markus Beckedahl, über weite Strecken aneinander vorbei. Auf viele Hinweise auf Probleme, die mit der Reform verknüpft sein könnten, erklärte der CDU-Politiker nur pauschal: "Wie sollen wir es sonst regeln?" Wenn nicht so, wie im Text mit der Haftung für Plattformbetreiber und Upload-Filtern, "müsste man das Urheberrecht aufgeben".
Urheberrecht passt nicht aufs Internet
Einig waren sich die beiden Widersacher in der Grundanalyse, dass das Urheberrecht als solches auf das Internet nicht mehr passe. Voss bezog diese Aussage aber auf Online-Portale wie YouTube, "die ein Geschäftsmodell haben, wo jeder alles hochladen kann". Beckedahl beklagte dagegen, dass "viele alltägliche Praktiken" der Nutzer im Netz illegal seien: "Wir wollen unbeschadet im Netz publizieren können." Jetzt heiße es aber wohl wieder 16 Jahre lang zu warten, bis ernsthafte Debatten über die nächste große Reform starteten.
Viele Urheberrechtsexperten hätten ihm etwa erklärt, dass es auch mit der Ende März beschlossenen Novelle nach wie vor problematisch sein könnte, ein "Jean-Luc Picard"-Facepalm etwa in sozialen Netzwerken zu verbreiten. Heute sei dies in Deutschland jedenfalls illegal, auch künftig gäben die neuen Nutzerfreiheiten in der Richtlinie dazu nicht viel her. Ein Livestream, in dem ein entsprechendes Bild hochgehalten werde, müsse künftig von den Plattformbetreibern wohl abgebrochen werden.
Voss hielt dagegen: "Erlaubt sind Memes ohnehin." Sie seien autorisiert durch die einschlägige Ausnahme vom exklusiven Verwerterrecht mit den neuen Bestimmungen. Sollte trotzdem etwas schieflaufen, greife ein Beschwerdemechanismus. Beckedahl war sich trotzdem unsicher, "ob ich mich auf Ihre Expertise verlassen sollte". Diese habe schon bei der Behauptung versagt, dass Nutzer fremde Texte auf einer privaten Homepage einfach veröffentlichen dürften. Auf eine Beschwerde erhalte man zudem sicher erst nach einem Monat überhaupt eine Antwort.
Mit der Schrotflinte gegen YouTube
Der Gesetzgeber müsse endlich anerkennen, "dass wir alle zu Urhebern geworden sind", forderte der Mitgründer der Internetkonferenz ein vereinfachtes Copyright. Nun hätten die EU-Gremien aber mit der Schrotflinte auf YouTube geschossen und "das halbe Internet mitgetroffen". Eine Upload-Plattform gelte schon als kommerziell, wenn sie mit einem Werbebanner ihre Serverkosten wieder einzuspielen versuche. Damit falle sie unter die neuen verschärften Haftungsregeln, wenn sie älter als drei Jahre sei. Unklar sei auch, wie etwa ein "halbprofessioneller Fotograf" an den vorgesehenen höheren Lizenzeinnahmen über große Plattformen partizipieren könne, wenn dieser nicht einmal in einen Berufsverband oder eine einschlägige Verwertungsgesellschaft eintreten könne.
Voss zog sich dagegen auf die Position zurück: "Wir geben nur eine Anleitung vor, wie man rechtmäßig mit dem Urheberrecht umgeht." Den Rest könnten die nationalen Gesetzgeber in den Mitgliedsstaaten nun regeln. Dazu kämen aus der Netzgemeinde aber wieder mal keine praktischen Vorschläge. Dass es damit auch wieder zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Vorschriften kommen könne, schloss der Christdemokrat nicht aus. Die EU-Länder seien aber gedanklich noch nicht soweit gewesen, eine direkt in der ganzen Gemeinschaft geltende Verordnung mitzutragen.
Der Berichterstatter, der derzeit für seinen Wiedereinzug ins Parlament kämpft, verstrickte sich auch in Widersprüche. So betonte er einmal erneut: "Upload-Filter stehen überhaupt nicht im Text." Andererseits erklärte er: "Wenn in der Minute 400 Stunden Videos hochgeladen werden, kommen Sie um technische Maßnahmen nicht herum." Wer ein solches Modell habe, "kann nur noch Identifizierungssoftware nutzen". Dafür gebe es auch eine "Sorgfaltspflicht" der Betreiber: "Eigentum ist geschützt. Wir wenden dies nur an." Es sei aber zugleich nichts falsch an den Vorschlägen seiner Partei, pauschale Lizenzmodelle zu entwickeln, um das Verfahren zu vereinfachen.
Eine ganze Generation frustriert
Insgesamt hält sich bei Voss nach eigenen Angaben "aufgrund der Gegenwehr" das Gefühl der Genugtuung über den Beschluss der heftig umkämpften Richtlinie "in Grenzen": Die Reform lasse so "eine Generation in Frustration zurück". Er würde es sich daher aus jetziger Sicht "stark überlegen, ob ich noch mal den Berichterstatter machen würde". Zum Glück beruhige sich die Aufregung über das Vorhaben, das an sich "gar nicht so schlimm" sei, inzwischen "ein wenig". Sollte es "zu Übertreibungen kommen", müsse die Politik "schnell darauf reagieren". Generell stehe er hinter dem, "was wir dort gemacht haben". (mho)