10 Gigabit pro Sekunde über Kupfer

Seite 4: Kabelfragen

Inhaltsverzeichnis

Das Twisted-Pair-Kabel konfrontierte die IEEE-Ingenieure bei den schnellen Ethernet-Varianten mit Phänomenen wie Crosstalk und Signaleinstreuungen. Auch unerwünschte Abstrahlungen sind nach internationalen Normen begrenzt. Diese Effekte waren schon bei der 1-GBit/s-Ethernet-Entwicklung eine Herausforderung, sodass das IEEE den PHY fürs TP-Kabel seinerzeit zunächst ausklammerte und einer gesonderten Arbeitsgruppe übergeben hat, die dann nahezu zwei Jahre am 802.3ab-Standard feilte.

10GBASE-T stellt eine noch höhere technische Hürde dar – gewiss einer der Gründe für seinen dreieinhalbjährigen Standardisierungsprozess. Beispielsweise muss die Echo-Kompensation um 25 dB (Leistungsfaktor von 316) besser arbeiten, und die Analog/Digital-Wandler im Empfänger müssen drei bis vier Bit mehr Auflösung bei 6,4facher Wandlungsrate liefern.

10-GBit/s-Ethernet setzt TP-Verkabelung mit 500 MHz Grenzfrequenz voraus. Bei Gigabit-Ethernet ist es gerade mal ein Achtel (62,5 MHz). Zwar plante die 802.3an-Arbeitsgruppe ursprünglich, 10GBASE-T auf CAT5e-Kabeln zu realisieren, was wegen dessen zu niedriger Grenzfrequenz aber auf keinen Fall klappt (zu den Kabelkategorien siehe Klassen und Schirme). Während der 10GBASE-T-Entwicklung zeigte sich, dass auch die nächstbessere Sorte CAT6 noch nicht reicht. So entschied sich das Gremium, die Kategorie 6 in weitere Klassen zu teilen: das originale CAT6 mit einer Grenzfrequenz von 250 MHz, das erweiterte CAT6e für 500 MHz sowie CAT6a mit bis zu 625 MHz.

Über CAT6a-Kabel schafft 10GBASE-T die angestrebten 100 Meter, über die CAT6e-Variante immerhin noch 55 Meter. Hintergrund der Aufteilung in 6a und 6e ist eine Statistik des Ingenieurbüros Mazzetti and Associates. Nach der weisen 82 Prozent von 15.000 überprüften Installationen Strecken von maximal 45 Metern auf, sodass ein großer Teil der Nutzer mit dem etwas günstigeren CAT6e-Kabel auskommen könnte.

CAT6a und CAT6e bestehen wie ihre Vorgänger aus acht Adern, die paarweise verdrillt sind. Jedes Paar trägt ein komplementäres Signal. Die Verdrillung reduziert unerwünschte Abstrahlungen und den Einfluss von außen induzierter Störungen. Wie gut die Verdrillung wirkt, hängt allerdings von ihrer Homogenität und der Laufweite, dem Abstand der Dreher im Paar, ab. Bei den neuen Kabelmodellen verkürzen die Hersteller die Laufweite drastisch. Außerdem haben die Aderpaare unterschiedliche Laufweiten. Weil damit kein Gleichlauf zwischen den Aderpaaren mehr auftritt, nehmen die unvermeidlichen Störungen innerhalb des Kabels ab: Die gegenseitige Beeinflussung mittelt sich über die Länge heraus.

Ein mechanischer Trenner im CAT6a-Kabel – im Bild die ungeschirmte Variante – hält die Aderpaare auf Abstand und reduziert so das Übersprechen. Der Kabeldurchmesser wächst auf acht bis neun Millimeter.

Ein Kreuzsteg (Separator) zwischen den vier Paaren sorgt dafür, dass diese sich nicht zu nahe kommen, was gegenseitiger Beeinflussung ebenfalls vorbeugt. So wächst der Kabeldurchmesser allerdings von knapp sechs auf acht bis neun Millimeter. Die Installationshinweise der Hersteller sind genau zu beachten, etwa bezüglich der Biegeradien. Bei CAT6a gilt typischerweise als zulässiger Radius mindestens der achtfache Außendurchmesser beim Einziehen, der vierfache Durchmesser bei fester Verlegung. Werden diese unterschritten, können sich die Aderpaare näher kommen und erhöhtes Nebensprechen auftreten.

Als RJ45-Verbinder kommt entweder die ungeschirmte Version nach IEC 60603-7-4 oder die geschirmte Variante nach IEC 60603-7-5 zum Einsatz. Bei deren Anschluss ist entscheidend, dass die Verdrillung der Aderpaare und die Schirmung so weit wie möglich erhalten bleibt. Für Letztere ist eine niederimpedante Anbindung unverzichtbar.

Klassen und Schirme

Die Electronics Industries Association/Telecommunication Industry Association (EIA/TIA) teilt Twisted-Pair-Kabel in sieben Kategorien mit elektrischen Mindestanforderungen ein. Hauptmerkmal jeder Kategorie ist ihre maximale Übertragungsfrequenz, bei der für Fast- und Gigabit-Ethernet ausreichenden Kategorie 5 (CAT5) beispielsweise 100 MHz. Kategorie 6 schafft 250 MHz und Kategorie 7 schließlich 600 MHz. Die europäische Norm EN50173 respektive die internationale ISO/IEC 11801:2002 stuft TP-Kabel in die Klassen A bis F ein, deren Eckdaten mit denen der Kategorien 1 bis 7 vergleichbar sind. Klasse D entspricht beispielsweise CAT5, Klasse F der Kategorie 7.

Optionale Schirme reduzieren von außen kommende Störungen und unerwünschte Abstrahlungen. Dabei gibt es mehrere, verschieden wirksame Bauformen: UTP (Unshielded Twisted Pair) besitzt keine Schirme, also auch keinen zusätzlichen Schutz über die Verdrillung hinaus, ist aber günstig und lässt sich leichter verlegen als die geschirmten Varianten.

Liegt ein Schirm um jedes Aderpaar, heißt das Gebilde Unshielded/Foiled Twisted Pair (U/FTP, auch PiMF, Pair in Metal Foil). Bei der Variante S/FTP (Screened/Foiled TP) kommt noch ein zusätzlicher Schirm aus metallisierter Folie plus Kupfergeflecht um das gesamte Bündel. S/FTP bietet die beste Immunisierung gegen Störungen von außen sowie der Paare untereinander. In den USA kommt überwiegend UTP zum Einsatz, hierzulande gibt man U/FTP respektive S/FTP den Vorzug.