Anleitung: HiFi-Verstärker restaurieren, Teil 2

Seite 2: Vorbereitung und Fehlerbild

Inhaltsverzeichnis

Bevor wir nun den Signalweg durch die Baugruppen des Verstärkers Schritt für Schritt nachverfolgen, sind erst einmal ein paar allgemeine Hinweise zur Vorbereitung fällig. Wenn man weiß, was mit dem Gerät passiert ist, dass es beispielsweise einen Kurzschluss am Lautsprecher-Eingang gegeben hat, kann man den Fehler besser eingrenzen. Oft spart auch eine Suche im Web anhand Fehlerbeschreibung und Typenangabe viel Arbeit. Denn bei manchen Geräten treten nach einer gewissen Zeit typische Fehler auf, die bereits in Elektronikforen behandelt werden. Falls wie so oft nur eBay-Angebote unter den vorderen Treffern auftauchen, hilft der Zusatz "Forum" bei der gezielten Suche. Auch Einsteiger haben so die Chance, einen vielleicht schwer zu findenden Fehler zu beseitigen. Beispiele für einige einschlägige Fachforen haben wir verlinkt: HiFi-Forum und Elektronikforum.

Tipp

Der Betrieb eines geöffneten Verstärkers kann mit Brummen oder anderen Störungen verbunden sein. Das Gehäuse dient als Abschirmung.

Ein defektes Bauteil auszulöten und es gegen ein Neues zu ersetzen ist einfach, die Ursache für den Fehler zu finden hingegen zeitaufwendig und oftmals kompliziert. Falls man auf diesem Wege kein Glück haben sollte, so führt im Rahmen einer systematischen Fehlersuche kein Weg daran vorbei, ein Servicemanual aufzutreiben. Auch nach den Datenblättern der verbauten Halbleiter sollte man im Web Ausschau halten. Denn man kann die eigenen Messungen nur dann richtig interpretieren, wenn man das entsprechende Bauelement kennt.

Datenblätter recherchieren

Die Typenbezeichnung des Bauteils (ohne Leerzeichen) bei der bevorzugten Suchmaschine eingeben, gefolgt von "data sheet" bzw. "datasheet". Werden unter den ersten Treffern mögliche Hersteller gelistet, sind dieses die besten Links, da man dort auch immer Datenblätter im PDF-Format vorfindet und zusätzlich weitere Informationen wie zum Beispiel Produktionsstatus ("active", "EOL" – "end of life", "not for new designs" oder "obsolete"), Vergleichstypen, Lieferanten/Distributoren oder zum Teil sogar Preise. Die häufig anzutreffenden Datenblatt-Datenbank-Anbieter sind nicht immer seriös. Bei manchen handelt es sich um reine Lockseiten, die kostenpflichtige Dienste anbieten wollen, andere sind gute und kostenlose Quellen auch für alte und abgekündigte Bauteile. Mit etwas Erfahrung erkennt man die schwarzen Schafe und das Datenblatt zu finden wird zur Routine.

Bevor man den Deckel des Geräts abschraubt, muss man sich klar machen, dass man es stellenweise mit lebensgefährlichen Spannungen zu tun hat. Bei jeder Messung, bei der das Gerät am Netz angeschlossen sein muss, ist dies immer zu berücksichtigen. Die wichtigsten Tipps zur Sicherheit enthält der Artikel zur Fehlersuche im Netzteil.

Einige Defekte werden erst auf einer halbwegs sauberen Platine erkennbar, deshalb sollte man sie als erstes mit Staubsauger oder Druckluft gut reinigen. Vor dem Anschließen unbedingt einen kritischen Blick auf die Platine werfen: Sind Bauelemente mit Auffälligkeiten wie Verformungen, abgesprengten Gehäusekanten oder Verfärbungen erkennbar? Sind Leiterbahnen womöglich weggebrannt? Ist ein verbrannter Geruch wahrnehmbar? Nur wenn nichts dergleichen auf den ersten Blick zutage tritt, kann man einen Probelauf starten. Das Verhalten des Verstärkers ist dabei genau zu beobachten, um bei etwaigen Rauchzeichen sofort den Stecker wieder zu ziehen.

Ein defekter Verstärker sollte zunächst ohne Eingangssignal und ohne Lautsprecher angeschlossen werden. Wenn der Verstärker im eingeschalteten Zustand keinerlei Anzeichen von sich gibt, die darauf hindeuten, dass er mit Strom versorgt wird, also keine einzige Anzeige leuchtet und gar nichts passiert, so ist der Fehler im Netzteil zu vermuten.

Vor dem Anschließen der Lautsprecher muss man mit dem Multimeter kontrollieren, ob an den Verstärkerausgängen keine Gleichspannung anliegt, weil diese die Lautsprecherspule zerstören würde. Die Messung führt man mit voll aufgedrehter Lautstärke durch, dreht sie für den ersten Testlauf dann aber erst mal wieder ganz runter und schließt dann die Lautsprecher an. Es empfiehlt sich zudem, für die Tests alte Lautsprecher zu verwenden. Die Gefahr ihrer Zerstörung ist nämlich sehr groß. Es kann schon reichen, irgendwo im Signalweg mit der Hand Störungen (Brummen) einzukoppeln, welche hoch verstärkt die angeschlossenen Lautsprecher beschädigen. Wer noch einen alten, defekten Röhrenfernseher im Keller stehen hat, kann die dort verbauten Breitbandlautsprecher ideal für Experimente verwenden. Ein vorgeschalteter Schutzwiderstand von etwa 100 Ohm in Reihe zum Lautsprecher reduziert die Zerstörungsgefahr. Die Tonwiedergabe im Testbetrieb ist dann natürlich deutlich leiser.

Sofern ein Schutzrelais am Verstärkerausgang vorhanden ist, muss es anziehen. Ist dies nicht der Fall, so kann ein Fehler in der Endstufe oder auch in der Schutzschaltung vorliegen.

Tipp

Die Schutzschaltung überwacht in der Regel beide Kanäle gleichzeitig. Bei einem Defekt in einem Kanalzweig liegt also häufig an beiden Lautsprecherausgängen kein Signal an, obwohl nur ein Kanal defekt ist.

Zieht das Relais nicht an, ist das Audiosignal auf Gleichspannung an den Schließerkontakten des Relais zu prüfen. Liegt hier keine Gleichspannung an, so kommt auch die Schutzschaltung selbst als Fehlerquelle in Frage. Bei vielen Verstärkern beispielsweise aus Sonys TA-F-Reihe führt ein ausgetrockneter Kondensator zum beschriebenen Fehlerbild. In solchen Fällen kann man probeweise den Testlautsprecher vor dem Relaiskontakt anschließen. Funktioniert der Verstärker nun, so handelt es sich um einen Defekt in der Schutzschaltung, meist des Relais' selbst.

Eine Sonderstellung gegenüber den Line-Eingängen nimmt der (bei Geräten neueren Herstellungsdatums gern eingesparte) Phonoeingang ein

Leider ist dies ein eher seltener Fall. Meist steht die Prüfung der Endstufentransistoren an. Oft sorgt ein Kurzschluss dort zwischen Emitter und Kollektor eines defekten Endtransistors für das Anliegen der vollen Betriebsspannung am Verstärkerausgang. Bei den Messungen arbeitet man sich in diesem Fall vom Ende, also von der Endstufe her nach vorn durch die Schaltung. Alle Bauelemente werden nach den weiter unten beschriebenen Messmethoden geprüft.

Auch wenn es nicht gleich raucht im Verstärker, ist die Temperatur einiger Bauelemente während des Betriebs nicht zu unterschätzten. Halbleiter und Widerstände können sehr heiß werden – besonders wenn ein Defekt vorliegt. Hohe Temperaturen im Gerät beschleunigen zudem die Alterung der Komponenten. Viele Multimeter bieten die Möglichkeit, einen Temperatur-Sensor anzuschließen. Damit kann man gut die Temperaturen einzelner Bauteile prüfen, ohne sich die Finger zu verbrennen – was ab etwa 60 Grad zu befürchten ist. Wird ein Bauteil über 100 Grad heiß, ist es sehr wahrscheinlich, dass es entweder selber defekt oder zumindest der Fehler in seinem Umfeld zu suchen ist.

Die beiden Kanäle eines Stereo-Verstärkers sind symmetrisch aufgebaut. Bei einem Blick auf die Platine ist dies besonders im Bereich der Endstufe gut erkennbar. Wenn noch ein Kanal funktioniert, bietet es sich an, Vergleichsmessungen zwischen den beiden Kanälen durchzuführen. Auf diese Weise ist es relativ schnell und manchmal auch ohne Schaltplan möglich, einen Fehler zu finden.

Für viele Messungen ist es ratsam oder gar zwingend notwendig, Bauelemente auszulöten. Dafür muss man über ausreichend Übung im Umgang mit dem Lötkolben verfügen, um nicht noch weitere Fehler einzubauen. Die Anwendung von Entlötpumpe und Entlötlitze (an schlecht zugänglichen Stellen) muss ohne Probleme von der Hand gehen, bevor man sich an ein Objekt wagt, dass man noch retten möchte. Halbleiter und Platinen vertragen keine lange Braterei mit dem Lötkolben. Einsteiger sollten das Auslöten deshalb zuerst einmal an einer Schrottplatine üben.