Barrierefreies PDF: Wie Sie Dokumente prĂĽfen und Fehler beheben

Wo "Tagged PDF" draufsteht, ist nicht immer "barrierefrei" drin, denn kaum eine Standardsoftware kann perfekt taggen. So finden und korrigieren Sie die Fehler.

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, Sven Hauth

(Bild: Sven Hauth)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Klaas Posselt
Inhaltsverzeichnis

Menschen mit visuellen Einschränkungen können in einem barrierefreien PDF selbstständig auf alle Inhalte zugreifen, vom Text über Bilder bis hin zu Tabellen. Assistive Techniken (AT) helfen ihnen dabei, indem sie die Schrift vergrößern, Text vorlesen, in eine Braille-Zeile umwandeln und anderes. Damit das funktioniert, muss jedes Objekt mit dem passenden Tag markiert sein, ähnlich wie bei HTML. Doch schon kleine technische oder konzeptionelle Mängel können ein Dokument für eine AT praktisch unbenutzbar machen.

Weil Autoren nicht immer sauber arbeiten und Standardsoftware das Taggen nur mäßig beherrscht, müssen Sie vor dem Publizieren kontrollieren, ob Ihr PDF überhaupt alle Anforderungen erfüllt. Öffentliche Ausschreibungen verpflichten in der Regel sogar dazu und verlangen einen detaillierten Prüfbericht.

Mehr zu PDF-Tools

Was ein barrierefreies PDF auszeichnet, worauf man achten muss und wie man korrekte Vorlagen mit Word erstellt, haben wir kürzlich in "So wird Ihr PDF barrierefrei" und "Barrierefreie PDFs aus Word-Dokumenten erstellen" erklärt. In diesem dritten und letzten Teil unserer Serie lernen Sie, Fehler in Dokumenten zu finden und zu korrigieren.

c't kompakt

  • Bevor man ein barrierefreies PDF publiziert, muss man sicherstellen, dass es die Anforderungen der vereinbarten Richtlinie erfĂĽllt (WCAG, BITV oder PDF/UA).
  • Eine vollständige PrĂĽfung besteht immer aus einem automatisierten und einem manuellen Teil.
  • Fehler sollte man möglichst im Ursprungsdokument korrigieren, nicht im PDF.

Es gibt über hundert, teils sehr technische Anforderungen, die ein barrierefreies Dokument erfüllen muss. Aber keine Sorge, das Gros der Arbeit können Sie an spezielle Prüfsoftware delegieren, die auf Knopfdruck einen übersichtlichen Bericht generiert.

Zusätzlich sollten Sie Ihr Dokument auch mit eigenen Augen begutachten: Denn ein Programm erkennt zwar, wenn einem eingebetteten Bild die erforderliche Beschriftung (Alternativtext) fehlt. Es kann aber nicht einschätzen, ob der Alternativtext die Abbildung sinnvoll beschreibt. Ebenso wenig erkennt es semantische Fehler, zum Beispiel, wenn der Autor Überschriften und Aufzählungen als simple Absätze angelegt oder Tabellen als Bilder eingebettet hat.

Für diesen ausführlichen manuellen beziehungsweise visuellen Check müssen Sie etwas Zeit einplanen. Beispielsweise würde ein Profi für diesen Artikel 15 Minuten benötigen, ein Einsteiger 1,5 Stunden und eine geübte Gelegenheitsgegenleserin 30 Minuten. Immerhin lässt Sie die Prüfsoftware dabei nicht allein und erleichtert die Spurensuche mit einem speziellen Ansichtsmodus. Eine vollständige Barrierefreiheitsprüfung besteht also immer aus zwei Schritten:

  • automatischer Check (per Software),
  • manuelles Testen (per Checkliste, softwareunterstĂĽtzt).

In die Tiefen der Thematik können wir hier aus Platzgründen nicht einsteigen. Wir versuchen stattdessen, eine gute Strategie und ein Gespür für den richtigen Umgang mit Prüfwerkzeugen und Fehlern zu vermitteln.

Folgende Punkte sollten Sie bereits vor Projektstart, spätestens aber vor der Prüfung geklärt haben:

  • Welche Richtlinie soll das Dokument erfĂĽllen? WCAG, BITV, PDF/UA-1 oder nur eigene Vorgaben?
  • Mit welcher Software/Checkliste soll die PrĂĽfung durchgefĂĽhrt werden?
  • Wer fĂĽhrt die PrĂĽfung durch?

Öffentliche Auftraggeber müssen sich in Deutschland an der BITV (Barrierefreie Informationstechnikverordnung) orientieren, in Österreich und Schweiz an der WCAG (Web Content Accessibility Guidelines). Wenn es um PDF geht, enthalten Ausschreibungen aber häufig unklare Formulierungen. Sie fordern beispielsweise BITV-Konformität und verlangen dann im Bereich "Überprüfung" sinngemäß "Muss den PAC-Test bestehen". Die Software PAC (PDF Accessibility Checker) prüft aber gemäß dem aufs Portable Document Format zugeschnittenen Universal-Accessibility-Standard PDF/UA, was somit zur De-facto-Anforderung wird.

Einigen Sie sich also am besten von vornherein auf das aktuelle PDF/UA-1 als Referenz. Damit decken Sie BITV/WCAG zu mindestens 95 Prozent ab, vermeiden Missverständnisse und können auf bewährte Testwerkzeuge zurückgreifen.

Das PDF/UA-Prüfprotokoll (Matterhorn-Protokoll) listet 137 Anforderungen; 108 davon arbeitet der kostenlose PDF Accessibility Checker selbstständig ab.

Für PDF/UA hat sich der oben erwähnte kostenlose PDF Accessibility Checker etabliert, der aber nur unter Windows läuft. Auf dem Mac empfiehlt sich die PDF/UA-1-Prüfung von Adobe Acrobat, die Sie über das Preflight-Menü aufrufen.

Durch den manuellen Teil führen detaillierte Checklisten wie das für PDF/UA konzipierte Matterhorn-Protokoll. Es listet 137 potenzielle Fehler und kennzeichnet, wofür Mensch und Maschine zuständig sind; 108 davon analysiert der PAC automatisch. Solche Checklisten gibt es auch für BITV und WCAG, die jedoch nicht auf das PDF-Format abgestimmt sind.

Damit Sie sich dabei nicht zwischen Struktur-Tags und BleiwĂĽsten verirren, gibt es spezielle Ansichtsmodi wie etwa die Screenreader-Vorschauen des PAC und des kostenlosen Acrobat-Plug-ins callas pdfGoHTML. Sie bereiten das Dokument anhand der Struktur-Tags ĂĽbersichtlich und plakativ auf, sodass Fehler in Semantik, Reihenfolge oder Alternativtexten leicht auffallen.

Wenn Sie alle Tools beisammen haben, können Sie loslegen: Sobald Sie das PDF im PAC öffnen oder auf die Oberfläche ziehen, prüft die Software direkt 108 PDF/UA-Kriterien, die sich auf elf Hauptkategorien verteilen. Es können drei Arten von Meldungen erscheinen:

  • grĂĽner Haken: Die PrĂĽfung war erfolgreich;
  • gelbes Ausrufezeichen: Warnung, es gibt möglicherweise Probleme;
  • rotes X: Fehler, Anforderung nicht erfĂĽllt.

Stürzen Sie sich anschließend aber nicht gleich in die Fehleranalyse und -korrektur, sondern erledigen Sie erst den manuellen Check. So behalten Sie den Überblick und können anschließend alle Baustellen systematisch abarbeiten.

Der PDF Accessibility Checker (PAC) findet vor allem technische und formelle Ungereimtheiten, etwa wenn Alternativtexte und Dokumenttitel fehlen.

Lassen Sie sich via Screenreader-Vorschau in PAC die Dokumentenstruktur als eine Art Webseite anzeigen und gehen Sie nun im Matterhorn-Protokoll die mit "Mensch" markierten Punkte durch. Auf folgenden Kriterien sollte Ihr Hauptaugenmerk liegen:

  • Ăśberschriften mĂĽssen als solche gekennzeichnet sein (Tags <H1> bis <H6>).
  • Was wie eine Liste aussieht, ist auch als Liste getaggt (Tags <L>, <LI>, <Lbl>, <LBody>).
  • Tabelleninhalte stehen in Tabellen, anderes nicht (Tag <Table>, Subtags <TR>, <TH>, <TD>).
  • Sind Tabellenkopfzellen korrekt ausgezeichnet? (Tag <TH> plus Attribut Scope/Header-IDs)
  • Sind FuĂź-/Endnoten korrekt ausgezeichnet? (Tag <Note>)
  • Nicht relevante Inhalte wie Kopf- und FuĂźzeilen mĂĽssen als Artefakt (Schmuckelement) markiert sein (kein Tag).
  • Links sind als solche gekennzeichnet (Tag <Link>).
  • Die Reihenfolge ist korrekt beziehungsweise wie vom Autor gewĂĽnscht.
  • Beschreiben Alternativtexte die jeweiligen Bilder und Grafiken angemessen?

Für BITV/WCAG-Konformität müssen darüber hinaus die Kontraste von Text und Hintergrund sowie Grafiken über einer bestimmten Grenze liegen. Dieses Kriterium können Sie mit dem im PAC 2021 integrierten WCAG-Check messen. Weitere Anforderungen, die über PDF/UA hinausgehen, sind eher redaktioneller Art, etwa die Forderung in WCAG 2.4.6, dass Texte Überschriften brauchen.

Die Screenreader-Vorschau des PAC hebt Tags optisch hervor und färbt die Inhalte passend zu ihrer Semantik ein: Überschriften rot, Absätze grün, Listen blau und Bilder gelb.
Ungeeignete PrĂĽfverfahren

Ziel einer PrĂĽfung sollte sein, dass das PDF an sich alle Vorgaben erfĂĽllt. Optimieren Sie das Dokument keinesfalls auf vermeintliche Standardsoftware hin wie etwa den dominierenden PDF-Betrachter Acrobat Reader oder eine verbreitete assistive Technik (AT). Damit erhalten Sie potenziell ein Dokument, das in dieser speziellen Kombination funktioniert, aber gegebenenfalls nicht mit anderen Betrachtern oder ATs.

Leider lehnen Auftraggeber auch gerne mal ein PDF ab, weil sie nach zusammengegoogelten Kriterien prĂĽfen, die mit den fachlichen Anforderungen wenig zu tun haben. Da ist es nicht gerade zielfĂĽhrend, dass selbst Adobe in seiner Acrobat-Dokumentation folgende ungeeigneten und irrefĂĽhrenden Werkzeuge empfiehlt:

Lesereihenfolge (Acrobat): In Acrobat gibt es eine Navigationsleiste namens Lesereihenfolge. Diese spiegelt allerdings nicht die für ein barrierefreies PDF relevante Tag-Struktur wider. Für Barrierefreiheit zählt ausschließlich die in der Navigationsleiste "Tag-Struktur" gezeigte Reihenfolge.

UmflieĂźen-Modus: Auch der UmflieĂźen-Modus ignoriert Tags und eignet sich daher nicht als PrĂĽfwerkzeug.

Das PDF vorlesen lassen: Einige Kollegen sind anderer Meinung, aber sich ein PDF per Screenreader (was insbesondere Acrobat nicht ist) vorlesen zu lassen, halte ich nicht für zielführend. Denn viele ATs können PDFs nicht korrekt handhaben und suggerieren Fehler, die keine sind.

Noch ein Tipp fĂĽr die ersten Gehversuche: Testen Sie selbst erstellte Daten besser nicht selbst. Kaum ein Mensch ist vor Betriebsblindheit gefeit. Ein Dokument von verschiedenen Kollegen begutachten zu lassen, kann sehr erhellend sein, potenziert Wissen und bringt alle auf einen Stand.

Hat das Dokument beide Prüfungen bestanden, liegt ein barrierefreies PDF gemäß PDF/UA-1 vor. Die gelben Warnungen des PAC dürfen Sie fast immer ignorieren, sie resultieren meist aus Feinheiten in der Auslegung der Norm.

Alle rot markierten Probleme müssen Sie unbedingt beheben, zumindest wenn Sie ein PDF/UA-konformes Dokument benötigen. Die Schaltfläche "Detail-Bericht" erläutert die Probleme hinter den einzelnen Fehlern und Warnungen. Außerdem verlinkt der Bericht die entsprechende Stelle im Dokument, sofern ein Bezug zu einem Seitenelement besteht – ein wesentlicher Vorteil gegenüber der PDF/UA-Prüfung in Acrobat. Sortieren Sie die Fehler am besten nach folgendem System und arbeiten Sie diese dann nacheinander ab:

  1. lässt sich im Quellprogramm beheben
  2. lässt sich automatisch im PDF beheben
  3. lässt sich manuell beheben

Versuchen Sie nun, möglichst viele Fehler in der Ursprungsanwendung (etwa Word oder InDesign) zu beheben, exportieren Sie das Ergebnis erneut als PDF und prüfen Sie es nochmals. So bleiben die Inhalte konsistent und es entsteht idealerweise ein fehlerfreies Basis-Dokument, das sich auch bei künftiger Verwendung jederzeit überarbeiten und in korrektes PDF/UA exportieren lässt. Damit sparen Sie gegenüber der Fehlerkorrektur im PDF massiv Zeit.

Erst wenn Sie an der Quelle das Maximum herausgeholt haben, korrigieren Sie die verbliebenen Mängel im PDF. In Acrobat DC Pro lassen sich bestimmte Fehler automatisch mit Preflight-Funktionen reparieren, andere nur manuell in der Tag-Struktur. Sehr umfangreiche Dokumentationen der häufigsten Fehler inklusive Videoanleitung zur Tag-Reparatur in Acrobat finden Sie auf Accessible-PDF.info und TaggedPDF.com (nur englisch). Ersteres hat sogar eine eigene Sammlung gegen spezifische Fehler des Word-Exports zusammengestellt.

Das Ergebnis der Prüfung sollten Sie dokumentieren lassen – viele Auftraggeber verlangen dazu den PAC-PDF-Report. Ergänzen Sie diesen möglichst durch eine manuelle Prüfliste.

Spezifische Fehler des Word-Exports lassen sich mit der Tutorial-Sammlung auf Accessible-PDF.info reparieren.

Momentan bringen weder Office- noch Layoutprogramme von Haus aus durchweg korrektes PDF/UA zustande. Wenn Sie den PAC-Test also auf ein von Microsoft Word exportiertes Tagged PDF anwenden, werden Sie definitiv Fehlermeldungen erhalten – selbst wenn Sie unsere Anleitung aus "Barrierefreie PDFs aus Word-Dokumenten erstellen" streng befolgt haben. In welchem Umfang dies geschieht, hängt von der eingesetzten Word-Version und den Dokumentinhalten ab.

Ein solches PDF kann durchaus passabel zugänglich sein: Manche Probleme wie zum Beispiel ein fehlender PDF/UA-Identifier sind nur dann relevant, wenn es auf formelle PDF/UA-Konformität ankommt. Auf die Zugänglichkeit für den Nutzer wirkt sich der Identifier in der Praxis fast nie aus. Auch bei textlastigen Dokumenten muss Ihr Publikum meist nur mit kleineren Einschränkungen leben, zum Beispiel nicht ganz korrekt ausgezeichneten Listen. Je mehr Bilder und Tabellen ins Spiel kommen, umso mehr und leider auch gravierendere Fehler werden Sie finden. Einige davon sind nicht ohne größeren Aufwand zu beheben.

Hier stehen vor allem die Softwareanbieter in der Pflicht nachzubessern. Ein PDF in zehn Minuten zu erstellen und dieses dann im Anschluss noch eine Stunde zu reparieren, kann auf Dauer keine akzeptable Lösung sein.

Bis dahin benötigen Sie für einen in jeder Lebenslage zuverlässigen Barrierefrei-Export noch spezielle Add-ons, die auch komplexere Inhalte PDF/UA-konform umsetzen: etwa axesWord für Microsoft Word oder axaio MadeToTag für InDesign. Wenn Sie problematische PDFs in Acrobat nachbearbeiten wollen, gibt es ebenfalls Alternativen, die Abläufe automatisieren oder zumindest beschleunigen. Die Auswahl ist hier sehr vielfältig, empfehlenswert sind unter anderem axesPDF sowie CommonLook PDF.

Ob sich solche Zusatzprogramme für Sie lohnen, ist in erster Linie eine betriebswirtschaftliche Frage. Ein axesWord-Abo kostet 300 Euro pro Jahr, eine Dauerlizenz von MadeToTag 713 Euro pro Arbeitsplatz. Unterschätzen Sie aber auch nicht die Auswirkung auf die Arbeitsmoral: Welcher Mitarbeiter hat schon Lust, mehrere Stunden pro Tag verunglückte Tags hin und her zu schieben?

Unabhängig davon reduzieren gute Vorlagen den Aufwand enorm: Erstellen Sie auf Grundlage unseres Tutorials am besten für jeden Dokumenttyp eine geeignete Barrierefrei-Vorlage – etwa für Berichte, Anleitungen oder Präsentationen – und schulen Sie Ihre Mitarbeiter, diese korrekt zu nutzen. Damit verhindern Sie Fehler schon im Ansatz und müssen später weniger suchen, rätseln und basteln.

Spezielle Add-ons fĂĽr Word und InDesign produzieren von Haus aus korrektes PDF/UA, wie hier das Add-on axesWord. Sie reduzieren den Aufwand fĂĽr Fehlersuche und -korrektur erheblich.

Barrierefreie PDFs auf Grundlage der PDF-Version 1.7 zu erstellen, ist mit einigen formatbedingten Hürden verbunden. Besserung verspricht PDF/UA-2, das noch im Laufe dieses Jahres veröffentlicht werden könnte. Es stützt sich auf den aktuellen Standard PDF 2.0 (ISO 32000-2). Technisch ließe sich damit sogar responsives PDF realisieren.

DarĂĽber hinaus ĂĽberarbeitet das W3C derzeit die veralteten und inhaltlich nicht immer korrekten WCAG-Techniken fĂĽr PDF. Der Fokus liegt auf griffigen, umfangreichen Beispielen und einer Orientierung Richtung PDF/UA. Einen guten Ăśberblick ĂĽber den Stand der Entwicklungen gibt die PDF Association auf pdfa.org.

(atr)