O2 kassiert nach KĂĽndigung weiter
Wechselt man zu einem neuen Provider, will man die alte Geschäftsbeziehung beenden. O2 sieht jedoch Interpretationsspielräume – zum Nachteil des Kunden.
- Tim Gerber
Dies ist ein Beitrag aus unserer Magazin-Rubrik Vorsicht, Kunde!, der erstmals am 24.3.2023 in c't 8/2023 erschienen ist.
Hagen M. nutzte gemeinsam mit seiner Frau seit einigen Jahren Mobilfunkverbindungen des Providers O2. Die Verträge sowohl für sein als auch für ihr Mobiltelefon liefen alle auf den Namen seiner Frau. Anfang September entschlossen sich die beiden, gemeinsam zu einem anderen Provider zu wechseln, schlossen mit diesem die notwendigen Vertragsvereinbarungen und baten um Mitnahme sämtlicher ihrer Rufnummern.
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Am 11. September kündigte Hagen M. über die auf seinem Smartphone installierte O2-App. Die Auswahl einer anderen Rufnummer als jener, die mit der im Smartphone eingelegten SIM-Karte verbunden ist, war ihm in der App nach seiner Schilderung nicht möglich. In den kommenden Tagen übertrug Hagen M. alle fünf Rufnummern von O2 zum neuen Provider. Am 20. September erhielt Hagen M. einen auf den 12. September datierten Brief von O2, in dem er darauf hingewiesen wurde, dass die Kündigung nicht vom Vertragsinhaber stamme und deshalb dessen Bestätigung benötige. Am 22. September kündigte deshalb Frau M. per Brief an O2 ihren Vertrag und "sämtliche damit verbundenen SIM-Karten und Dienste".
Schon wenige Tage später erhielten die M.s eine Bestätigung ihrer Kündigung mit Vertragsende am 11. Oktober. Am 7. Oktober zog O2 89,97 Euro vom Konto der M.s ein. Damit sowie der Übertragung aller verwendeten Rufnummern und der Bestätigung des Vertragsendes zum 11. Oktober schien für die Kunden das Vertragsverhältnis mit dem Mobilfunkprovider erledigt.
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Am 7. November buchte O2 noch 76,97 Euro ab. Als der Konzern am 30. November eine weitere Abbuchung in Höhe von 59,98 Euro ankündigte, reklamierten die M.s mit einem Brief, den sie am 1. Dezember in die Post gaben. Darin beschwerten sie sich, dass man trotz Kündigung und Mitnahme sämtlicher Rufnummern sowie bestätigter Kündigung weiterhin ihr Konto belaste. Das beeindruckte freilich niemand und am 7. Dezember erfolgte der nächste Einzug in der angekündigten Höhe.
Vielmehr teilte O2 mit Schreiben vom 13. Dezember mit, dass keine Kündigung vorliege. Das sei aber kein Problem, sofern die M.s einen Nachweis vorlegen, dass sie rechtzeitig gekündigt hätten. Nun schickten die M.s. einen eingeschriebenen Brief an den Kundenservice, dem sie alle Bestätigungsschreiben beifügten und in dem sie klarstellten, dass sie nach ihrer Kündigung am 1. September überhaupt keinen Zugang mehr zum Kundenportal von O2 gehabt hätten, also weitere Kündigungen für die bereits portierten Rufnummern darüber auch nicht hätten abgeben können. Selbst die telefonischen Kundenbetreuer von O2 hätten die Verträge der M.s. im internen System nicht finden können und letztlich die Kündigung bestätigt.
Vorsorgliche Wiederholung
Vorsorglich bekräftigten die Kunden ihre Kündigung sämtlicher vormals bei O2 verwendeten Nummern und zugehöriger Verträge, widerriefen das Lastschriftmandat für ihr Konto und baten außerdem um eine Auskunft über sämtliche bei O2 zu ihnen verarbeiteten persönlichen Daten unter Berufung auf das Auskunftsrecht nach DSGVO. Dadurch erhoffte sich Hagen M. letztlich Aufschluss darüber, welche Vertragskonten der Konzern noch führte, auf die er selbst aber seit Mitte September in Folge der Kündigung keinen Zugriff mehr hatte.
Zum Jahresende kamen dann tatsächlich diverse Kündigungsbestätigungen mit Vertragsende zum 6. Januar. Dass O2 trotz erfolgten Widerrufs am 9. Januar eine weitere Lastschrift in Höhe von 59,98 Euro vom Konto der M.s. durchführte, ließen die Kunden noch durchgehen. Als am 8. Februar weitere 25,15 Euro eingezogen wurden, buchten sie den Betrag jedoch am folgenden Tag zurück. Zusätzlich schrieben sie nun einen dritten Brief an das Unternehmen, erinnerten an die Datenschutzauskunft und forderten ihrerseits nunmehr 296,90 Euro zurück, die O2 nach ihrer Auffassung unberechtigt seit Oktober von ihrem Konto eingezogen hatte. Schließlich hatten sie bereits seit Mitte September keinerlei Leistungen des Providers mehr in Anspruch genommen.
Immer wieder bekommen wir E-Mails, in denen sich Leser über schlechten Service, ungerechte Garantiebedingungen und überzogene Reparaturpreise beklagen. Ein gewisser Teil dieser Beschwerden ist offenbar unberechtigt, weil die Kunden etwas überzogene Vorstellungen haben. Vieles entpuppt sich bei genauerer Analyse auch als alltägliches Verhalten von allzu scharf kalkulierenden Firmen in der IT-Branche.
Manchmal erreichen uns aber auch Schilderungen von geradezu haarsträubenden Fällen, die deutlich machen, wie einige Firmen mit ihren Kunden umspringen. In unserer Rubrik „Vorsicht, Kunde!“ berichten wir über solche Entgleisungen, Ungerechtigkeiten und dubiose Geschäftspraktiken. Damit erfahren Sie als Kunde schon vor dem Kauf, was Sie bei dem jeweiligen Unter nehmen erwarten oder manchmal sogar befürchten müssen. Und womöglich veranlassen unsere Berichte ja auch den einen oder anderen Anbieter, sich zukünftig etwas kundenfreundlicher und kulanter zu verhalten.
Falls Sie uns eine solche böse Erfahrung mitteilen wollen, senden Sie bitte eine chronologisch sortierte knappe Beschreibung Ihrer Erfahrungen an: vorsichtkunde@ct.de.
Statt der überfälligen Auskunft, und der erwarteten Entschuldigung mindestens für die unberechtigten Lastschriften erhielten die M.s jedoch lediglich eine Mahnung über die zurückgebuchten 25,15 Euro. Bereits am 9. Februar hatte Hagen M. sich an die c’t-Redaktion gewandt und von den fortlaufenden Abbuchungen trotz längst erfolgter Kündigung und Rufnummernübertragung berichtet.
Wir baten die Pressestelle von Telefónica, dem Mutterkonzern der Marke O2, am 20. Februar um eine Stellungnahme, warum man trotz bereits im September erfolgter Kündigung weiterhin Lastschriften bei den Kunden vornahm. Ein Sprecher bestätigte noch am selben Tage, dass man den Fall prüfen wolle und sich im Laufe der Woche zurückmelden werde. Eine Antwort erhielten wir erst auf weitere Nachfrage am 28. Februar: "Die Kündigungen wurden unserseits korrekt bearbeitet und die monatliche Grundgebühr korrekt bis zum jeweiligen Kündigungstermin berechnet. Die zurückgebuchte Rechnung von 25,15 Euro muss weiterhin beglichen werden. Darüber haben wir die Kundin in einem Telefonat nun nochmal im Detail informiert."
Zur Erläuterung hieß es weiter, das Kündigungsschreiben vom September habe nur auf Vertragsnummer eines MediaMarkt-Antrages von 2017 verwiesen. Später hätten die M.s weitere Verträge abgeschlossen, die jedoch wiederum ihre eigene Vertragsnummer erhalten hätten. Für O2 sie also nur der Kündigungswunsch für die erste Rufnummer nachvollziehbar gewesen. Erst zum 6.12.2022 habe man ein Kündigungsschreiben erhalten, in welchem die restlichen Rufnummern genannten worden seien.
Keinen Durchblick
Wir wiesen den Sprecher in mehreren E-Mails darauf hin, dass der Konzern doch die einer Kundin zugewiesenen Rufnummern kennen sollte und dass alle Rufnummern bereits im September zu einem anderen Provider übertragen wurden. So konnte man den Kundenwillen, alle Nummern und zugehörigen Verträge zu beenden, eigentlich von Anfang an ohne Weiteres verstehen – wenn man denn gewollt hätte. Auch hatte der Provider seine vertraglichen Leistungen ja durch die Abgabe der Rufnummern im September faktisch komplett eingestellt. Der Vorgang konnte ihm folglich nicht verborgen geblieben sein. Das Herumreiten auf den angegebenen Nummern verweist sich als reine Förmelei.
Telefónica hüllt sich seither jedoch in Schweigen. Die M.s hatten inzwischen zähneknirschend sogar die 25,15 Euro zurücküberwiesen. Zugleich hatten sie sich aber mit einer Beschwerde an die Bundesnetzagentur gewandt, weil O2 den Providerwechsel zu ihrem Nachteil erschwert hat. Zusätzlich schaltete Hagen M. den Bundesdatenschutzbeauftragten ein, weil er noch immer auf die Auskunft wartete, die der Konzern ihm innerhalb eines Monats hätte erteilen müssen. Am 7. März erhielt Hagen M. eine Mail von O2, man habe sein Anliegen geprüft und ihm "aus Kulanz" 5,20 Euro gutgeschrieben.
Uncoolant
Die Unverfrorenheit, mit der O2 hier weiter beim Kunden abkassiert, ohne eine Leistung zu erbringen, hat mit Kulanz allerdings reinweg gar nichts zu tun. Wie es richtig geht, kann man in einem zentralen Paragrafen (§ 133) des Bürgerlichen Gesetzbuches nachlesen: "Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften." Das hätte man bei O2 mit einem einfachen Blick in seine Datenbanken erledigen können. Das zeigte letztlich auch die Datenschutzauskunft, die am 10. März bei Hagen M. reichlich verspätet doch noch ankam.
Um solchen Manövern von Providern nach einer Kündigung keinen Vorschub zu leisten, ist es freilich besser, in Kündigungsschreiben alle Rufnummern und Vertragskonten konkret anzugeben, die man kündigen will. Darüber hinaus empfiehlt sich, ausdrücklich auch mögliche weitere Verträge mit dem jeweiligen Konzern einzubeziehen, die nicht genannt sind. Zugleich sollte man bereits mit der Kündigung das Lastschriftmandat widerrufen und dennoch ausgeführte Buchungen konsequent zurückholen. Dann muss der Provider eben vor Gericht gehen, wenn er meint, dass ihm noch Geld zusteht. Die M.s können jedenfalls nur hoffen, dass die Bundesnetzagentur noch zu ihren Gunsten eingreift. Sonst müssten sie selbst den Rechtsweg beschreiten, um ihre 300 Euro zurückzubekommen. Und der dürfte dafür unverhältnismäßig mühsam sein.
(tig)