Über den Charakter des Eclipse-Ökosytems

Seite 2: Perspektiven

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heise developer: Ihr habt von Anfang an viel dazu beigetragen, Eclipse zu dem werden zu lassen, was es heute darstellt. Was gibst du Firmen, die überlegen, sich in den Eclipse-Kosmos einzubringen, mit auf den Weg, ein erfolgreiches Geschäftsmodell auf Basis von Eclipse zu entwickeln?

Krause: Zuerst einmal gibt es unterschiedliche Modelle, wie man mit Eclipse Geld verdienen kann. Ich unterscheide das Geschäft mit Werkzeugen (Lizenzen, Abonnements) von dem mit Services (Beratung, Schulung, Entwicklung) und dem mit Runtime-Techniken (Wartung, Support). Am einfachsten ist es, mit Eclipse-Services Geld zu verdienen. Gutes Know-how von Basis-Techniken und vielleicht ein kleines Framework zur Beschleunigung der Entwicklung eines bestimmten Typs von Applikationen reichen hierfür aus. Als Eclipse-Mitglied erhält man eine gewisse Sichtbarkeit und Unterstützung durch die Foundation und andere Eclipse-Mitglieder. Die projektorientierte Natur dieses Geschäfts führt zu den üblichen Vor- und Nachteilen.

Der Bereich Werkzeuge, aus dem Eclipse stammt, galt schon immer ein schwieriges Terrain zum Geldverdienen. Risikokapitalgeber scheuen "Developer Tools" seit Jahren, und mit Eclipse haben wir den Trend, für Werkzeuge kein Geld auszugeben, sicherlich weiter bestärkt. Wer demnach daran denkt, mit einem neuen innovativen Werkzeug Geld zu verdienen, sollte einen langen Atem mitbringen. Für viele interessant ist natürlich die große installierte Basis von Eclipse (nach Evans Data circa 60 bis 70 Prozent der neun Millionen Java-Entwickler) und die mit Helios neu eingeführte Möglichkeit, über eine Art App-Store (Eclipse Marketplace) seine Werkzeuge an die Entwickler zu bringen.

Aus unserer Erfahrung ist die Bereitschaft der Entwickler, für Werkzeuge Geld auszugeben, derzeit im Steigen begriffen, allerdings auf einem deutlich niedrigeren Preisniveau als vor fünf Jahren. Beliebt sind Software-Services, die einige Euro pro Monat kosten. Meine Einschätzung ist, dass sich der Trend noch verstärken wird. Das allumfassende Wunderwerkzeug für mehrere tausend Euro pro Entwickler zu verkaufen gelingt heute dagegen nur noch selten.

Das Thema Runtime und die damit einhergehenden Verdienstmöglichkeiten Wartung und Support haben ein großes Potenzial. Eclipse ist hier breit aufgestellt und fokussiert Themen wie Modularität, SOA, Persistenz und UI. Ich gehe von der Annahme aus, dass es bei Eclipse innerhalb der nächsten zwölf Monate einen modularen App-Server geben wird. Die Einbindung weiterer Runtime-Dienste in einen solchen Server eröffnet völlig neue Perspektiven. Wer sich dafür interessiert, sollte sich das Eclipse-Runtime-Projekt einmal genauer anschauen.

Das Board of Directors hat schließlich vor Kurzem beschlossen, ein "Long Term Support"-Programm zu etablieren, dass im Open-Source-Markt einmalig ist. Da Einzelheiten hierzu aber noch verhandelt werden, kann ich im Moment nicht mehr zu dem Programm sagen, außer dass Unternehmen wie IBM, SAP, EclipseSource und andere an der Etablierung des Programms mitarbeiten.

Wer Interesse an dem Thema hat, kann sich gerne mit der Eclipse Foundation in Verbindung setzen, in Deutschland ist Ralph Müller der richtige Ansprechpartner.

heise Developer: Mit Eclipse 4 ist die nächste Generation der Eclipse-Entwicklungsumgebung erschienen. Mit ihr versuchen die Entwickler, die teilweise in die Jahre gekommene IDE auf innovative Weise zu erneuern. Wo liegen die Hoffnungen für die Eclipse-Community?

Krause: Eclipse 4 enthält für die Entwicklung von Werkzeugen interessante Neuerungen, zum Beispiel Dependency Injection, ein neues serviceorientiertes Konzept für die Workbench, eine Modell-Abstraktion der Workbench und Verbesserungen im Ressourcen-Management. Mit dieser modernisierten Plattform schafft Eclipse alle Voraussetzungen, in den kommenden Jahren der Marktführer im Bereich Entwicklungsplattform zu bleiben: Bestehende Tools lassen sich über den Kompatibilitätsmodus einfach weiternutzen, und neue Werkzeuge finden eine attraktive und moderne Plattform vor.

Man sollte in dem Zusammenhang aber auch erwähnen, dass die Code-Basis von Eclipse 4 eher dem Status einer Version 1.0 entspricht als dem eines Eclipse 4.0. Wenn wir uns Eclipse als Plattform für Geschäftsapplikationen auf dem Desktop und im Web anschauen, gibt es mit Eclipse 4 eine weitere Konvergenz von Desktop (SWT) und Web (RAP). Beispielsweise kann das Styling der Applikationen einheitlich mit CSS erfolgen. Eclipse ist damit eine der wenigen ernstzunehmenden Plattformen, die sowohl Desktop- als auch Web-Applikationen auf Basis einer einheitlichen Code-Basis ermöglicht. Der letzte Punkt gilt aber nicht nur für Eclipse 4, sondern ist bereits mit dem aktuellen Helios-Release gegeben.

heise Developer: Inwiefern siehst du in den mehr und mehr auf spezifische Anforderungen ausgerichteten Eclipse-Distributionen auf eclipse.org eine starke Konkurrenz zu etablierten Konfektionen unterschiedlicher Eclipse-Distributeure?

Krause: Wer sich als Hersteller auf Open Source einlässt – und noch dazu in einer herstellerneutralen Organisation wie Eclipse – läuft permanent Gefahr, dass ein Teil seiner kommerziellen Wertschöpfung durch die Open-Source-Community kostenlos bereitgestellt wird. Der Innovationsdruck ist daher im Allgemeinen sehr hoch. Auf der anderen Seite profitiert man von allen Errungenschaften der Community und kann seine Wertschöpfung darauf aufbauen. Dieser "Wettbewerb" ist aus unserer Sicht immanent und auch langfristig zielführend. Problematisch wären dagegen Situationen, in denen nicht ein Projekt oder die Community, sondern die Eclipse Foundation als Organisation selbst in Konkurrenz mit ihren Mitgliedern tritt.

Die "Eclipse-Distributionen" bei Eclipse werden maßgeblich von EclipseSource erstellt, von daher machen wir uns damit selbst Konkurrenz. Die Wertschöpfung bei unserer Distribution liegt aber im übertragenen Sinne nicht im Bereitstellen von Konfektionen, sondern in der Herstellung von Nähmaschinen und Kleiderbügeln, der Auswahl von Stoffen sowie in einem Lieferservice. Wer diese Services nicht nutzen will oder kann, ist mit den Eclipse-Paketen gut bedient. Neugierige sollten sich die neue Version von Yoxos anschauen, die zahlreiche Fähigkeiten für den Team-Einsatz mitbringt.

Es ist aber durchaus richtig, dass die Eclipse Foundation immer wieder in Versuchung kommt, mit ihren Mitgliedern in Konkurrenz zu treten, und im Bereich der Veranstaltung von Konferenzen ist das auch schon geschehen. Ich sehe es als eine meiner wichtigsten Aufgaben, im Board of Directors darauf zu achten, dass die Foundation ein Katalysator für das Geschäft seiner Mitglieder ist. Mit den neuen Programmen "Eclipse Marketplace" und dem "Long Term Support" geht die Eclipse Foundation eindeutig in diese Richtung. Damit wird der Ökosystem-Ansatz von Eclipse weiter gestärkt, und das Potenzial für Kunden, professionell mit Open Source zu arbeiten, erhält einen neuen Schub.

heise Developer: Jochen, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.

Die Fragen stellte "heise Developer"-Redakteur Alexander Neumann.

Siehe dazu auch:

(ane)