Alles auf Anfang - Zurückholen ausgelagerter Dienstleistungen

Next-Generation-Outsourcing, Backsourcing, Insourcing - was kommt nach dem Outsourcing? Immer wieder liest man von gescheiterten Outsourcings und den Schwierigkeiten, sich voneinander zu trennen. Viele dieser Probleme lassen sich lösen.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Outsourcing gilt in vielen Unternehmen als effektives Mittel zur Bereinigung der internen Strukturen, zur Kostensenkung und zur Konzentration auf das Kerngeschäft. Kunden möchten vom Know-how und den Erfahrungen des Outsourcers profitieren und ihre oft über Jahre hinweg geschaffenen heterogenen Systemlandschaften und vielschichtigen Schnittstellen bereinigen. Innovationspotenzial soll per Technology Refresh quasi nebenbei ausgeschöpft werden. Die eigenen IT-Mitarbeiter betreiben beim Anbieter das Kerngeschäft, können sich qualifizierter fortbilden und haben bessere Karrierechancen.

Vor allem soll das Outsourcing in der Regel die Kosten senken, indem günstigere Einkaufsbedingungen des Anbieters genutzt, Systeme zusammengelegt und Mitarbeiter transferiert werden. Schließlich sind positive Cashflow-Effekte durch den Verkauf der IT-Landschaft an den Outsourcer zu realisieren. Dieses Potenzial vor Augen, versucht das Management oft, ein Outsourcing möglichst schnell zu realisieren – entsprechend groß ist der Zeitdruck in der Vorbereitung.

Inzwischen ist vielerorts Ernüchterung eingekehrt. Man hört und liest von kriselnden Projekten, ungeplanten Mehrkosten, mangelnder Flexibilität der Anbieter, Kontrollverlust der Kunden und Frustration für beide Seiten durch unklare Leistungsbeschreibungen und praxisferne Service Level Agreements (SLA). Statistiken zufolge sind nur rund 30 % der Kunden zufrieden mit ihrem Outsourcing. Obwohl demnach 70 % unzufrieden sind, werden nur ganz wenige Outsourcings wirklich beendet – selbst wenn die Beteiligten den Vertrag regulär kündigen könnten.

Stattdessen wird der Vertrag oft zähneknirschend verlängert und damit eine wichtige Gelegenheit verpasst, vorhandene Probleme abzustellen. Das hat auch einen Grund: Es gibt diverse Stolperfallen und der Kunde geht bei einem Anbieterwechsel oder einem sogenannten Backsourcing erhebliche Risiken ein, die denen bei Vertragsbeginn ähneln oder sie sogar übertreffen.

Wer weiß noch, wie es geht?

Das fängt schon bei den Mitarbeitern an: Bei einem Backsourcing ist der Kunde besonders auf die Rückkehr seiner ehemaligen IT-Mitarbeiter angewiesen, denn er selbst hat ja kaum noch IT-Fachkräfte und müsste andere erst anlernen. Doch auch ein neuer Anbieter benötigt in aller Regel die erfahrenen Mitarbeiter aus dem endenden Outsourcing. Zwar enthält jeder Outsourcing-Vertrag Bestimmungen, nach denen alle dem outgesourcten Betriebsteil IT zugehörigen Mitarbeiter immer diesem Bereich folgen, erst zum Outsourcer, nach Vertragende wieder zum Kunden oder zum neuen Anbieter.

Leider ist jedoch die Zuordnung eines Mitarbeiters zu einem Betriebsteil nicht statisch: Der Anbieter setzt ihn recht schnell auch für andere Kunden ein. Damit wird diese Zuordnung zum outgesourcten Betriebsteil zunehmend unklarer – mit der Folge, dass die Rückkehr der ehemaligen Mitarbeiter alles andere als sicher ist. Die Rückkehrerquote sinkt weiter, wenn die Karrierechancen beim Anbieter spannender erscheinen. Das Problem wächst, je länger ein Outsourcing andauert und je weniger IT-Fachpersonal und Know-how noch im Kundenunternehmen vorhanden sind.

Die perfekte Lösung gibt es nicht und einer gewissen Fluktuation wird man immer ausgesetzt sein. Jedoch lassen sich die Auswirkungen begrenzen: Schon während des Outsourcings sollte man Maßnahmen ergreifen, die einerseits die Fluktuation bei wichtigen Positionen minimieren und andererseits sicherstellen, dass Know-how zum Beispiel im Betriebshandbuch dokumentiert wird und nicht einfach abfließt. Wenn man zusätzlich auf Standards statt proprietäre Abläufe setzt, lässt sich fehlendes Know-how leichter wieder aufbauen.

Sofern der Kunde Hardware an den Anbieter übertragen hat, ist das Thema in vielen Outsourcing-Verträgen scheinbar detailliert geregelt. Es gibt lange Assetlisten mit Aussagen über Eigentums- und Besitzverhältnisse, Miet- und Leasingverträge. Diese Listen erstellen die Beteiligten beim ursprünglichen Outsourcing, pflegen sie aber selten weiter. Bei einem Backsourcing oder einem Anbieterwechsel sind veraltete Listen unbrauchbar, denn schon nach wenigen Jahren ist der Großteil der Hardware ersetzt – Liste und Realität haben dann nichts mehr gemeinsam.

Solange die Hardware nur 1:1 im Rahmen des Technology Refresh ausgetauscht wird, lassen sich die Listen immerhin nachführen. Wenn sich im abzuwickelnden Outsourcing-Vertrag außerdem eine klare Regelung zur Kaufpreisbildung findet, Leasingverträge leicht übertragbar gestaltet sind und die Entsorgung alter Geräte festgelegt ist, sind die Hardwareklippen umschifft.

Wenn der Anbieter aber seinem Auftrag gerecht wird, Skaleneffekte und Synergien zu heben, sieht alles anders aus: Werden Systeme etwa durch Virtualisierung konsolidiert, kann man die eingesetzte Hardware keinem Kunden klar zuordnen, da sie für viele Kunden eingesetzt wird. Hardwarelisten lassen sich in diesem Moment nicht mehr einfach aktualisieren. Kunden stehen dann schnell vor dem Dilemma, ihre Hardwarelandschaft neu planen und beschaffen zu müssen – was zumindest wertvolle Zeit kostet.

Die Erkenntnis, dass Konsolidierung und Innovation eine spätere Trennung erschweren, hat tatsächlich bereits dazu geführt, dass in einigen Outsourcing-Verträgen der Kunde seinem Anbieter ausdrücklich verbietet, Synergiepotenziale zu nutzen. Das mag den Ausstieg zwar erleichtern, der Kunde legt so aber einen Grundstein für den Misserfolg.

Andere übertragen die Assets gar nicht erst, sondern beauftragen ihren Anbieter mit dem Asset-Management. Den unbestrittenen Vorteil, Assets später nicht zurückübertragen zu müssen, erkauft man sich dabei jedoch einerseits mit deutlichen Mehrkosten durch den erhöhten Verwaltungsaufwand für Managed Services, andererseits sind auch hier den Synergien Grenzen gesetzt. Nachteilig kann sich diese Struktur zudem auf die Durchsetzbarkeit von SLAs auswirken, denn die Wartungsverträge bleiben beim Kunden und die Verantwortung ist im Falle eines Problems schwieriger nachvollziehbar.

Dabei ist es durchaus möglich, Hardwarelandschaften strukturell zu ändern, Synergien zu heben und dennoch ein Outsourcing sauber und schnell zu beenden oder auf einen neuen Anbieter zu übertragen. Je nachdem, inwieweit der Kunde proprietäre Systeme benötigt, kann der Weg etwa über eine weitere Standardisierung der Leistungen oder über ein Joint-Venture-Modell gehen. Die Standardisierung führt zum Beispiel im Rechenzentrum dazu, dass der Kunde keine Systeme, sondern nur noch MIPS, RAM und TByte in bestimmter Menge und Qualität vom Anbieter kauft. Ein Wechsel zu einem anderen Anbieter ist so leichter möglich und Preise sind besser vergleichbar.

Wird hingegen spezielle Hardware benötigt, kann sich ein Joint-Venture-Modell lohnen. Hier gründen der Kunde und der Anbieter ein gemeinsames Unternehmen, das die Assets hält und die Leistungen erbringt. Bei einem Backsourcing übernimmt der Kunde dann das Unternehmen zu 100 % und erhält die sich im Unternehmen befindlichen Assets und Ressourcen. Für ein Next-Generation-Outsourcing übernimmt die Geschäftsanteile der neue Anbieter. Dieses Modell kann viel leisten, eignet sich aber nicht für jeden Fall und ist mit Bedacht zu strukturieren, um nicht wieder Synergiepotenzial zu zerstören.

Vergleichsweise einfach ist die Rückübertragung von Individualsoftware des Kunden. Im Vertrag sind oft schon die richtigen automatischen Mechanismen vorgesehen, sodass man nur auf die vollständige Rückgabe achten muss. Anders sieht es bei Software aus, die von Drittherstellern geliefert wird. Hier muss der Kunde häufig an den Dritthersteller für die Rückübertragung zahlen. Das ist meistens der Fall, wenn der Outsourcer bei Abschluss des Vertrages mit dem Dritthersteller nicht vereinbart hat, dass die Lizenz nach dem Outsourcing kostenfrei übertragen werden kann. Wenn der abzuwickelnde Outsourcing-Vertrag keine entsprechende Verpflichtung enthält oder der Anbieter nicht selbst darauf geachtet hat, entstehen so vermeidbare Kosten. Wartungs- und Leasingverträge lassen sich nach den gleichen Grundsätzen mobil halten.

Für die beim alten Anbieter gespeicherten Kundendaten gilt es zu klären, wie und an wen die Daten zu übergeben und dann beim alten Anbieter zu löschen sind. Sofern sich die Formate durch das Backsourcing beziehungsweise die Übergabe an den neuen Outsourcer nicht ändern, geht das in der Regel problemlos. Anders beim Wechsel in neue Systeme, hier ist entweder eine Datenmigration zu planen oder es müssen, etwa bei Datensicherungen, mithilfe des alten Anbieters Tools für den Lesezugriff gesichert werden.

Rückabwicklung nur Hand in Hand

Auch wenn manche Kunden es kaum wahrhaben wollen: Ohne Kooperation und Unterstützung des bisherigen Outsourcers auch nach dem eigentlichen Vertragsende funktioniert ein Backsourcing so gut wie gar nicht und ein Next-Generation-Outsourcing wird zumindest in der Übergangsphase stark behindert. Neben den schon beschriebenen Unterstützungsleistungen zur Übertragung von Know-how, Assets, Daten und Verträgen ist es oft erforderlich, dass der alte Anbieter für einen Übergangszeitraum noch Ressourcen vorhält, um den Betrieb auch bei Verzögerungen in der Übergangsphase zu sichern. Besonders notwendig ist die Zusammenarbeit nach einem Anbieterwechsel, denn im Rahmen der vorvertraglichen Sorgfaltsprüfung (Due Diligence) erhält der neue Anbieter naturgemäß oft nur unvollständige Informationen vom alten Anbieter, weil dem alten Anbieter oft gar nichts an dem Wechsel liegt. Nach dem Wechsel klappt der Informationsfluss meist besser.

Positiv auf die Migration wirkt sich häufig aus, dass es bei einer Trennung immer auch um die Reputation des alten Anbieters geht. In dieser Situation unternimmt er schon im eigenen Interesse vieles, um kooperativ zu erscheinen und keine möglichen Kunden abzuschrecken. Verlassen kann man sich darauf natürlich nicht.

Das Beenden eines Outsourcings belastet den Kunden in der Regel stärker als den Anbieter: Letztlich muss der Kunde seinen Produktivbetrieb auch zukünftig sicherstellen. Er trägt die mit der Rück- oder Weiterübertragung der Betriebsmittel, der Mitarbeiter und des Know-hows verbundenen fachlichen und finanziellen Risiken.

Viele halten diese Risiken für unkalkulierbar und sehen deshalb von der Rückabwicklung oder Neuvergabe kriselnder Outsourcings ab. Das ist jedoch langfristig der falsche Weg, denn Abhängigkeit und Risiken werden dadurch nicht geringer. Außerdem vergibt man die Chance, die Qualität zu verbessern oder einfach vergleichbare Leistungen wieder strategischer am Markt nachzufragen – wie es das Outsourcing ja ursprünglich ermöglichen sollte.

Der richtige Weg ist, den Fall des Backsourcings oder Anbieterwechsels möglichst frühzeitig vorzubereiten, denn so werden die Risiken eher transparent und damit nicht nur kalkulierbar, sondern planbar. Im Idealfall beginnt man diese Planung parallel zu der des ersten Outsourcings, gestaltet die Verträge entsprechend und pflegt sie zusammen mit der Betriebsdokumentation. Aber selbst wenn der günstigste Zeitpunkt verpasst ist, lässt sich etwa durch ein gemeinsam mit dem Anbieter erstelltes Entflechtungskonzept noch viel retten. Wichtig ist nur, dass man sich nicht von einem gut laufenden Outsourcing abhalten lässt: Gerade in dieser Situation lassen sich tragfähige Entflechtungskonzepte gemeinsam viel einfacher aufsetzen als in der Krise oder unter Zeitdruck.

Der Autor Georg Meyer-Spasche ist Rechtsanwalt für IT-Recht bei der Kanzlei Osborne Clarke in Köln. (gs)