Also/Actebis-Zusammenschluss: Wird schon schief gehen.

Jetzt ist es amtlich: Aus den bisherigen Konkurrenten Also und Actebis soll eine Firma werden. Hoffentlich geht alles gut. Aber wer oder was bleibt dabei auf der Strecke? Was wird aus Actebis-Geschäftsführer Uwe Neumeier? Und aus den vielen anderen?

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Also- und Actebis-Mitarbeiter, -Kunden, -Lieferanten und der ganze Rest,

Lange her: Compaq-Visitenkarten aus den frühen 90er Jahren

(Bild: Compaq)

vergangene Woche habe ich ein paar Kilos Visitenkarten aus über 20 Jahren IT-Branche weggeworfen. Dabei waren einige Schätzchen wie das hier abgebildete von Kurt Dobitsch (wer erinnert sich?). Erstaunlich, wie viele Firmen von damals es heute nicht mehr gibt. Nicht alle haben sich in Nichts aufgelöst, eine ganze Reihe davon lebt sozusagen in einem anderen Unternehmen weiter. Aber kann man das so sagen? Wenn zum Beispiel ein kleiner Fisch von einem großen Fisch geschluckt und gefressen wurde, lebt dann der kleine Fisch wirklich in dem großen weiter?

Wann immer eine Firma eine andere schluckt, ist es ähnlich wie beim Menschen, der ein Butterbrot isst. Wichtig ist, dass man sich dabei an eine entscheidende Regel hält: "Gut gekaut ist halb verdaut." Ich hatte an dieser Stelle schon einmal auf die Bedeutung dieses Sprichworts hingewiesen, aber man kann das ja gar nicht oft genug sagen. Meistens ist es doch so, dass Probleme nach der Übernahme damit erklärt werden, dass das Unternehmen die übernommene Firma noch nicht "verdaut" habe und diese ihr noch immer "schwer im Magen liegt".

Man sollte es nicht glauben, aber noch immer gibt es gestandene Manager, die glauben, eine Firma ließe sich herunterschlucken wie eine Vitaminpille. Das ist natürlich Quatsch. Je größer die übernommene Firma, desto gründlicher und vor allem entschlossener muss gekaut werden. Das erfordert Mut, Konsequenz und Kompromisslosigkeit. Denn für jeden Kauprozess gilt: Was immer es ist, was man zerkaut, am Ende sieht es anders aus als vorher. Das ist bei einem Butterbrot genauso wie bei einem Unternehmen. Die wesentlichen, vom Organismus verwertbaren Bestandteile des zugeführten Objektes werden von diesem aufgenommen, gehen in die Blutbahn und die Muskulatur und dienen auf diese Weise der Stärkung des gesamten Systems. Was überflüssig ist und nicht verwertet werden kann, wird ausgeschieden. Das geschieht meistens im Stillen und hinter verschlossenen Türen, wenn Sie verstehen, was ich meine.

Wie gesagt: Für den erfolgreichen Verlauf dieses Geschehens ist sorgfältiges und gründliches Kauen von entscheidender Bedeutung. Hastiges Schlucken, zum Beispiel unter Zeitdruck, hat einen verzögerten Verdauungsprozess und eine erhebliche Belastung des gesamten Organismus zur Folge. Oftmals bilden sich Gase, die in der Regel zu einer langwierigen Verschlechterung des Klimas führen. Schlimm!

Bei der neuen Allianz von Also und Actebis weiß man ja nicht so genau, wer jetzt genau wen geschluckt hat und wer geschluckt worden ist. Deshalb sprechen die Firmen ja auch von einer "Fusion". Das macht die Sache aber nicht einfacher, im Gegenteil. Denn Fusion bedeutet zunächst immer auch Konfusion. Eines der größten Probleme bei Übernahmen und Fusionen besteht ja darin, dass es enorm viele interne Kräfte und Energien bindet. Ist ja auch völlig klar: Aus zwei bisher getrennten Systemen soll nun ein neues System entstehen; bis sich das endgültig und stabil geformt hat, vergeht eine Menge Zeit und wird jede Menge Energie verbraucht. Zeit und Energie, die einem auf der anderen Seite fehlen, um die Position am Markt zu festigen und auszubauen. Daher bleibt ein Teil der Hoffnungen, die man mit der Fusion oder Übernahme verbindet, zwangsläufig auf der Strecke.

Viele Also- und Actebis-Mitarbeiter beschäftigen sich verständlicherweise mit der Frage, welche Rolle sie in dem neuen Gebilde spielen werden. Das geht bis hinauf in die Firmenspitzen. Nicht besonders glücklich mit der bisher bekannten Konstellation der Konzernleitung dürfte vor allem der bisherige Actebis-Geschäftsführer Uwe Neumeier sein. Denn sein Name fehlt bei der Auflistung der neuen Also-Actebis-Spitze. Er hat das Nachsehen gegenüber Michael Dressen, der im Also-Actebis-Vorstand für die Länder Deutschland und Österreich verantwortlich sein wird. Es würde nicht wundern, wenn Neumeier die Konsequenzen aus dieser Nichtberücksichtigung zieht, wie später vermutlich auch andere Manager aus dem zweiten und dritten Glied, deren Hoffnungen auf eine fusionsbedingte Erweiterung ihres Verantwortungsbereichs und eine Verbesserung des persönlichen Status zerplatzten.

Übrigens: Ganz viele der Visitenkarten, die ich in der vergangenen Woche entsorgte, hatten noch den Aufdruck "Peacock". Darunter war eine von Peacock-Gründer Hartmut Hellweg. Die Firma Peacock gibt es ja jetzt auch schon ziemlich lange nicht mehr. Sie wurde im Jahr 1999 von Actebis geschluckt und gehört damit zu der Gruppe von Unternehmen, die gewissermaßen im Körper einer anderen Firma weiterleben. Aber wie gesagt: Ich bin nicht sicher, ob man das so sagen kann (siehe oben). Auf jeden Fall frage ich mich in Bezug auf Also und Actebis: Was bleibt da bestehen, was wird in diesem Verdauungsprozess verwertet und was wieder ausgeschieden?

Beste Grüße

Damian Sicking

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