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Seite 2: Mehr Rechtssicherheit

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Neben den inhaltlichen Neuerungen bringt das neue Gesetz auch eine formelle Änderung mit sich: So nehmen die üblichen Widerrufsbelehrungen Bezug auf die "Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht" (BGB-InfoV) [5]. Die darin enthaltenen Regelungen über die Informations- und Belehrungspflichten bei Fernabsatzgeschäften und Geschäften im elektronischen Geschäftsverkehr werden nun aufgehoben, entsprechende Verweise gehen also künftig ins Leere. Stattdessen werden die Regelungen der BGB-InfoV und auch die darin zu findende Muster-Widerrufsbelehrung selbst zum 11. 6. 2010 in das "Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch" (EGBGB) integriert [6].

Diese Verschiebeaktion ist keineswegs so sinnlos, wie sie auf den ersten Blick aussieht: Die BGB-InfoV ist nämlich "nur" eine von der Exekutive erlassene Rechtsverordnung, wohingegen das EGBGB ein echtes, von der Legislative erlassenes Gesetz ist.

Diese Feinheiten haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass manche Online-Verkäufer, die sich durch Übernahme des Formulierungsmusters aus der BGB-InfoV in ihren Widerrufsbelehrungen auf der sicheren Seite wähnten, dennoch Abmahnungen kassierten. Die Muster-Widerrufsbelehrung erwies sich als rechtlich keineswegs wasserdicht: Nach Ansicht einiger Gerichte stand sie nicht im Einklang mit den Vorgaben des BGB und wurde bisweilen als fehlerhaft beziehungsweise gesetzwidrig verworfen [2].

Diese Gefahr besteht in Zukunft nicht mehr, da die Muster-Widerrufsbelehrung aufgrund ihrer Integration in das EGBGB nun selbst Gesetzesrang genießt. Mit anderen Worten: Auf die "Muster-Gültigkeit" des gesetzlichen Belehrungstextes kann man in Zukunft (wieder) vertrauen.

Da das neue Gesetz keine Übergangsregelungen enthält, müssen alle Online-Händler ihre Widerrufsbelehrungen zum 11. Juni auf den aktuellen Stand bringen. Anderenfalls laufen sie Gefahr, abgemahnt zu werden, da die meisten bisherigen Belehrungstexte infolge der gesetzlichen Änderungen nicht mehr zutreffen. Es empfiehlt sich, bereits jetzt eine dem neuen Recht angepasste Widerrufsbelehrung vorzubereiten und sie ab 11. Juni einzusetzen. Die neue Muster- Widerrufsbelehrung findet sich in Anlage 1 zu Artikel 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB.

Ein besonderes Problem ergibt sich für Online-Händler, die in der Vergangenheit wegen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung abgemahnt wurden und durch die Anpassung an die neue Rechtslage (Verkürzung der Widerrufsfrist) nun gegen eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung verstoßen würden, die sie abgegeben haben.

Tatsächlich wird nach herrschender Rechtsprechung eine einmal abgegebene Unterlassungserklärung nicht automatisch unwirksam, wenn sich die Rechtslage ändert. Durch die Abgabe einer solchen Erklärung schließt der Abgemahnte mit dem Abmahnenden einen Vertrag, der zeitlich nicht befristet ist. Allerdings begründet eine grundsätzliche Änderung der Rechtslage ein außerordentliches Kündigungsrecht im Sinne von § 314 BGB.

Das bedeutet: Eine in der Vergangenheit abgegebene Erklärung, durch die man sich verpflichtet hat, etwas zu unterlassen, was nach neuer Rechtslage korrekt ist, sollte rechtzeitig gekündigt werden [7].

In Zweifelsfällen kann man auch einen Rechtsanwalt mit der Prüfung beauftragen, ob und inwieweit bei derartigen Fällen Handlungsbedarf besteht. Das Schöne daran: Selbst wenn der Rechtsanwalt eine unzutreffende Auskunft erteilen sollte, kann dem betreffenden Anbieter dann später kein schuldhafter Verstoß gegen die alte Unterlassungsverpflichtung vorgeworfen werden – ein solcher wäre nötig, damit die vorgesehene Vertragsstrafe fällig wird. [8].

Der Autor Kai Mielke ist Rechtsanwalt in Hannover / (psz)

[1] Wortlaut des Gesetzes (PDF)
[2] Kai Mielke, Pflichten, Fristen und Formen, c’t 9/07, S. 172
[3] Regierungsentwurf des Gesetzes (PDF)
[4] EuGH, Urteil vom 3. 9. 2009, Az. C- 489/07 (PDF)
[5] Wortlaut der Verordnung
[6] Wortlaut des EBGB in der jeweils aktuellen Fassung
[7] Ein Muster (PDF) für eine solche Kündigung findet sich etwa in der Broschüre "Wettbewerbsrecht – Die Kündigung von Unterlassungserklärungen" der IHK Reutlingen
[8] LG Dresden, Urteil vom 23. 1. 2009, Az. 10 O 2246/08 (map)