Arbeitsvertragsklauseln zur Überstundenabgeltung häufig unwirksam

In den Arbeitsverträgen vieler Arbeitnehmer finden sich sehr häufig Klauseln, laut denen sämtliche Überstunden mit dem Bruttogehalt pauschal abgegolten sind. Diese Formulierungen sind in der Regel unwirksam.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Überstunden lassen sich manchmal nicht vermeiden. Die meisten Arbeitnehmer leisten sie, ohne zu murren und häufig auch, ohne sie dem Chef zusätzlich in Rechnung zu stellen oder einen Freizeitausgleich dafür zu verlangen. Das ist in vielen Unternehmen gängige Praxis. Hinzu kommt, dass sich viele Arbeitnehmer mit Klauseln in ihren Arbeitsverträgen konfrontiert sehen, nach denen Überstunden bereits mit dem Bruttogehalt abgegolten sind. Doch oft sind solche Vertragsbestimmungen unwirksam. Rechtsanwalt Dr. Christian Salzbrunn beantwortet die wichtigsten Fragen zu diesem Thema.

Warum enthalten so viele Arbeitsverträge die Klausel "Mit dem gezahlten Bruttomonatsgehalt sind auch alle etwaigen Überstunden abgegolten"?


Zumindest wenn vom Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsverträge zum Einsatz kommen, ist die genannte Klausel tatsächlich oft anzutreffen. Der Arbeitgeber will für den Fall, dass Auftragsspitzen zu Überstunden führen, sein Risiko minimieren, mit unerwartet hohen Überstundenvergütungsansprüchen der Arbeitnehmer konfrontiert zu werden. Diesem Anliegen tragen derartige Abreden zur Überstundenpauschalisierung Rechnung.

Dr. Christian Salzbrunn arbeitet als Rechtsanwalt in Düsseldorf. Seit 2006 betreibt er eine eigene wirtschaftsrechtlich ausgerichtete Anwaltskanzlei. Zu den Tätigkeitsschwerpunkten der Kanzlei zählen das Arbeitsrecht, der Gewerbliche Rechtsschutz und der Einzug von offenen Forderungen. Überwiegend jedoch berät und vertritt Dr. Salzbrunn mittelständische Unternehmen und Arbeitnehmer bundesweit auf dem Gebiet des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Sind solche Klauseln inzwischen bei allen Arbeitnehmern üblich?

Bei leitenden Angestellten und z. B. bei Chefärzten sind sie üblich und auch rechtswirksam. Wenn es aber um die Verträge von "normalen" Arbeitnehmern geht, wurden solche Klauseln von den Instanzgerichten schon häufiger für unwirksam erachtet (siehe dazu beispielsweise LAG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2008, Az.: 9 Sa 1958/07; LAG Hamm, Urteil vom 18.03.2009, Az.: 2 Sa 1108/08; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.06.2010, Az.: 15 Sa 166/10). Weil es aber lange Zeit an einer höchstrichterlichen Entscheidung fehlte, wurden solche Formulierungen trotzdem immer weiter benutzt.

Gibt es denn inzwischen auch ein Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts dazu?

Ja, mit dem BAG-Urteil vom 01.09.2010 wurde die Rechtsprechung der Instanzgerichte bestätigt. Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses die Abgeltung von 102 Überstunden forderte. In seinem Arbeitsvertrag fand sich folgende Klausel: "Das Bruttogehalt bezieht sich auf 45 Arbeitsstunden wöchentlich. Davon sind 38 Normalstunden und 7 Mehrarbeitsstunden. Die Mehrarbeitsstunden können im Fall betrieblicher Erfordernisse jederzeit ganz oder teilweise abgebaut und verrechnet werden. Mit der vorstehenden Vergütung sind erforderliche Überstunden des Arbeitnehmers mit abgegolten". Trotzdem hatte seine Klage Erfolg.

Wie wurde das von Seiten des BAG begründet?

Die Richter des 5. Senats sahen in der Klausel einen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Dieses verlange, dass eine Klausel klar und verständlich formuliert ist, anderenfalls benachteilige sie den Arbeitnehmer unangemessen. Der Arbeitnehmer soll davor geschützt werden, dass seine ihm zustehenden Rechte nicht erkennbar sind und er soll vor allem nicht davon abgehalten werden, diese letztendlich auch geltend zu machen. Bei einer Klausel, welche eine pauschale Vergütung von Überstunden regelt, müsse der Umfang der geschuldeten Leistungspflicht des Arbeitnehmers bestimmt oder bestimmbar sein, so dass der Arbeitnehmer ermitteln kann, welche Arbeitsleistungen von der Abgeltungsklausel erfasst werden. Es muss erkennbar sein, welche bereits abgegoltenen Überstunden genau "auf ihn zukommen". Bei einer unbestimmten Pauschalierung bestehe nach Ansicht der BAG-Richter aber die Gefahr, dass der Arbeitnehmer in der Annahme, ihm stünden gar keine Ansprüche auf eine gesonderte Überstundenvergütung zu, seinen Anspruch nicht geltend machen könnte (Az.: 5 AZR 517/09).

Was bedeutet das für die Praxis? Schließlich enthalten trotzdem noch viele Verträge solche pauschal formulierten Klauseln.

Grundsätzlich bedeutet es, dass eine Abgeltungsklausel, die keinen Hinweis auf den Umfang der maximal abgegoltenen Überstunden enthält, intransparent und damit unwirksam ist.

Können Arbeitnehmer, deren Vertrag eine solche Klausel enthält, nun eine Bezahlung der geleisteten Überstunden fordern?

Selbstverständlich können sie vor dem Arbeitsgericht nun trotz einer derartigen Klausel auf Vergütung der Überstunden klagen. Allerdings haben sie noch eine weitere prozessuale Hürde zu überwinden, so dass eine solche Klage weiterhin nicht ganz ohne Probleme ist. Denn die Darlegungs- und Beweislast bei einem Streit über die Überstundenvergütung trifft den Arbeitnehmer. Dieser hat genau darzulegen und zu beweisen, welche Überstunden er im Einzelnen geleistet hat. Ferner muss er vortragen, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder zumindest geduldet wurden oder zur Erledigung der geschuldeten Arbeit tatsächlich notwendig waren. Unter Umständen muss sogar aufgezeigt werden, welche Tätigkeiten der Arbeitnehmer in diesen Überstunden genau ausgeübt hat. Viele Arbeitnehmer lassen aber über einen sehr langen Zeitraum hinweg sehr viele Überstunden auflaufen und haben keine genaueren Aufzeichnungen hierüber. Die Überstunden lassen sich nicht mehr genau rekonstruieren, da wird dann auch der Beweis schwierig. Außerdem verjährt der Anspruch auf Überstundenvergütung nach drei Jahren (§ 195 BGB), die Vergütung für ältere Überstunden kann also nicht mehr eingefordert werden. Zudem enthalten zahlreiche Arbeits- und Tarifverträge sehr kurz bemessene Ausschlussfristen für die Geltendmachung solcher Nachforderungen.

Zu welcher Formulierung in Arbeitsverträgen würden Sie Arbeitgebern und Arbeitnehmern nun raten, damit es später nicht zu Missverständnissen im Hinblick auf das Thema "Überstundenvergütung" kommt?

Besser ist es, wie folgt zu formulieren: "Mit der vereinbarten Bruttovergütung sind bis zu XXX Überstunden monatlich abgegolten. Darüber hinaus gehende Überstunden werden durch Freizeit ausgeglichen. Sollte dies nicht möglich sein, beträgt die Überstundenvergütung XXX € pro Stunde." Allerdings ist auch hierbei darauf zu achten, dass die genannten Überstunden in einem angemessenen Verhältnis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit stehen und dass die gesetzlichen Regelungen zur zulässigen Höchstarbeitszeit nicht überschritten werden. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)