Computerpflicht

Seite 3: Wer muss es können?

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„Persönlich“ ist einem Unternehmer beziehungsweise Gewerbetreibenden die elektronische Abgabe von steuerlichen Erklärungen laut AO unzumutbar, wenn er nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die „Möglichkeiten der Datenfernübertragung“ zu nutzen.

Wenn über „persönliche“ Unzumutbarkeit entschieden werden muss, kommt es zunächst darauf an, um welche Personen es geht – nämlich um diejenigen, die die steuerlichen Angelegenheiten in eigener Person oder für eine Gesellschaft zu erledigen haben. Bei einer Kommanditgesellschaft (KG) müssen die geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter diese Pflichten erfüllen [11]. Wenn eine persönlich haftende Gesellschafterin eine GmbH ist, wie dies bei der Konstruktion einer GmbH & Co KG der Fall ist, haben ihre Geschäftsführer nach § 35 des GmbH-Gesetzes diese Aufgaben auch für die KG zu erledigen.

Sind mehrere Personen Geschäftsführer einer GmbH, so trifft jeden von ihnen die Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen [12]. Damit verbunden ist auch, dass grundsätzlich jeder von ihnen alle steuerlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen hat.

Aus diesen Bestimmungen hat der BFH seine Ablehnung der Argumente abgeleitet, die der klagende GmbH-Geschäftsführer in Bezug auf Alter und mangelnde Computererfahrung vorbrachte: Es sprächen keine ersichtlichen Anhaltspunkte dagegen, dass die ebenfalls als Geschäftsführer fungierenden Kinder des Ehepaars über die notwendigen EDV-Kenntnisse verfügten. Auch ließ das Gericht den Einwand nicht gelten, dass die Kinder lediglich „formal“ zu Geschäftsführern ernannt worden seien.

Grundsätzlich ist auch im Steuerrecht anerkannt, dass die Aufgabenstellungen innerhalb einer Gesellschaft unter mehreren Geschäftsführern aufgeteilt werden können. Der BFH hat nun dem für die Steuern Verantwortlichen mögliche Kenntnisse und Fähigkeiten eines anderen Geschäftsführers zugerechnet, ohne auf die organisatorischen Vereinbarungen innerhalb der Gesellschaft Rücksicht zu nehmen. Ein solches Vorgehen ist aufgrund der umfassenden Vertretungspflicht eines Geschäftsführers einer GmbH in anderen Bereichen sicherlich notwendig und gerechtfertigt. Ob das aber auch für eine Aufgabe wie das Abgeben von Steueranmeldungen und -erklärungen gilt? Was soll ein kleines Unternehmen tun: die Verantwortungsbereiche umgestalten, dem für Steuern verantwortlichen älteren Geschäftsführer EDV-Kurse verpassen oder die Erklärungen gezwungenermaßen in die Hände von Dienstleistern legen, was zusätzliche Kosten bedeutet?

Nach Ansicht des BFH konnten in diesem Fall auch keine sonstigen Gründe für die Befreiung vom Digitalzwang sprechen. Allgemeine Bedenken gegen die Sicherheit der elektronischen Übermittlung der Voranmeldungen nach den amtlichen Vorschriften wies das Gericht unter Hinweis auf die Ausführungen der Vorinstanz zurück. Dem BFH zufolge ist das verbleibende Risiko eines Hacker-Angriffs auf die gespeicherten oder übermittelten Daten im überwiegenden Interesse des Gemeinwohls hinzunehmen.
Wenn das Gericht in diesem Zusammenhang allerdings nur über die Datenkonsistenz nachgedacht hat, greift es damit etwas kurz. Es geht auch um Sicherheit vor unbefugter Kenntnisnahme: Ein Unternehmer kann berechtigtes Interesse daran haben, Umsatz- und
Gewinnzahlen vertraulich zu halten.

Wenn der Unternehmer aus § 150 Abs. 8 AO keinen Anspruch herleiten kann, das Papierverfahren weiter zu nutzen, hat er lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Finanzamts auf der Grundlage der allgemein geltenden gesetzlichen Regeln. Sofern es um die Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen geht, betrifft dies § 18 Abs. 1 UStG (siehe Kasten). „Ermessen“ bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nicht etwa Belieben oder gar Willkür. Vielmehr muss die Finanzbehörde die im Einzelfall vorgetragenen Gründe gegenüber dem Interesse des Fiskus an einer elektronischen Steuerdaten-Übermittlung abwägen – und zwar logisch nachvollziehbar und in angemessener Gewichtung.

Dabei muss sie beispielsweise berücksichtigen, wenn ein Unternehmer über keine erforderliche Hard- und Software verfügt. Ob der Betreffende privat vielleicht dennoch eine Playstation 3 mit Internet-Anbindung nutzt, darf für die Entscheidung keine Rolle spielen.

Zurückgewiesen hat der BFH auch die Vorstellung des Finanzamts und des niedersächsischen Finanzgerichts, eine GmbH müsse sich die Computerausstattung anderer „Konzerngesellschaften“ zurechnen lassen. Denn bei den Schwestergesellschaften handelt es sich um selbstständige Rechtssubjekte.

Ausdrücklich offen gelassen hat das oberste Steuergericht, ob im Falle einer Organschaft, bei der eine juristische Person (beispielsweise GmbH) nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist, etwas anderes gilt [13]. Ein Organträger, der keinen PC mit Internet-Anbindung hat, könnte für die Steueranmeldungen und -erklärungen eines Organunternehmens mitverantwortlich sein. Wenn nun das betreffende Organunternehmen, das seine Steuerdokumente gar nicht in eigener Regie handhabt, über eine geeignete IT-Infrastruktur verfügt – würde dann im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung aller Interessen das Vorhandensein der Computeranlage dem Organträger zugerechnet? Eine ungeklärte Frage.