Doppelfall

Seite 2: Duldung führt zu betrieblicher Übung

Inhaltsverzeichnis

Rechtlichen Zündstoff bergen oft die Fälle, in denen es keine Regelung gibt. Grundsätzlich gilt, dass Betriebsmittel, zu denen Geschäftshandys zählen, dem Arbeitgeber gehören und der Mitarbeiter sie nur im Rahmen der Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten verwenden darf. Das schließt jede private Nutzung aus. Oft dulden Arbeitgeber aber eine private Nutzung im mehr oder minder großen Umfang, was aus juristischer Sicht zu einer sogenannten "betrieblichen Übung" führen kann.

Hat ein Arbeitgeber mehrfach die private Nutzung eines Handys durch den Mitarbeiter gestattet oder offenbar geduldet, entsteht mit der Zeit ein Rechtsanspruch des Mitarbeiters, privat telefonieren zu dürfen. Das kann der Arbeitgeber nicht mehr durch einseitige Anweisung ändern. Er muss eine Änderungskündigung aussprechen, die der Arbeitnehmer in vielen Fällen anfechten kann. Außerdem ist, so vorhanden, der Betriebsrat einzubeziehen. Das Gleiche gilt, wenn sich der Arbeitgeber entschließt, private Telefonkosten von einem Tag auf den anderen vom Lohn abzuziehen.

Besonders kritisch ist schließlich das Ausscheiden eines Mitarbeiters. War eine private Nutzung untersagt und hat der Arbeitnehmer kein Recht darauf aufgrund betrieblicher Übung erworben, kann der Arbeitgeber ihm das Handy mit dem Verlassen des Betriebes abnehmen. Alle anderen Fälle bergen wiederum rechtliche Fallstricke. Bei erlaubter Privatnutzung endet die Handynutzung ebenfalls mit Beendigung des Anstellungsverhältnisses. Bei leitenden Mitarbeitern spricht die Geschäftsleitung zusammen mit einer Kündigung häufig eine Freistellung aus. Der Arbeitgeber verzichtet damit gegenüber dem in der Regel nicht mehr motivierten Arbeitnehmer auf dessen Leistungen, bis das Dienstverhältnis beendet ist. Während der Freistellung bleibt aber der Anspruch auf die Privatnutzung des Handys bestehen. Der Arbeitgeber kann erst nach deren Ablauf die Herausgabe verlangen.

In vielen Fällen sind Mitarbeiter daran interessiert, zumindest die Mobilfunkrufnummer zu übernehmen, vor allem, wenn der Mitarbeiter wegen der Mitnutzung über kein privates Mobiltelefon verfügt. Ohne eine vertragliche Vereinbarung ist die Rechtslage unklar. Hat der Arbeitgeber den Mobilfunkvertrag des Mitarbeiters beim Eintritt ins Arbeitsverhältnis übernommen, dürfte er bei seinem Ausscheiden verlangen können, den laufenden Mobilfunkvertrag zu übernehmen. Die Mobilfunkanbieter stimmen einer solchen Übernahme in der Regel zu. Für den Mitarbeiter bedeutet das oft, dass er künftig nur noch den Privatkundentarif und nicht mehr günstigere Großkundentarife nutzen kann.

In den anderen Fällen ist abzuwägen: Hat der Arbeitnehmer ein größeres Interesse an der Weiternutzung der Mobilfunknummer als der Arbeitgeber, könnte ein Anspruch auf Eintritt in den laufenden Mobilfunkvertrag bestehen. Andernfalls nicht. Streit ist vorprogrammiert, wenn der Arbeitgeber die Rufnummer einem anderen Mitarbeiter geben möchte, etwa weil der sich zukünftig um die bestehenden Kundenkontakte kümmern und als neue Kontaktperson erreichbar sein soll. Hier kommt es ganz auf den Einzelfall an, wobei im Zweifel das Interesse des Arbeitgebers vorgehen dürfte. Hat ein Mitarbeiter Anspruch auf Rufnummernübernahme und Eintritt in den Mobilfunkvertrag, könnte er die Übergabe des mit dem Mobilfunkvertrag rechtlich oder über SIM-Locks technisch verknüpften Mobilfunkgeräts verlangen. Gerichtsentscheidungen zu dem Aspekt sind noch nicht bekannt.

Darf ein Mitarbeiter das Mobiltelefon nach Ausscheiden mitnehmen, ist zu klären, was mit den auf dem Gerät gespeicherten Geschäftskontakten, wie Telefonnummern der Kunden, geschehen soll. Über einen solchen Fall hat der Bundesgerichtshof 2009 entschieden (Az. I ZR 28/06). Kundendaten gelten danach häufig als Geschäftsgeheimnisse. Nimmt sie jemand ohne Genehmigung des Chefs mit, kann das eine Straftat nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb darstellen. Dies gilt, wenn es sich um Kunden oder potenzielle Kunden handelt, mit denen Geschäfte nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters denkbar sind.

Nur solche Informationen sind von dem Verbot ausgenommen, die sich aus allgemein zugänglichen Quellen nachvollziehen lassen, etwa Telefonbüchern oder Internetseiten. Von Bedeutung sind hingegen die direkten Durchwahlnummern von Mitarbeitern eines Kunden und deren E-Mail-Adressen, die nicht öffentlich verfügbar sind. Sie darf der Mitarbeiter auch dann nicht einfach mitnehmen, wenn er sie selbst zusammengestellt und elektronisch gespeichert hat, da das in Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten geschehen ist. Dies gilt erst recht, wenn arbeitsvertraglich ein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach dem Ausscheiden vereinbart ist. Vertragliche Geheimhaltungsvereinbarungen kommen ebenfalls ins Spiel.

Beachtet ein Mitarbeiter diese Punkte nicht, stehen zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz, Löschung und Auskunft im Raum. Ein Arbeitgeber kann Strafanzeige erstatten, womit der Mitarbeiter eine Verurteilung zu Geld oder Freiheitsstrafe riskiert. Da es sich bei Kunden- und Geschäftsdaten häufig um wesentliche Werte handelt, lassen Arbeitgeber nicht mit sich spaßen. Erst recht nicht, wenn ein Mitarbeiter zu einem Konkurrenten wechselt.

Grundsätzlich gelten die Regelungen auch für Smartphones. Wegen der zusätzlichen Funktionen gibt es ein paar Besonderheiten: Ist privates Telefonieren gestattet, folgt nicht automatisch, dass die Nutzung als privates Datengerät erlaubt ist. Wer privat genutzte Apps auf einem Smartphone der Firma installieren möchte, sollte sich vorher per Absprache rückversichern.

Bei privater Datennutzung gilt ebenso, dass die Erlaubnis zum privaten Telefonieren mit einem Smartphone nicht automatisch heißt, privat surfen oder Downloads durchführen zu dürfen. Eine Daten-Flatrate alleine genügt nicht, um sich vor Ärger mit dem Chef zu schützen. Nur weil dem Arbeitgeber keine Kosten entstehen, ist man noch nicht auf der sicheren Seite. Andere Interessen des Arbeitgebers, wie Schutz vor Viren aus Downloads et cetera, sind ebenfalls zu berücksichtigen.

Die oben diskutierte Mitnahme der Telefonnummer und des Gerätes beim Ausscheiden aus einem Arbeitsverhältnis kommt beim Smartphone, den privaten Daten und kostenpflichtigen Apps eine besondere Bedeutung zu. Der Mitarbeiter hat in der Regel einen Anspruch darauf, dass ihm der ehemalige Arbeitgeber die privaten Daten aushändigt und sie anschließend löscht oder er sich seine Daten herunterladen darf, was aber bei gerätegebundenen Apps, etwa fürs iPhone, oft nicht möglich ist.