EP will keine Apotheke sein – besser wär´s aber

Es gibt in Deutschland rund 22.000 Apotheken, mehr als doppelt so viele wie stationäre IT-Fachhandelsbetriebe. Und die Apotheken haben ihren Kollegen aus der IT-Branche eines voraus: Sie erbringen eine Leistung, die es sonst nirgends gibt. Und das lassen sie sich entsprechend bezahlen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Traum. Dennoch will EP-Chef Friedrich Sobol das "Apotheken-Image" abstreifen. Ein Fehler!

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Von
  • Damian Sicking

Lieber ElectronicPartner-Chef Friedrich Sobol,

ElectronicPartner-Chef Friedrich Sobol

Sie sind erst seit ein paar Wochen im Amt, und nachdem Sie sich einen Überblick über den Ernst der Lage verschafft haben, geht´s jetzt ans Eingemachte. Sie haben für ElectronicPartner ein "Zukunftsprogramm“ aufgelegt, um "die Wettbewerbsposition zu stärken und die Leistungsfähigkeit sowie die Attraktivität zu erhöhen“. EP brauche, schreiben Sie, "eine deutliche Effizienzsteigerung in allen organisatorischen Bereichen“, dazu werde "die Logistik standortübergreifend neu strukturiert und die Lagerhaltung auf die Standorte Genshagen und Augsburg konzentriert“. Ich kann mir gut vorstellen, wie diese Neuigkeiten vor allem von den EP-Mitarbeitern aufgenommen worden ist: mit Schrecken. Denn Ihre Formulierungen sind wohl nur ein anderer Ausdruck für Arbeitsplatzabbau. Und da Sie ankündigten, dass die Umsetzung der Maßnahmen "kurzfristig“ starten würden, darf man auch wohl Entlassungen erwarten. Alles andere würde zu lange dauern.

Aber Sie haben ja Recht: Es muss etwas geschehen. Die Zeiten haben sich geändert. ElectronicPartner bläst der Wind ins Gesicht, und zwar kräftig. Von den drei Marken EP (Fachhandel), Medimax (Retail/Großfläche) und Comteam (Systemhaus) stehen vor allem die beiden ersten unter massivem und zwar gleich mehrfachem Druck. Preise und Margen sinken immer weiter, trotzdem halten sich die Kunden mit Käufen zurück, und wenn sie dann doch ihr Geld für IT- oder CE-Equipment ausgeben, dann bestellen sie immer öfter im Internet. Und mit dem schwachen TV-Geschäft ist eine tragende Umsatzsäule der Vergangenheit gefährlich ins Wanken geraten. Und manche Versuche, neue Dinge zu probieren wie plusanschluss.de, haben sich trotz anfänglicher Jubelmeldungen aus Ihrem Hause doch nicht als die erwarteten Hoffnungsträger erwiesen und werden nun wieder eingestellt.

Zu Ihrer Medimax-Strategie hatte ich mich an dieser Stelle vor kurzem ja schon mal geäußert. Ich verstehe nach wie vor nicht, warum Sie weiterhin in die Fläche investieren und immer neue Märkte aufmachen wollen. Auch so sonderbare Phänomene wie zum Beispiel jenes, dass es in Berlin gleich zehn Medimax-Läden gibt und in Hamburg sieben, in München oder Köln aber nicht einen einzigen, kapier ich nicht. Ich für meinen Teil müsste mehr als 100 Kilometer bis nach Regensburg fahren, wenn ich eines der tollen Medimax-Angebote erstehen wollte. Tue ich aber natürlich nicht. Was will ich sagen: Bevor Sie weiterhin Medimax-Märkte auf dem Land aus dem Boden stampfen und damit Ihren EP-Mitgliedsbetrieben Konkurrenz machen, sollten Sie sich mit Medimax auf die Metropolen konzentrieren. Aber dann mit Klasse statt Masse. Nicht zehn oder sieben Märkte pro Stadt, sondern besser ein oder höchstens zwei, dafür aber auch richtig "max“. Bieten Sie den Leuten etwas Besonderes ("Erlebnis“), so dass Medimax-Läden das Ziel von Familienausflügen werden, ähnlich wie Ikea.

Nun zur Marke EP. In einem Gespräch mit meinem Kollegen Robert Höwelkröger auf der IFA sagten Sie, dass EP dringend sein "Apotheken-Image“ verlieren müssen. Völlig falsch, lieber Herr Sobol. Das Problem von EP besteht nicht darin, dass die Läden draußen im Lande ein Apotheken-Image haben, sondern dass sie dieses Image nicht einlösen können. Meine These lautet sogar, dass der stationäre IT-Fachhandel nur dann ein Existenzberechtigung und damit eine Zukunft hat, wenn es ihm gelingt, sich so wie die rund 22.000 Apotheken in Deutschland aufzustellen. Damit meine ich natürlich nicht hohe Preise für Leistungen, die es anderswo für die Hälfte gibt. Das geht natürlich nicht, aber das ist trivial.

Was macht eine Apotheke aus? Das Wesentliche besteht darin, dass eine Apotheke Leistungen anbieten, die es anderswo nicht gibt. Das sind natürlich vor allem verschreibungspflichtige Medikamente. Die gibt es nur dort. Die gibt es nicht in der Drogerie und erst recht nicht bei Aldi, Lidl & Co., sondern ausschließlich in der Apotheke. Nun werden Sie vielleicht einwenden, dass es sich im Falle der Apotheken um so etwas wie einen staatlichen Protektionismus handele, und ja, Sie haben völlig Recht. Aber das tut nichts zur Sache. Wichtig ist lediglich, dass Apotheken eine Leistung anbieten, die man sonst nirgends bekommt.

So, und das muss dem stationären Fachhandel, ob er EP oder sonstwie heißt, auch gelingen. Es muss ihm gelingen, eine Leistung anzubieten, die der Kunde sonst nirgends erhält. Und die dem Kunden natürlich so wichtig ist, dass er dafür bereit ist zu zahlen. Es ist für den stationären Fachhandel also völlig falsch, immer nur die Preise nach unten zu schrauben ("kein Apotheken-Image“), sondern er muss ganz anders ansetzen und seine Leistungen nach oben schrauben. Also Leistungsschraube hoch statt Preisschraube runter.

Gibt es solche Leistungen? Das ist die Gretchenfrage. Meine klare Antwort: Ich weiß es nicht. Aber eins weiß ich genau: Wenn es sie nicht gibt, dann wird es mit dem stationären Fachhandel weiter bergab gehen. Und dann können die Händler immer nur an der Effizienz-, sprich Kostenschraube drehen. Bis sie irgendwann die Kosten auf Null gesenkt – aber auch kein Geschäft mehr haben.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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