Fiskus darf Kontrollpflichten nicht an Steuerzahler weiterreichen

Finanzämter dürfen den Mehrwertsteuerabzug nicht verweigern, wenn es zu Unregelmäßigkeiten beim Rechnungsaussteller gekommen ist. Denn damit treffen die Sanktionen den Falschen.

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Von
  • Marzena Sicking

Laut Mehrwertsteuerrichtlinie dürfen Unternehmen beim Kauf von Gegenständen oder Dienstleistungen, die für ihre Arbeit erforderlich sind, die Vorsteuer abziehen. Sie müssen den Nachweis über die Lieferung oder Dienstleistung aber mit einer ordnungsgemäß ausgestellten Rechnung belegen. Der Europäische Gerichtshof hat sich nun mit zwei Fällen befasst, in denen es um die Frage ging, ob der Mehrwertsteuerabzug verweigert werden kann, wenn es beim Rechnungsaussteller zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist.

Im ersten Fall ging es um ein ungarisches Unternehmen, das bei einem Lieferanten Waren eingekauft und in mehreren Lieferungen unterschiedlicher Mengen erhalten hatte. Der Lieferant stellte über die Lieferung dieser Gegenstände Rechnungen aus und zahlte die Mehrwertsteuer. Der Kunde machte von seinem Recht die Vorsteuer abzuziehen Gebrauch.

Bei einer Überprüfung des Lieferanten stellte das ungarische Finanzamt jedoch Unstimmigkeiten fest. So passten Lieferung und Warenbestand nicht zusammen. Laut dem, was der Lieferant seinen Büchern zur Folge im Lager hatte, hätte er gar nicht so viel an den Kunden liefern können. Die Steuerbehörde ging deshalb davon aus, dass die Rechnungen falsch waren und verweigerte dem Empfänger der Waren den Mehrwertsteuerabzug. Außerdem warf sie dem Kunden vor, die Qualität des Handelspartners und ob dieser seine mehrwertsteuerrechtlichen Pflichten erfüllt habe, nicht ausreichend geprüft zu haben.

Das örtliche Bezirksgericht Baranya wandte sich an den EuGH mit der Frage, ob der Mehrwertsteuerabzug verweigert werden darf, wenn die Rechnungen formell zwar korrekt sind, der Kunde sich aber laut Steuerbehörde nicht des ordnungsgemäßen Verhaltens des Rechnungsausstellers vergewissert hat.

Im zweiten Fall ging es um einen Unternehmer, der Mehrwertsteuer abziehen wollte, die er bereits an die Subunternehmer gezahlt hatte. Die Steuerbehörde verweigerte dies jedoch mit der Begründung, bei dem Subunternehmer lägen steuerliche Unregelmäßigkeiten vor. Das hier zuständige Gericht wollte vom EuGH wissen, ob der Mehrwertsteuerabzug verweigert werden darf, weil der Rechnungsaussteller Unregelmäßigkeiten begangen hat und nicht feststeht, ob der Rechnungsempfänger davon wusste.

In seinem Urteil (vom 21.6.2012, Az.: C-80/11) machten die Richter deutlich, dass das Recht auf Vorsteuerabzug ein integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und daher grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann. Die EU-Mitgliedstaaten können den Vorteil nur verweigern, wenn feststeht, dass das Recht missbraucht oder in betrügerischer Weise geltend gemacht wird. Dies sei zum Beispiel der Fall, wenn der Empfänger von Waren und Rechnung weiß, dass dieser Umsatz Teil einer Steuerhinterziehung beim Lieferanten ist. Allerdings sei es Sache der Steuerbehörde nachzuweisen, dass der Steuerpflichtige von dieser Steuerhinterziehung wusste oder hätte wissen müssen.

Ein Unternehmer könne durchaus dazu verpflichtet sein, weitere Auskünfte über seinen Lieferanten einzuholen, falls Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung vorliegen. Die Steuerbehörden dürften aber nicht generell verlangen, dass der Steuerpflichtige überprüft, ob beim Lieferanten auf einer vorhergehenden Umsatzstufe Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen. Vielmehr sei es Sache der Steuerbehörden, die entsprechenden Kontrollen durchzuführen, um Unregelmäßigkeiten und Mehrwertsteuerhinterziehung aufzudecken. Diese Kontrollaufgaben könnten die Finanzbehörden keinesfalls auf die Steuerpflichtigen abwälzen und diesen dann noch wegen angeblich mangelhafter Erfüllung dieser Aufgaben die Ausübung des Abzugsrechts verweigern. (map)
(masi)