Internet meets TV: Mit dem Fernseher auch im Web unterwegs

Im September 2009 wurden in Deutschland rund 520.000 Flat-TVs verkauft. Laut Marktforscher GfK waren davon bereits 11 Prozent Internet-tauglich, also Hybrid-TVs. Heise resale hat nachgefragt, was der Handel von diesen Fernsehern hält und wie er sie verkauft.

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Von
  • Matthias Parbel
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Das Hybrid-TV-Angebot ist noch sehr überschaubar. Als einziger Hersteller bietet Philips mit NetTV eine offene Internetplattform an.

(Bild: Philips)

Groß, flach, schick: Das waren in den vergangenen Jahren die wichtigsten Kaufargumente für Fernsehgeräte. Der Kunde honorierte die Bestrebungen der Industrie mit unerschütterlicher Investitionsbereitschaft und bereits mehr als die Hälfte aller deutschen Haushalte verfügt über mindestens einen Flat-TV, viele davon schon für High Definition (HD)-Inhalte ausgelegt. Andererseits sind immer noch rund 30 Millionen Röhrenfernseher im Einsatz. Nun braucht die Branche neue Argumentationshilfen, um den Verkauf auch weiterhin auf hohem Niveau zu halten.

Flat-TVs mit Internet-Zugang, sogenannte Hybrid-TVs, sollen es nun richten. Hersteller wie Philips, Panasonic, Samsung und Sharp haben bereits Fernseher im Angebot, mit denen der Anwender ausgewählte Zusatzinfos aus dem Internet abrufen kann. Ab dem kommenden Jahr bringt auch Sony so ein Zwittergerät auf den Markt. Und Humax ermöglicht dem Internet mit seinen neuen Settop-Boxen den Einzug ins Wohnzimmer. Während Philips als bislang einziger Anbieter auf die offene Internetplattform CE-HTML (CEA-2014 Web4CE) setzt, bieten die Wettbewerber sogenannte Widget-Lösungen an, bei denen per Druck auf eine spezielle Taste der Fernbedienung voreingestellte Inhalte wie Wetter, Nachrichten, Börsenkurse oder Musik und Videoclips abgerufen werden können. Einen Zugang zum "freien" Internet gibt es jedoch nicht.

Der Anteil der Hybrid-TVs konnte sich mengenmäßig innerhalb eines halben Jahres auf 11 Prozent steigern, beim Umsatz liegt der Anteil sogar bei 16 Prozent.

(Bild: GfK)

Die ersten Hybrid-TVs wurden im Frühjahr angeboten und schon heute beanspruchen sie sichtlich ihren Anteil am gesamten TV-Markt in Deutschland. Laut GfK waren im September 2009 schon elf Prozent aller verkauften Flat-TVs Internet-tauglich. Und das, obwohl die aktive Kundennachfrage noch eher verhalten ist, wie Rudolf Reim, Bereichsleiter CE bei der Handelskooperation Euronics im Gespräch mit heise resale berichtet. "Für die Kunden ist es derzeit wichtiger, dass der Fernseher flach und groß und schick ist, Surfen am TV ist noch kein Key Feature", konstatiert Reim. Hier liegt die Betonung auf "noch", denn Euronics hat sich auf Hybrid-TV eingestellt, weil Internet-fähige TVs nach Reims Einschätzung garantiert in den kommenden zwei bis drei Jahren das Top-Thema werden. Deshalb reagierte die Kooperation schon heute und hat sich in der Ditzinger Zentrale personell neu aufgestellt. Um das Thema Hybrid-TV umfassend abzudecken und zu schulen, wechselte ein Experte für PC und Software in den TV-Bereich.

Laut Rudolf Reim, Bereichsleiter CE bei Euronics, ist der Fachhandel bereit, die Führungsrolle bei der Hybrid-TV-Vermarktung zu übernehmen.

(Bild: Euronics)

Fachhandel muss Eigeninitiative zeigen

Von den rund 2000 Euronics-Mitgliedern in Deutschland sind schon heute einige sehr progressiv und bieten ihren Kunden umfassende Beratung und Hilfestellung. Vor allem die Media@home-Geschäfte, die sich auf Heimvernetzung spezialisiert haben, können schon deutliche Erfolge mit Hybrid-TVs verbuchen. Aber auch "normale" Euronics-Mitglieder, die meist in kleineren Städten sitzen, bieten ihren Kunden rund um das Internet-TV Komplettlösungen an, bei Bedarf inklusive DSL-Vertrag und Ausstattung. Erste Erfahrungen zeigen: Neben jüngeren Konsumenten, die mit dem Internet vertraut sind und für die individuelle Mediennutzung selbstverständlich ist, sind immer öfter ältere Kunden oder Konsumenten ohne PC-Kenntnisse an einem Hybrid-TV interessiert. Der Nutzen liegt für sie auf der Hand: Sie können damit Zusatzinfos, etwa zu Reisen oder Gesundheit, einfach per Fernbedienung abrufen oder auch einfach nur "auf dem gewohnten großen Fernseher Bilder und Videos der Enkel betrachten".

EP-Europaeinkaufschef Karl Trautmann weiß, dass Kunden zögerlich bei proprietären Systemen reagieren und präferiert deshalb den offenen Standard von Philips.

(Bild: ElectronicPartner)

Für den Kunden ist laut Reim der TV-Händler immer noch vor dem PC-Händler die erste Anlaufstelle, wenn es um den Fernseher geht. Und das soll auch so bleiben, denn die TV-Spezialisten möchten auch dann die Nase vorn haben, wenn der Fernseher das zentrale Ausgabemedium für Unterhaltung und Information ist. Dieser Ansicht schließen sich auch Vertreter von ElectronicPartner (EP) und Expert uneingeschränkt an.

"TV mit Internet-Zugang beurteilen die Händler sehr positiv. Diese Technologie bietet einen echten Mehrwert für den Endkunden, ist tendenziell nicht palettenfähig, sondern ein Beratungsprodukt", erklärt Karl Trautmann, Europa-Einkaufschef bei EP. Das bestätigt Mathias Richter, Inhaber von EP: R&C Elektronik aus Auerbach. "Als Fachhändler sind wir hungrig nach innovativen Technologien. Sie bieten uns eine echte Chance, mit Beratung die Kunden nachhaltig zu begeistern und davon zu überzeugen, dass wir im Fachhandel kompetent zu neuen Technologien beraten. Gleichzeitig bietet uns die neue Technologie hinreichend Argumente für ein adäquate Entlohnung." Um dem Kunden die Anwendungsvielfalt der internetfähigen TVs zu zeigen, hat Richter das Netzwerk im Ladengeschäft ausgebaut und lässt auf den Hybrid-TVs die diversen Web-Inhalte laufen.

Solange es noch keinen Standard gibt, befürchtet Volker Müller, Vorstandsvorsitzender der Expert AG, dass die Kunden wie beim Streit Blu-ray kontra HD-DVD zurückhaltend reagieren.

(Bild: expert)

Auch die MediMax-Filialen aus der EP-Gruppe haben seit etwa einem halben Jahr ihre TV-Wände vernetzt, die Mitarbeiter intensiv geschult und bieten den Kunden an, das Wohnzimmer oder den gesamten Haushalt zu vernetzen, wie Martin Wolf, Einkaufsleiter bei MediMax, gegenüber heise resale erklärt. "Durch den Mehrwert konnten wir den Durchschnittspreis der verkauften TVs heben und das Vertrauen und die Zufriedenheit der Kunden nochmals stärken."

Die expert-Fachhändler sehen ebenfalls in Hybrid-TVs die Chance, ihre Beratungskompetenz im Gegensatz zu den "Kistenschiebern" ausspielen zu können. "Unsere Fachhändler wünschen sich allerdings, dass die Hersteller sich im Vorfeld auf ein einheitliches System wie HbbTV einigen", fordert Volker Müller, Vorstandsvorsitzender der Handelskooperation. "Wir würden dies als Alternative zu unterschiedlichen proprietären Lösungen bevorzugen." Trotz sichtbarer Verkaufserfolge ist Hybrid-TV für ihn deshalb nur eingeschränkt ein Muss im diesjährigen Weihnachtsgeschäft. "Wir erwarten jedoch, dass auf der IFA 2010 'Hybrid-TV' ein Schwerpunktthema sein wird und damit der Startschuss für ein interessantes Geschäft gegeben wird", prognostiziert Müller.