Juristischer Zugangszeitpunkt von E-Mails

Wer zeitkritische Nachrichten per Mail verschickt, sollte sich nicht allzu sicher damit fühlen. Schließlich kommt es darauf an, wann die Mail gelesen wird.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Wichtige Dokumente mussten lange Zeit per Post zugestellt werden, eine Zustellung per Mail war hinsichtlich der rechtlichen Verbindlichkeit eine eher riskante Geschichte. Das ist längst vorbei, auch Verträge oder Kündigungen, die per Mail geschickt werden, haben durchaus ihre Gültigkeit. Aber die schnellste Art eine Nachrichten zu übermitteln, ist eine Mail dennoch nicht, wie Rechtsanwalt Thomas Feil anhand eines aktuellen Urteils erklärt.

In den meisten Branchen ist die Kommunikation per E-Mail zur schnellen Übermittlung von Nachrichten nicht mehr wegzudenken. Gerade im geschäftlichen Bereich werden oft nicht nur Informationen ausgetauscht, sondern auch Verträge abgeschlossen oder Kündigungen ausgesprochen. Praktisch dabei ist, dass E-Mails quasi ohne Zeitverzögerung vom Empfänger abgerufen werden können. Bei zeitkritischen Erklärungen ist der juristische Zugangszeitpunkt von großer Wichtigkeit. Durch sofortige Abrufmöglichkeit von E-Mails durch den Empfänger wird oftmals davon ausgegangen, dass der Zugangszeitpunkt durch die Abrufbarkeit auf dem Mail-Server des Empfängers bestimmt wird. Das Amtsgericht Meldorf hat in einem jetzt bekannt gewordenen Urteil anders entschieden (29.03.2011, Aktenzeichen: 81 C 1601/10).

Hintergrund der Entscheidung war, dass ein Kunde ein Reisebüro beauftragt hat, eine Reise zu buchen, sobald diese zu einem bestimmten Preis verfügbar sein würde. Nach Geschäftsschluss hat der Kunde diese Reise online selbst zu einem günstigen Preis gefunden und dem Reisebüro, das telefonisch nicht mehr erreichbar war, per E-Mail mitgeteilt, dass er die Reise schon selbst gebucht hat. Am nächsten Morgen buchte das Reisebüro die Reise für den Kunden, der dann eine der beiden Reisen stornieren musste. Der Kunde verlangte vom Reisebüro die Stornogebühren erstattet.

Thomas Feil ist seit 1994 als Rechtsanwalt in Hannover tätig. Er ist Fachanwalt für IT-Recht und Arbeitsrecht. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehört auch das Vergaberecht.

Das Gericht entschied, dass der Kunde die Stornogebühren selbst zu tragen hat, weil das Reisebüro unter Berücksichtigung der grundgesetzlich garantierten Berufsfreiheit nicht dazu verpflichtet gewesen ist, die E-Mails gleich morgens früh abzurufen und abzuarbeiten. Daher sei die E-Mail des Kunden noch gar nicht eingegangen. Leider verrät die Entscheidung des Amtsgerichts nicht, zu welchem Zeitpunkt die E-Mail denn zugegangen wäre.

Allgemein wird eine Mitteilung dem Empfänger gegenüber dann wirksam, wenn unter normalen Umständen mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Nicht mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden kann jedenfalls außerhalb der Geschäftszeiten. Es ist also nicht maßgeblich, wann die E-Mail abstrakt abrufbar wäre. Allerdings gibt es keine festen Zahlen, wie oft ein Unternehmer verpflichtet ist, seine E-Mails abzurufen. In einer nunmehr fast 10 Jahre alten Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 2HK O 943/01) wird der Abruf einmal täglich verlangt. Dies dürfte heute wohl häufiger sein. Letztlich wird man aber je nach Branche und Verkehrsanschauung im Einzelfall differenzieren müssen.

Für die Praxis bedeutet dies, dass besonders zeitkritische Erklärungen am besten per Telefon oder persönlich abgegeben werden sollten. Unter Umständen kann auch eine Sendung per Fax vorteilhaft sein. (masi)