Kolumne: ITK-Handel 2009: Preiskrieg mit Ansage

Distribution und Handel haben sich mit einem guten Dezember vom Jahr 2008 verabschiedet und sind auch recht ordentlich ins neue Jahr gestartet. Dennoch wird die gute Laune nicht von Dauer sein. Woran die Hersteller nicht ganz unschuldig sein dürften.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe ITK-Händler in Deutschland,

vorgestern habe ich es mir mal so richtig gegeben: Termine mit den Geschäftsführern von vier Distributoren an einem Tag! Erst am Morgen Marcus Adä von Ingram Micro, dann am Mittag Günther Schießl von Tech Data und am Abend Bärbel Schmidt von Actebis Peacock sowie Volker Schwellenberg von NT plus. Insgesamt neun Stunden mehr oder weniger konzentriertes Sprechen, Hören, Denken. Später lag ich daheim im Bett, und die vielen Informationen und Eindrücke des Tages tanzten unter meiner Schädeldecke Cha-Cha-Cha (und ich schwöre, das lag nicht an den paar Gläsern Weißwein beim letzten Termin – zumindest nicht nur).

Natürlich waren die Geschäftsaussichten und Erwartungen für 2009 in allen Gesprächen ein großes Thema. Eins haben die vier Unternehmen gemeinsam: Sie fühlen sich für die kommenden schwierigen Monaten gut gewappnet und gehen davon aus, dass sie sogar gestärkt aus der Krise hervorgehen werden. Gestärkt heißt in diesem Fall vor allem eine Verbesserung der Position im Wettbewerbsumfeld und Gewinnung von Marktanteilen. (NT-plus-Chef Schwellenberg will sogar TK-Distributionsmarktführer Komsa vom Thron stoßen.) Nicht alle gehen aber davon aus, dass sie auch ihren Umsatz steigern werden (Adä: "Unsere Strategie ist nicht auf Wachstum ausgerichtet, sondern auf Effizienz."). Zwar brachte der Dezember bei allen sehr ordentliche Geschäftszahlen (Schmidt: "ein erfreuliches Ergebnis und besser als gedacht"; Adä: "hervorragender Dezember") und auch der Jahresauftakt war nicht schlecht (Schießl: "Die Krise ist bei den Endverbrauchern noch nicht angekommen."), aber unisono gehen alle Firmenchefs von einem "beinharten Jahr" (Schmidt) aus. Adä: "Das Jahr ist extrem gut angelaufen. Wir glauben aber nicht, dass das dauerhaft so bleibt." Schießl rechnet damit, dass das wahre Ausmaß des Schreckens ab April zu sehen sein wird, wenn die Krise bei den Verbrauchern angekommen ist und bei den gewerblichen Kunden die Ergebnisse des ersten Quartals vorliegen werden.

Was die Umsatzentwicklung der IT-Branche in Deutschland betrifft, so hatte der traditionell optimistische Branchenverband Bitkom Mitte Dezember 2008 erklärt, er erwarte in diesem Jahr eine Stagnation auf dem Niveau des Vorjahres. Die Distributoren gehen dagegen von einem Umsatzminus für die Branche von rund zehn Prozent aus. Nun ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass einzelne Unternehmen auch in einem zurückgehenden Markt Umsatzuwächse erzielen können. Das wird sicherlich auch in diesem Jahr so sein. Was aber schlechterdings nicht geht, ist, dass in einem zurückgehenden Markt ALLE Unternehmen Umsatzzuwächse erzielen. (Möglich ist lediglich, dass alle Unternehmen am Ende des Jahres BEHAUPTEN, sie hätten Umsatzzuwächse erzielt, aber das ist ein anderes Kapitel.)

Aber genau dies tun die Hersteller. Ich habe vorgestern von den Distributoren die durchaus besorgniserregende Information erhalten, dass alle – ich wiederhole – alle Hersteller für 2009 Wachstum planen bzw. geplant haben. Was ja angesichts dessen, was da draußen gerade passiert, ziemlich bescheuert ist, wenn Sie mich fragen. Zumal Intel als Schlüssellieferant bereits im November 2008 einen drastischen Umsatzrückgang meldete und dies Anfang Januar noch einmal bekräftigte. Diese Planungen der Hersteller haben mit Optimismus nichts zu tun, das ist einfach – ich weiß gar nicht, wie ich das nennen soll – Ignoranz, Arroganz, oder hat das was mit Religion zu tun (beten und hoffen)? Wenn die Hersteller tatsächlich bei ihren Produktions- und Absatzplanungen so getan haben, als ob es die Krise gar nicht gäbe oder als ob sie davon nicht betroffen wären, dann wird dies brutale Folgen haben: Dann werden Überproduktion und dementsprechend Überangebot auf eine verhaltene Nachfrage treffen – und dann macht es Bumm. Die nächste Preisschlacht holt bereits Anlauf. Da wird Blut fließen – in der Industrie, in der Distribution, im Handel.

Liebe ITK-Händler in Deutschland, wenn es tatsächlich so kommt und wenn es ganz blöd läuft, dann werden Sie am Ende des Tages nur die Wahl haben zwischen (a) Produkte mit Verlust verkaufen und (b) gar keine Produkte verkaufen. Also zwischen Pest und Cholera. Und jetzt fragen Sie sich, bei wem Sie sich für diesen Schlamassel bedanken dürfen.

Beste Grüße

Damian Sicking

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