Papierlos ist okay

Einem neueren Urteil zufolge haben Verbraucher keinen Anspruch auf eine papierne Rechnung. Notfalls müssen sie sich etwa bei Online-Käufen mit einer per E-Mail übersandten Text- oder PDF-Datei beziehungsweise einem Link für den Web-Abruf begnügen.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Online-Händlern oder Telekommunikationsdienstleistern sehen oft vor, dass Rechnungen lediglich per E-Mail versandt werden oder online vom Kunden abgerufen werden müssen. Die gute alte gedruckte Rechnung, die der Briefträger bringt, bedeutet für Anbieter Kosten, die sie gern einsparen.

Eine solche Regelung für den Online-Rechnungsversand enthielten auch die AGB eines Mobilfunkanbieters, der sich durch zwei Instanzen hindurch mit einem Verbraucherschutzverein darum stritt, ob der Verzicht auf die papierne Rechnung rechtlich zulässig ist oder nicht.

Die Klausel, um die es ging, lautete: "Mit diesen Tarifen akzeptiert der Kunde, dass er eine Online-Rechnung erhält; es erfolgt kein Versand der Rechnung per Briefpost an den Kunden. (Die Online-Rechnung ist rechtlich unverbindlich, gesetzliche Anforderungen an Beweis, Aufbewahrung, Dokumentation u.ä. werden nicht erfüllt.). Der Kunde verzichtet insofern auf die Einrede, dass die Rechnung ihm nicht zugegangen sei."

Vereinbarter Maulkorb

Das in erster Instanz mit der Sache befasste Landgericht (LG) Potsdam kam zu dem Schluss, diese Klausel sei in einer Hinsicht unwirksam: Sie würde Kunden um das Recht bringen, sich zu beschweren, wenn sie tatsächlich einmal – aus welchen Gründen auch immer – die ihnen zustehende Online-Rechnung nicht erhalten hätten. Dass mit der fraglichen AGB-Passage eine Vereinbarung getroffen werden sollte, auf eine schriftliche Rechnungsstellung zugunsten einer Online-Nachricht zu verzichten, beanstandeten die Potsdamer Richter hingegen nicht.

Gegen das landgerichtliche Urteil legten die Verbraucherschützer Berufung ein. Sie meinten, die ausschließliche Erteilung von Online-Rechnungen stelle eine "unangemessene Benachteiligung" von Verbrauchern dar. Deswegen sei die entsprechende Klausel nach  307 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) unwirksam. Darüber hinaus weiche der Mobilfunkanbieter damit zum Nachteil seiner Kunden von den Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes (TKG) ab.

Virtuell benachteiligt?

Das für die Berufung zuständige Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg sah die Sache anders  [1]: Zunächst stellte es fest, dass für den Mobilfunkanbieter – jedenfalls bei Rechtsgeschäften mit Verbrauchern – "keine gesetzliche Pflicht besteht, eine Rechnung, gleich in welcher Form, zu übermitteln; insbesondere besteht eine Schriftformerfordernis nicht."

Deshalb, so das Gericht weiter, "lässt sich eine unangemessene Benachteiligung auch nicht aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB herleiten. Nach dieser Vorschrift ist eine unangemessene Benachteiligung … anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht keine Regelung vor, die (einem Vertragsteil) vorschreibt, eine Rechnung zu erteilen."

Auch aus § 286 Abs. 3 BGB mochten die Richter des OLG keine solche Pflicht konstruieren. In diesem Paragrafen geht es um den Zahlungsverzug: "Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet ... Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug."