Planet Reseller ohne Broadliner

Weniger Aussteller, weniger Hallen – aber nach wie vor der weltweit größte ITK-Event. Die CeBIT spürt die Wirtschaftskrise. Konstant bleibt die Ausstellerzahl im Planet Reseller. Allerdings bleiben die Broadliner, das Rückgrat der IT-Branche, dem Fachhandelszentrum fern. Sie finden Hausmessen lohnender.

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Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Planet Reseller: Das Fachhandelszentrum auf der CeBIT

(Bild: Deutsche Messe AG)

Keine Frage, die CeBIT ist und bleibt die weltweit größte ITK-Messe. Aber ungeschoren kommt auch die Deutsche Messe AG nicht davon. Die Ausstellerzahl schrumpft gegenüber den Jahren zuvor, auch weniger Hallen sind belegt: Frei bleiben die Hallen 21 sowie 24 bis 26. Die anderen allerdings sind vollgepackt – die blamablen Freiflächen vom letzten Jahr wusste die Messe damit zu verhindern.

In den Hallen 14/15 residiert 2010 das Händlerzentrum Planet Reseller. Per Definition der Messeleitung wurde der Planet damit ins Zentrum des Geländes gerückt – gegenüber der ehemaligen Halle 25. Damit wird der Bedeutung des Planet Rechnung getragen, so Projektleiterin Martina Lübon, denn "Der Planet ist ein Teil des großen Ganzen". Und er ist wieder ausverkauft.

Zwar kann der Planet mit 170 bis 180 Ausstellern und rund 12.000 Quadratmeter Fläche an das Ergebnis des vergangenen Jahres anknüpfen. Doch dem "Teil des großen Ganzen" und dem zweifellos wichtigsten Treffpunkt für den ITK- und CE-Handel fehlt ein Stück: Immer weniger Distributoren nehmen den Weg nach Hannover auf sich – die Broadliner boykottieren den Planet gänzlich. Die Lücke füllen Hersteller über Hersteller, die größtenteils nicht unbedingt zu den Marktführern zählen.

Simone Frömming, Geschäftsführerin, Tech Data

(Bild: TD)

Bei den verbleibenden Distributoren kommt diese Entwicklung nicht gut an. Sie befürchten eine Verwässerung des Planet-Konzpets in seiner Rolle als Fachhandelszentrum. Vor allem das Wegbleiben der beiden Broadliner Tech Data und Actebis, die im letzten Jahr noch mit einer ganzen Reihe von Herstellerpartnern und durchaus begeistert bei der Sache waren, verwundert manchen Grossisten-Kollegen. Schließlich schwärmte Tech-Data-Chefin Simone Frömming im vergangenen Jahr noch in den höchsten Tönen vom Planet. Jetzt passe er leider nicht mehr ins Veranstaltungskonzept. "Für 2010 liegt unser Schwerpunkt darauf, den verschiedenen Fachhandelsgruppen gezielt Informationen und Schulungen anzubieten", begründet sie gegenüber heise resale die Absage, und fügt hinzu: "Aufgrund der zunehmenden Spezialisierung werden wir – häufig gemeinsam mit Herstellern – maßgeschneiderte Veranstaltungen für die jeweiligen Vertriebspartner anbieten". Um wenigstens ein bisschen CeBIT mitzunehmen, hat die große Tech Data als Partner bei einigen Herstellern Unterschlupf gefunden.

Die Hausmesse Channel Trends+Visions am 15. April in Bochum führt auch Guido Wirtz, frisch gebackener Bereichsleiter Vertrieb beim Broadline-Distributor Actebis Peacock als Absagegrund ins Feld: "Unser Schwerpunkt für 2010 liegt stärker bei den Produkten und Dienstleistungen, die wir unseren Fachhandelspartnern anbieten. Dies funktioniert im Rahmen einer eigenen Veranstaltung mit individuellen Themendarstellungen besser als auf einem platzmäßig eingeschränktem Messestand". Dabei hatte Actebis Peacock in den zurückliegenden Jahren im Planet ohnehin schon die größte Standfläche ausgewiesen.

Axel Grotjahn, Vorstand & CEO, Devil AG

(Bild: Devil)

Die Devil AG, letztes Jahr noch groß dabei, plant 2010 ebenfalls ohne Planet-Auftritt. "Gut möglich, dass wir im kommenden Jahr wieder dabei sind", so Devil-CEO Axel Grotjahn gegenüber heise resale, doch dieses Mal baut auch er lieber auf intensive Vor-Ort-Gespräche und Workshops mit Händlern und Herstellern sowie die große Devil-Hausmesse in der zweiten Jahreshälfte.

Nicht einmal der TK-Distributor Komsa, der seit Jahren einen eigenen Pavillion auf der CeBIT belegte, hat sich 2010 für die CeBIT entschieden. "Das ist kein Bann gegen die CeBIT, sondern eine Entscheidung, die wir Jahr für Jahr neu treffen", erklärt auch Unternehmenssprecherin Katja Förster. Und es erstaunt nun niemand mehr, dass Komsa seine Priorität auf die Hausveranstaltungen im Mai und Juni legt. Einzig Komsa Systems, Spezialist im Enterprise-Business, wird in der Halle 12, Stand B70, auf 104 Quadratmetern vertreten sein. Geschäftsführer Rolf Mittag: "Die CeBIT 2010 wird eine andere Messe sein als die, die wir in den letzten Jahren in Hannover gesehen haben. Der Vorteil: Die Messe wird unserer Ansicht nach zu ihren Wurzeln zurückfinden – Informationstechnik im Businessumfeld."

Immerhin "schweren Herzens", so Unternehmenssprecher Jochen Ramm, verzichte Tarox in diesem Jahr auf eine Beteiligung im Händlerzentrum Planet Reseller. Absagegrund: die eigene Hausmesse. Aber auch Tarox will nicht ganz dem Planet fernbleiben und hat sich deshalb auf dem Stand H36 als Unteraussteller von LG eingemietet.

Gernot Sonnek, Geschäftsführer, Action IT

(Bild: Action IT)

Weniger schweren Herzens verabschiedete sich der Komponentendistributor Action IT von der CeBIT und damit auch aus dem Planet Reseller. Geschäftsführer Gernot Sonnek befürchtet vor allem "weniger internationale Gäste wegen des Wegfalls des Sonntags". Seine Begründung: "Das komplette Wochenende war für Besucher aus Übersee häufig zeitsparender, denn sie mussten nicht so viele Arbeitstage vom Unternehmen weg bleiben." Außerdem verspürte er schon im vergangenen Jahr viel Lustlosigkeit auf der CeBIT. "Und sie ist mittlerweile recht teuer", fügt er noch an.

Die eigenen Hausmessen also sind meist schuld, dass so viele Distributoren dem diesjährigen IT-Event in Hannover abtrünnig werden. Fast einhellig führen die Marketing-Chefs eigene Veranstaltungen als Ursache für das Fernbleiben vom Großereignis CeBIT an. Dem hat Planet-Chefin Lübon verständlicherweise einiges entgegen zu setzen: "Die Hausmessen sind für die CeBIT und damit auch für den Planet überhaupt keine Gefahr. Hausmessen werden fast ausschließlich von Bestandskunden des jeweiligen Veranstalters besucht. Der Planet bietet ein riesiges Potenzial an möglichen Neukunden." Außerdem verfüge die CeBIT über eine weitaus größere Themenvielfalt als Hausveranstaltungen. Auch das Kostenargument lässt sie nicht gelten: Solche Argumente hört Projektleiterin Lübon überhaupt nicht gern. "Der Planet", betont sie, "ist ein Spiegelbild der gesamten Handelsszene". Dies sei allemal die Kosten wert. Darum freue sie sich über jedes Unternehmen, dass diese Plattform nutze.

Freuen kann sie sich auch darüber, dass weder Wirtz noch Frömming, weder Förster, noch Grotjahn der CeBIT eine Absage für immer und ewig erteilen: "Unsere Absage in diesem Jahr hat nichts mit der CeBIT allgemein zu tun. Die Entscheidung für oder gegen die CeBIT treffen wir jedes Jahr aufs Neue". Es kann also gut sein, dass 2011 alle wieder dabei sind. Und die Messe kann sich trösten, dass zumindest der eine oder andere Abtrünnige sein Lager bei einem Partner aufgeschlagen hat.

Die Absagen können zudem nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor auch viele die CeBIT und den Planet als unverzichtbares Event einplanen. Premiere feiert 2010 der Distributor Wave (Stand F44). "Das ist ein elitärer Rahmen mit sehr professionellem Umfeld", umschreibt Unternehmenssprecher Björn Bartsch das Handelszentrum. "Wir bieten unseren Bestandskunden und den erwarteten Neukunden in einem professionellen Ambiente die richtige Gesprächsumgebung. Dort werden wir sie im Dialog von unserem breiten Leistungsangebot überzeugen", ergänzt Gaylord Link, Vertriebsleiter bei Wave. Auf jeden Fall erhoffen sie sich von der Teilnahme im Planet, das Neugeschäft anzukurbeln. "Der Planet ist für uns eine interessante Plattform. Er eignet sich sowohl für Kontakte zu bestehenden Kunden, zu potenziellen Neukunden und zu den Herstellern", erklärt Björn Siewert, Geschäftsführer des Komponentendistributor Siewert + Kau. Für ihn Gründe genug, um in diesem Jahr mit einem deutlich größeren Stand (F56) im Planet Präsenz zu zeigen.

Dieter Kossmeier, Leiter indirekter Vertrieb, ThePhoneHouse

(Bild: TPH)

Planet-Uraufführung feiert auch The Phone House mit der Marke Mobile World Distribution im Planet Reseller (Halle 14, Stand 64-1). Dieter Koßmeier, Leiter des Geschäftsbereichs indirekter Vertrieb bei TPH und verantwortlich für Mobile World Distribution, sieht sich dort gut aufgehoben. "Die CeBIT bietet für uns eine gute Plattform, den Mehrwert der neuen Marke auf breiter Basis zu kommunizieren." Er sucht dort den Dialog mit kleinen und mittleren Distributoren. Auf dem Gemeinschaftsstand 64 in der Halle 14 sind unter anderem auch Firmen wie Eno Telecom, IVS, Sagem und Telepart vertreten.

Ein Planet-Ausreißer ist TK-Distributor Herweck, der sich in Halle 14 Stand H26 außerhalb des Planet Reseller positioniert. "Trotz Roadshows und Hausmessen stand bei uns eine erneute Teilnahme nicht in Frage. Zur CeBIT gibt es keine Alternative", meint Vertriebsleiter Hans-Jürgen Witfeld. Herweck ist in diesem Jahr bereits zum elften Mal auf der CeBIT präsent.

Zu den alten CeBIT-Hasen zählt auch der Spezialdistributor Fröhlich + Walter aus Saarbrücken – ebenfalls außerhalb des Händlerzentrums. "In der Halle 12, Stand D80 haben wir genau die richtige Umgebung mit unseren Produkten", erklärt Marketingleiter Jörg Klawitter. Aber auch er erwägt die Beteiligung jedes Jahr neu. Kein Wunder, veranstaltet das Unternehmen doch alljährlich Ende Januar die Hausmesse IT Impulse in Saarbrücken. "Und die läuft von Jahr zu Jahr besser, ist mittlerweile zu einem wichtigen IT-Event im Saarland geworden."

Einmal da, immer wieder da. Nach diesem Motto verfahren auch die Kooperationen Synaxon und Electronic Partner mit der Systemhauskooperation comTeam. In herzlicher Abneigung verbunden, sind sie weit genug voneinander entfernt (comTeam Stand F67, Synaxon Stand H35), um sich nicht gegenseitig potenzielle Neumitglieder abspenstig zu machen. Synaxon-Vorstand Frank Roebers lobt die "sehr effektive CeBIT-Plattform" und sieht in der Messebeteiligung die Möglichkeit, "unsere Partner und Lieferanten zu treffen und potenziellen neuen Partnern unsere Leistungen zu präsentieren". Sven Glatter wiederum, Vertriebsleiter bei comTeam, betont die Treue zum Händlerzentrum. "Wir sind dem Planet von Anfang an treu und haben schon damals das Potenzial des Planet Reseller erkannt, als Fachbesucherzentrum für B2B-Kunden und Systemhaus-Unternehmer die wichtigste Ankerplattform der CeBIT zu werden."

Michael Kempf, Geschäftsführer, MKS AG

(Bild: MKS)

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Kommentar: Ein Pfeifen im Walde

Nein, eine Messe in der Messe ist das Händlerzentrum nicht, sondern ein Teil des großen Ganzen. So dreht es zumindest die Chefetage der Messeverwaltung hin. Das erinnert an das Pfeifen im Walde, mit dem sich die Messe selber Mut zu machen sucht. Denn wäre der Planet eine eigenständige Messe, müsste er, wie es Martina Lübon selbst fordert, ein Spiegelbild der gesamten Handelsszene sein.

Doch der Situation auf dem Planet Reseller droht eine Schieflage. Der Drang vieler Hersteller ins Fachhandelsareal hat spürbar zugenommen, die Lieferanten, also die Distributoren, sind deutlich in der Minderzahl. Und das spiegelt in keiner Weise die IT-Fachhandelsszene wieder.

Die Distributoren sind ein Dreh- und Angelpunkt der Fachhandelskette und wichtiger Multiplikator der Herstellerszene, sie sorgen für eine Vielfalt an Herstellerpräsenzen, gekoppelt mit ihren eigenen Dienstleistungen als Lieferanten. Das brauchen und wünschen sich die Händler von einem Fachhandelszentrum. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Hersteller bereit sind, den Messeauftritt ihrer Grossisten zu refinanzieren.

Doch diese Bereitschaft lässt sichtlich nach. Der notwendige Geldfluss ist ins Stocken geraten und da liegt aller schöner Worte zum Trotz der wahre Grund, weshalb Broadliner aufwändige Messeveranstaltungen aus ihrem Terminkalender streichen. Denn sie beanspruchen die Freigebigkeit ihrer Herstellerpartner schon auf ihren imposanten Hausmessen zu Genüge. Da bleibt nicht mehr viel Budget für eine CeBIT.

Wolfgang Kühn, freier Journalist

Dem würde sich Michael Kempf gern ohne Wenn und Aber anschließen. Wenn da nicht die Kostenstruktur wäre, die dem Geschäftsführer der MKS AG wenig Freude bereitet. "Vorauskasse bei Serviceleistungen oder mehrere hundert Euro für einen DSL-Anschluss, das halte ich für schlichtweg übertrieben." Trotzdem möchte er, wie in den Vorjahren auch, die CeBIT und den Planet nicht missen. In der Halle 14, Stand L49 wird er seine Warenwirtschaftssysteme und Lösungen zur Optimierung von Geschäftsprozessen präsentieren. "Außerdem suchen wir Handelspartner für unsere Produkte, die sie auch selbst einsetzen können". Ein Argument, das sicherlich auch dazu führte, dass manch ein Hersteller seinen früheren Stammplatz in einer der anderen CeBIT-Hallen gegen den Planet getauscht hat. Denn dort werden sie auf jeden Fall vom Fachhandel wahrgenommen. (map)